„RoRo“-Meter weiter auf 3, Risikoausrichtung bleibt neutral
Die grundlegenden Positiv-Trends sind nach Einschätzung des UIC intakt und wirken unterstützend für Risikoanlagen: Die Weltwirtschaft ist auf Erholungskurs, die Wissenschaft macht Fortschritte bei der Pandemiebekämpfung und Geld- sowie Fiskalpolitik wirken stimulierend. Allerdings haben die Unwägbarkeiten eher zugenommen. Hier rücken verstärkt politische Themen wie die US-Präsidentschaftswahl oder die Brexit-Verhandlungen ins Blickfeld. Bei der Abstimmung in den Vereinigten Staaten kann z.B. eine „Hängepartie“ nach dem Wahltag nicht ausgeschlossen werden. Sollte das Wahlergebnis von einem der Kontrahenten nicht anerkannt werden, wäre erhöhte Marktvolatilität die Folge.
Auch bei der Pandemie ist weltweit betrachtet keine Entspannung zu verzeichnen. Gleichzeitig werden aber auch die Fortschritte deutlich (z. B. mehr Tests, bessere Behandlungsmethoden). In der Kombination mit einem erweiterten politischen Instrumentenkasten hält das UIC daher strikte „Lockdowns“ wie noch im Frühjahr für weniger wahrscheinlich.
Konjunktur, Wachstum, Inflation
Die Weltwirtschaft befindet sich derzeit am Übergang hin zu einer flacheren Erholung. Damit entsteht perspektivisch Enttäuschungspotenzial bei den Wachstumserwartungen. Diese Abflachung des Konjunkturmomentums im Anschluss an einen starken Aufschwung ist ein Stück weit normal. Hinzu kommen aber weitere Faktoren. So wird es zunehmend unwahrscheinlich, dass in den USA vor der Wahl noch eine Verlängerung der Konjunkturhilfen („Fiscal Four“) beschlossen werden kann. Hier fällt also eine wichtige Stütze weg. Dieser Punkt verdeutlicht exemplarisch auch einen weltweiten Trend: Regierungen und Notenbanken haben im Frühjahr 2020 sehr schnell mit umfangreichen Stimuli reagiert. Diese Hilfen bleiben zwar in Kraft und dürften bei Bedarf auch erneut ausgeweitet werden. Allerdings sollte der Umfang im Vergleich zu den bisherigen Programmen eher zurückgehen. Für Wirtschaft und Kapitalmärkte heißt dieser „Peak Policy“: Der Impuls bleibt, nimmt aber ab.
Geldpolitik: Lockerheit wird lange anhalten
Das gilt auch für die Politik der Zentralbanken. Auf der jüngsten Sitzung hat etwa die US-Notenbank Fed ihren Strategiewechsel formal beschlossen. Künftig wird das Zinsniveau so lange als angemessen betrachtet, bis Vollbeschäftigung erreicht ist. Zusätzlich will die Fed die Teuerung für eine Weile bewusst „überschießen“ lassen. Damit rücken Zinserhöhungen in weite Ferne und dürften frühestens 2023 auf die Tagesordnung zurückkehren. Bei den übrigen Instrumenten, etwa der Umfunktionierung des Ankaufprogramms von einer Stützung der Finanzierungsbedingungen hin zur klassischen Konjunkturhilfe, will man sich aber möglichst viel Flexibilität bewahren.
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat derweil keine Änderungen beschlossen. Allerdings scheint die Euro-Stärke den Frankfurter Notenbankern Sorge zu bereiten. Auch wenn die EZB kein Mandat für die Steuerung des Wechselkurses hat, so argumentiert sie mit der deflationären Wirkung einer starken Gemeinschaftswährung in Richtung zusätzlicher Lockerungen. Allerdings ist ihr Spielraum mittlerweile begrenzt. Nach Einschätzung unserer Experten hat die EZB außer Verbalinterventionen und einer Senkung des Einlagenzinses nur noch wenige Möglichkeiten. Eine Ausweitung der Anleiheankäufe halten wir derzeit für unwahrscheinlich.
Chart im Fokus: „Peak Policy“- Rückläufiger Stimulus
Positionierung innerhalb der Asset-Klassen
Corporates und Peripherieanleihen weiter unterstützt
Für die Rentenmärkte bleibt die lockere Geldpolitik der Notenbanken ein wichtiger Faktor. Deren höhere Inflationstoleranz sollte in Verbindung der zyklischen Erholung für eine weitere Versteilung der Renditestrukturkurven von Kernstaatsanleihen sorgen. Peripherieanleihen bleiben hingegen durch die Ankäufe der EZB gut unterstützt. Darüber hinaus dürfte sich das Angebot 2021 aufgrund einer geringeren Primärmarktaktivität der Peripherieländer verknappen. Unternehmensanleihen sind ebenfalls weiter gefragt, sowohl im Rahmen der EZB-Ankäufe wie auch von Anlegern auf der Suche nach attraktiven Renditen. Im Herbst wird die Diskussion um Schuldenstundungen für die schwächere Emerging Markets an Fahrt aufnehmen und das Potenzial von EM-Anleihen begrenzen.
Aktien-Rücksetzer durch steigende Risiken
Nach Höchstständen in den wichtigsten US-Indizes Ende August hat im September eine Korrektur eingesetzt, in der vor allem die zuvor deutlich gestiegenen Technologiewerte stärker unter Druck standen. Global weiter steigende Corona-Infektionen, vorübergehende Rückschläge bei der Impfstoffentwicklung und schwächere Konjunkturdaten haben dazu ebenso beigetragen wie erneut zunehmende geopolitische Risiken und die Unsicherheiten um die US-Präsidentschaftswahl. Diese Faktoren werden auch die Marktentwicklung der kommenden Wochen bestimmen. Aber: Generell bleiben die globalen Aktienmärkte von der „Jagd nach Risikoprämien“ unterstützt. Die Unternehmen kommen in der Krisenbewältigung gut voran, die Gewinnerwartungen verbessern sich weiter.
Erwartete Erholung bei Rohstoffen eingepreist
An den Rohstoffmärkten normalisiert sich die Lage weiter. Im Energiesektor (Rohöl, Ölprodukte, Erdgas) sinken die Lagerbestände weiter. Die Nachfrage bleibt schwach, abzulesen an den sinkenden Prämien für physisches Öl oder den niedrigen Raffineriemargen. Die Angebotssituation ist stabil. Industriemetalle waren bislang durch den „klassischen“ chinesischen Stimulus gut unterstützt, doch dessen Wirkung sollte perspektivisch nachlassen. Darüber hinaus ist die Positionierung der Investoren sowohl in den Industrie- wie auch in den Edelmetallen stark „long“ und begrenzt das Aufwärtspotenzial in beiden Segmenten. Bei Gold und Silber scheint der Appetit der ETF-Anleger vorerst gesättigt.
Euro bleibt favorisiert
Der Euro dürfte perspektivisch von weiteren Schritten in Richtung einer Fiskalunion und hin zu einer insgesamt stärkeren Integration auf europäischer Ebene profitieren. Die EZB hat aber die Euro-Stärke und ihre Implikationen auf die Inflation im Auge. In den nächsten Wochen sollten zunehmend die anstehenden Wahlen in den USA die Trends an den Währungsmärkten beeinflussen. Mittelfristig erwarten wir aufgrund des steigenden US-Zwillingsdefizits, der flacheren US-Zinsstrukturkurve und der höheren Inflationstoleranz der Fed eine Fortsetzung der US-Dollar-Schwäche. Die stockenden Verhandlungen zwischen Großbritannien und der EU lassen aufgrund des kleiner werden Zeitfensters allenfalls noch die Einigung auf einen Rumpf-Handelsvertrag zu. Die Wahrscheinlichkeit eines Hard Brexit nimmt zu. Dies dürfte auf dem Britischen Pfund lasten. Der Japanische Yen sollte in einem Umfeld der wirtschaftlichen Erholung 2021 abwerten.
Volatile Wochen für Wandelanleihen
Die turbulenten Bewegungen am Aktienmarkt waren auch am Wandelanleihenmarkt spürbar. Über die letzten vier Wochen war die Wertentwicklung daher insgesamt neutral. Die Aktienmarktsensitivität ist weiterhin bei etwa 52 Prozent und die Bewertungen stiegen weiter an. Es gab insbesondere in den USA einige Neuemissionen, welche auch gut vom Markt aufgenommen wurden.