Nur sechs Tage nach Bekanntwerden seiner Covid 19-Erkrankung hat US-Präsident Donald Trump seine Arbeit im Weißen Haus wieder aufgenommen. Laut seinem Arzt Sean Conley fühlt sich das Staatsoberhaupt der USA „großartig“. Er setzt seine Therapie und den Wahlkampf nun von dort aus fort. Lag er bereits vor seiner Erkrankung bei den Meinungsforschern hinter Joe Biden, gingen seine Umfragewerte nach Bekanntwerden seiner Corona-Infektion noch weiter zurück.
Militär, FBI und Corona
Mit einer ganzen Reihe von Themen, die er über den Kurznachrichtendienst Twitter verbreitete, versucht der US-Präsident nun von seinem Missmanagement in der Corona-Krise abzulenken. So kündigte er überraschenderweise einen schnelleren und vollständigen Truppenabzug aus Afghanistan an. Bis zum Jahresende will Trump seine Streitkräfte aus dem Kriegsgebiet zurückholen. Außerdem sprach er über 2,5 Billionen US-Dollar, die unter seiner Regierung für die Armee und ihre Angehörigen ausgegeben worden sei. Des Weiteren kündigte er die Aufhebung der Geheimhaltung von FBI-Dokumenten an, unter anderem zu Hillary Clintons E-Mail-Affäre.
Auch aus seiner Corona-Erkrankung versucht Trump politisches Kapital zu schlagen: „Ein Segen Gottes“ sei seine Erkrankung gewesen, sagte er in einem Video. In den USA sind bislang mehr als 210.000 Menschen an dem Virus gestorben. Zudem versprach er den US-Bürgern, das von ihm selbst eingenommene Mittel REGN-COV2 des US-Pharmaunternehmens Regeneron solle allen Amerikanern kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Das Medikament befindet sich derzeit in der dritten Testphase und ist noch nicht zugelassen. Der Aktienkurs von Regeneron stieg nach Trumps Aussagen.
Bestätigung von Coney Barrett nicht sicher
Währenddessen sind in Trumps engem Umfeld laut US-Medien mittlerweile mindestens 34 Personen positiv auf Corona getestet worden. Weitere Infizierte finden sich unter den republikanischen Senatoren, die sich vor Bekanntgabe von Trumps Erkrankung anlässlich der Nominierungsfeier für die konservative Richterin Amy Coney Barrett für den Supreme Court gemeinsam mit Trump und seinem Stab im Rosengarten des Weißen Hauses versammelt hatten. Fallen mehrere Senatoren aufgrund von Quarantäne oder einer ernsthaften Covid-19-Infektion für die nächsten Wochen aus, könnte das die Bestätigung der Kandidatin noch vor der Wahl gefährden: Der Berufung Barretts muss zunächst der Justizausschuss, dann der gesamte US-Senat zustimmen. Die Mehrheit der Republikaner mit 53 von insgesamt 100 Stimmen ist jedoch nur knapp.
Konjunkturpaket erst nach der Wahl
Zudem stoppte der US-Präsident die Verhandlungen mit den Demokraten über ein weiteres Konjunkturprogramm. Ein neues Corona-Hilfspaket will er erst nach der Wahl verhandeln – als Gewinner. Nur Stunden zuvor hatte US-Notenbankchef Jerome Powell angesichts der zaghaften und anfälligen wirtschaftlichen Erholung der US-Konjunktur weitere ökonomische Anreize seitens der Regierung empfohlen. Nach dem Verhandlungsstopp signalisierte Trump wiederum die Bereitschaft, einen Teil der Vereinbarungen zu unterzeichnen, darunter ein 25 Milliarden US-Dollar schweres Hilfspaket für die US-Fluglinien.
Unsicherheit auf dem Markt schwindet
Die US-Börsen reagierten zunächst mit Verlusten auf diese Neuigkeiten, erholten sich aber rasch wieder. Die teils starken Kursschwankungen an den Kapitalmärkten zeigten die Unsicherheit, die angesichts des möglichen Wahlausgangs zuvor breit machte.
Unter dem Strich lässt sich festhalten: Trumps zahlreiche Twitter-Nachrichten nutzten ihm bislang wenig, im Gegenteil: Die Umfragen für den Amtsinhaber haben sich in den vergangenen Tagen weiter verschlechtert. Deshalb fangen Investoren an, sich für eine Präsidentschaft von Joe Biden zu positionieren. Dies zeichnet sich auch in der Wertentwicklung des Russell 2000-Index ab – eine eher untypische Bewegung im Vorfeld einer US-Wahl. Interessanterweise gab es eine ähnliche Bewegung seit 1992 exakt einmal: Als der demokratische Herausforderer Bill Clinton gegen den damaligen Amtsinhaber George Bush Sr. gewann. Übrigens war das seitdem das letzte Mal, dass ein Präsident nach nur einer Wahlperiode sein Amt abgeben musste.
Anfängliche Unsicherheit schwindet
Wertentwicklung des Russell 2000 in den letzten 60 Handelstagen vor der WahlQuelle: Bloomberg; Stand: 8. Oktober 2020
Bidens Programm hält zwar für US-Unternehmen einige Härten wie beispielsweise höhere Steuern bereit. Doch der Markt scheint sich eher an den wachstumsfördernden Aspekten seines Programms zu erfreuen. So plant Biden unter anderem ein innovationsorientiertes Investitionspaket über 2,4 Billionen US-Dollar, von dem wachstumsstarke Branchen profitieren sollten. Zudem dürfte das Verhältnis zwischen den USA und China etwas geglättet werden. Auch das werden die Aktienmärkte honorieren.
Stand aller Informationen, Erläuterungen und Darstellungen:
8. Oktober 2020, soweit nicht anders angegeben.