Die Rohstoffpreise haben seit Anfang 2021 deutlich zugelegt und nehmen die für das laufende Jahr erwartete Konjunkturerholung größtenteils vorweg. Rohstoffe bleiben damit recht hoch bewertet. Aus fundamentaler Sicht hat sich kaum etwas geändert: Die physische Nachfrage nach Rohstoffen ist aufgrund der Lockdowns weiterhin verhalten. Das Angebot ist jedoch teilweise begrenzt.
Doch im globalen Umfeld ist der Optimismus der Marktteilnehmer gestiegen. So wächst in vielen Regionen die Hoffnung auf ein Ende der Corona-Pandemie. Die Impfkampagnen in Israel, den USA, Großbritannien und anderen Ländern sind in vollem Gange und größere Teile der Bevölkerung schon geimpft. Auch geht die Anzahl der Neuinfektionen weltweit zurück, trotz des Aufkommens von ansteckenderen Virus-Mutationen beispielsweise aus Großbritannien, Südafrika und Brasilien. Zudem sind die lokalen Ausbrüche in China inzwischen unter Kontrolle. Damit konkretisieren sich die Aussichten auf eine weltweite konjunkturelle Erholung.
Rohöl mit dem größten Potenzial innerhalb des Sektors
Vor allem als Folge von Investorenkäufen war der Preis für Brent-Rohöl im Dezember 2020 erstmals seit März letzten Jahres wieder auf über 50 US-Dollar pro Fass gestiegen. Das 12-Monats-Kursziel der Rohstoffexperten von Union Investment für Brent beziehungsweise WTI liegt derzeit bei 60 bzw. 57 US-Dollar pro Fass. Doch der Brent-Preis hat am Kassamarkt bereits wieder etwa 60 US-Dollar erreicht. Neben der konjunkturellen Zuversicht spielt hier die Förderdisziplin der OPEC+-Staaten die wichtigste Rolle. Diese Länder schränken ihre Ölförderung weiterhin ein und haben damit das Angebot effektiv gedeckelt. Zudem kommt der Abbau der US-Lagerbestände voran.
Aus Terminmarkt-Sicht bleibt Rohöl interessant. Aufgrund der aktuell invertierten Terminkurve (Backwardation) und der damit verbundenen Erwartung positiver Roll-Erträge spricht Vieles für eine Bevorzugung von Öl innerhalb des Sektors. Risiken bestehen in einer erneuten Verschärfung der Pandemiesituation, bei einer Uneinigkeit in der OPEC+ oder einer Produktionserhöhung der US-Schieferölunternehmen.
Öl-Lagerbestand in den USA nähert sich wieder dem Durchschnitt an
US-Rohöl- und Produktlagerbestände*
Industriemetalle untergewichtet
Industriemetalle scheinen indes weniger interessant, da dieses Marktsegment überproportional von der Nachfrage aus China abhängt. Rund 50 Prozent der globalen Industriemetall-Nachfrage kommt aus der Volksrepublik, während das Land nur für 15 bis 20 Prozent der Ölnachfrage steht. Die Industriemetalle sind daher stark mit der Entwicklung der chinesischen Bau- und Infrastrukturaktivität korreliert.
Lange Zeit hat der chinesische Staat diese Sektoren über fiskalische und monetäre Stimulus-Maßnahmen kräftig unterstützt. Doch inzwischen wurde die Kreditvergabe im ganzen Land gedrosselt, nicht zuletzt um eine Überhitzung des Bau- und Immobiliensektors zu verhindern. Da das Wachstum der Kreditvergabe in China sich nunmehr verlangsamt, wirkt sich der nachlassende Kreditimpuls auch dämpfend auf kapitalintensive Sektoren aus. Zwar sollten die Industriemetalle von einer konjunkturellen Erholung in den westlichen Ländern profitieren, doch fällt deren Anteil an der globalen Nachfrage vergleichsweise niedrig aus. Zudem ist davon auszugehen, dass nach einer Wiedereröffnung der Wirtschaft in den westlichen Ländern eher mehr Dienstleistungen als Güter nachgefragt werden.
Edelmetalle langfristig interessant
Die Preisbewegung der Edelmetalle hing im Januar vor allem von der Entwicklung des US-Dollars ab. Der US-Realzins dagegen, perspektivisch der Haupttreiber für den Goldpreis, hatte kurzfristig nur wenig Einfluss. Ein dritter Faktor ist die Marktvolatilität. Auch wenn Union Investment kurzfristig eine Schwäche des US-Dollars erwartet, geht das Unternehmen für die zweite Hälfte 2021 von einem Anstieg der US-Realzinsen und einer US-Dollar-Stärke aus. Dies wäre ein Umfeld, das wenig unterstützend auf den Goldpreis wirkt. Die 12-Monats-Prognose für Gold wurde daher von 1.900 auf 1.800 US-Dollar pro Unze zurückgenommen.
Silber zog in den vergangenen Wochen sehr große Aufmerksamkeit auf sich, nachdem Privatanleger bei Silber fündig geworden waren, sodass der Preis Anfang Februar sogar kurzfristig auf über 30 US-Dollar pro Unze gesprungen war. Da der globale Silbermarkt nur etwa ein Zehntel des Goldmarkts ausmacht, war das Edelmetall anfällig für die Social Media-getriebene Herdenbewegung. Aufgrund der geringeren Marktliquidität ist es einfach, den Silbermarkt mit relativ wenigen Käufen zu bewegen. Die Euphorie hielt allerdings nur kurz an. Doch aufgrund dieser rein investorengetriebenen Marktbewegung konnte Silber die Bewertungslücke zu Gold schließen, sodass das Gold/Silber-Preisverhältnis inzwischen fair bewertet ist. Dabei hat Silber den Vorteil, dass es von der Industrie stärker genutzt wird, beispielsweise in Photovoltaik-Anlagen.
Auch der Platin-Preis ist zuletzt deutlich gestiegen, angetrieben von positiven Nachrichten aus der Automobilwirtschaft. Bei Platin sehen die Rohstoffexperten von zwar kurzfristig nicht viel Potenzial, doch auf langfristige Sicht könnte der Preis das Niveau von Gold erreichen. Platin wird vielfältig eingesetzt, beispielsweise in Katalysatoren. Dieses Segment sollte aufgrund der verschärften Umwelt-Regulatorik weiter wachsen. Aber auch in den Zukunftstechnologien wie Brennstoffzellen wird Platin eingesetzt. Daher sind konjunktursensitive Edelmetalle (vor allem Platin, aber auch Palladium) nach wie vor für aussichtsreicher als Gold. Insgesamt ist das Chance-Risiko-Verhältnis des Rohstoffsektors aktuell neutral.
Stand aller Informationen, Erläuterungen und Darstellungen:
12. Februar 2021, soweit nicht anders angegeben.