Brexit: Rosige Zeiten für Großbritannien?

Ein Jahr nach dem offiziellen EU-Austritt scheint sich Großbritanniens Konjunktur zu erholen. In erster Linie stützen die Fortschritte der Impfkampagne und die weichende Brexit-Unsicherheit die Entwicklung. Die tatsächlichen Folgen des Brexit dürften jedoch erst mittel- bis langfristig sichtbar werden. Union Investment | 04.03.2021 14:25 Uhr
© Photo by Ian Taylor on Unsplash
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Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Boris Johnson hat immer dafür geworben, dass der Brexit für Großbritannien in erster Linie Vorteile hat. Mittlerweile sind seit Inkrafttreten des rudimentären Handelsabkommens mit der Europäischen Union (EU) zwei Monate vergangen. In den Medien wurde zunächst viel über lange Schlangen am Zoll und entsprechende Verzögerungen berichtet. Doch nun mehren sich die Anzeichen, dass sich die Wirtschaft in Großbritannien wesentlich dynamischer erholt als auf dem Kontinent. Was sind die Ursachen dafür und ist diese Entwicklung nachhaltig?

Die Volkswirtschaft des Vereinigten Königreichs wurde 2020 durch die Unsicherheit rund um den Brexit und die Folgen der Pandemie schwer getroffen. Mit einem Minus von 9,9 Prozent ist die britische Wirtschaftsleistung so stark eingebrochen, wie seit drei Jahrhunderten nicht mehr. Damit verzeichnete Großbritannien den stärksten Rückgang des Bruttoinlandsprodukts aller Industrieländer.

In diesem Jahr machen jedoch die abnehmende Brexit-Unsicherheit aufgrund des Handelsabkommens mit der EU und vor allem die Fortschritte bei der Impfkampagne Hoffnung auf eine zügige Erholung.

Erfolgreiche Impfkampagne unterstützt Öffnung der Wirtschaft

Während die Kontinentaleuropäer mit einer stockenden Impfstoffversorgung und der Ausbreitung der Corona-Mutationen kämpfen, gehen auf der Insel die Fallzahlen dank der fortgeschrittenen Impfungen deutlich zurück – trotz der dort dominierenden, hochansteckenden Variante des Virus. Die Impfstrategie zahlt sich also aus: Großbritannien hat nach Israel das schnellste Pro-Kopf-Impftempo.

Jüngst stellte der britische Premierminister einen Stufenplan zur Lockerung der Eindämmungsmaßnahmen und der Öffnung der Wirtschaft vor, der auch als Blaupause für andere Länder dienen könnte. Ab 8. März 2021 sollen die Maßnahmen in vier Stufen schrittweise aufgehoben werden. Die Öffnung aller Schulen und Universitäten macht den Anfang. Vor jeder Runde wird die Entwicklung maßgeblicher Parameter geprüft, ob weitere Lockerungen möglich sind. Wenn alles reibungslos verläuft, könnten bereits im Juni alle Kontaktbeschränkungen fallen. Der umsichtige Plan zeigt, dass die Regierung in Westminster dazu gelernt hat.

Großbritanniens „Easing Road Map“ könnte als Blaupause dienen

Abfolge der Lockerungsschritte (Darstellung ausgewählter Maßnahmen)

Quelle: Union Investment; Stand: 26. Februar 2021

Starke konjunkturelle Belebung durch Nachholeffekte

Aus diesem Grund rechnen die Volkswirte von Union Investment ab dem zweiten Quartal mit einer deutlichen Belebung der konjunkturellen Aktivität in Großbritannien. Ähnlich wie im dritten Quartal 2020 sollten nach dem Auslaufen der staatlichen Eindämmungsmaßnahmen Nachholeffekte einsetzen. Diese werden auch durch fiskalpolitische Maßnahmen gestützt, durch die ein deutlicherer Anstieg der Arbeitslosigkeit bisher vermieden werden konnte – mit entsprechend positiven Auswirkungen auf den privaten Konsum.

Des Weiteren dürften dank der Klarheit über die Inhalte des Handelsvertrags Nachholeffekte bei den privaten Investitionen die britische Wirtschaftsleistung in den kommenden zwei Jahren unterstützen. Seit dem Brexit-Referendum hatten sich britische Bruttoanlageinvestitionen im europäischen Vergleich unterdurchschnittlich entwickelt. Gleichwohl zeigt sich hier ein komplexes Bild. Wo und wie der Investitionsstau konkret abgebaut wird, muss sich erst noch zeigen. Es kann durchaus passieren, dass ein Teil des Kapitals in den Auf- oder Ausbau von Repräsentanzen und Lagerflächen auf dem Kontinent fließt. Das wird den positiven Effekt durch Investitionen auf der Insel nicht zunichtemachen, könnte ihn aber schmälern.

Risiken für den Aufschwung

Auch adverse ökonomische Folgen des Brexits können – neben einem Wiederaufflammen der Pandemie – den Aufschwung belasten, vor allem im ersten Halbjahr 2021. Denn trotz des Handelsabkommens dürften infolge nicht-tarifärer Handelshemmnisse besonders auf britische Unternehmen höhere Kosten zukommen. Hinzu kommen stockende Lieferketten und Probleme beim Zugang zu den europäischen Absatzmärkten, bis sich die neuen Prozesse eingespielt haben.

Hinzu kommt eine neue politische Unsicherheit: Am 6. Mai stehen in Schottland Parlamentswahlen an. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Scottish National Party als Sieger daraus hervorgeht, ist hoch. Dann käme die Frage der schottischen Unabhängigkeit wieder unweigerlich auf die politische Agenda in Edinburgh und London.

Mittelfristiger Ausblick

Kurzfristig stehen die Chancen gut, dass sich die Wirtschaft Großbritanniens schneller erholt als in der EU. Das spricht für die Aktien kleiner und mittlerer britischer Unternehmen, vor allem solcher, die sich auf den heimischen Markt konzentrieren. Hinzu kommt, dass kleinere Unternehmen allgemein stärker von einem wirtschaftlichen Aufschwung profitieren. Diese Werte sollten sich in den kommenden Wochen besser entwickeln, sowohl als ihre großen heimischen Pendants (auch wegen deren Export-Orientierung) als auch als der breite europäische Markt.

Das starke konjunkturelle Momentum darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Wirtschaftsleistung in Großbritannien das Vorkrisenniveau voraussichtlich nicht vor Ende 2022 erreicht haben wird, während das in der EU bereits zum Jahresanfang 2022 der Fall sein dürfte. Und die tatsächlichen Folgen des Brexits werden ohnehin erst in der mittleren und langen Frist sichtbar. Erst dann können die politischen und ökonomischen Effekte des EU-Austritts von Großbritannien bewertet werden.

Stand aller Informationen, Erläuterungen und Darstellungen:
26. Februar 2021, soweit nicht anders angegeben.

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