Renditeanstieg am Bondmarkt: The Good, the Bad and the Ugly

Union Investment | 15.03.2021 14:07 Uhr
© Photo by 汤 泽坤 on Unsplash
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Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Die Bondmärkte kommen nicht zur Ruhe. Trotz der zwischenzeitlichen Entspannung bleibt die Lage fragil. Treiber ist der US-Rentenmarkt mit einem Renditeanstieg für zehnjährige Treasuries von 16 Basispunkten seit Monatsbeginn auf 1,56%. Seit Spätsommer beträgt der Anstieg etwa 100 Basispunkte und seit Jahresbeginn fast 70 Basispunkte. Fed-Präsident Jerome Powell hat sich vergangene Woche nicht gegen den Renditeanstieg gestellt. In der aktuellen Blackout-Phase vor dem FOMC-Meeting am 17. März bleiben die Märkte sich selbst überlassen.

Wir möchten den Blick über die aktuelle Marktvolatilität hinaus auf das große Kapitalmarktbild werfen. Im Spätherbst 2020 hatten wir einen konstruktiven Ausblick für Risiko-Assets gegeben. Viele der Einschätzungen sind aufgegangen – oftmals wurden unsere positiven Einschätzungen bereits zu Jahresbeginn erreicht oder übertroffen. Auch einen Anstieg der Bondrenditen hatten wir prognostiziert, jedoch haben Ausmaß und Dynamik auch unsere Erwartungen deutlich übertroffen. Die zentrale Frage lautet deshalb: Stellt der Renditeanstieg an den Bondmärkten unser konstruktives Gesamtbild in Frage?

The Good and the Ugly

Zentral bei der Beurteilung des Renditeanstieges auf andere Risikoanlagen wie Aktien oder Credit ist die Ursache für den selbigen. Steigen die Anleiherenditen in Erwartung eines sich verbessernden Wirtschaftsausblicks, ist der Renditeanstieg „gutartig“. Den höheren Anleiherenditen stehen dann auch perspektivisch höhere Umsätze und Gewinne der Unternehmen gegenüber. Die Favoriten wechseln wie derzeit zwischen den Stilen Growth und Value. Die Assetklasse Aktien als Ganzes wird gebremst, aber nicht „abgewürgt“. Die durchschnittliche historische Korrelation von Veränderungen der Bondrenditen und Aktienkursen ist deshalb leicht positiv. Beide Assetklassen reagieren auf das gleiche erwartete Ereignis in der Zukunft. Aus unserer Sicht fällt der aktuelle Renditeanstieg überwiegend in dieses Szenario („The Good“). Die Renditen steigen, weil die Marktteilnehmer eine baldige deutliche Wachstumsbeschleunigung in den USA im Zuge einer weitgehenden Pandemiekontrolle und des nächsten US-Fiskalpakets erwarten. Letzteres wirkt durch Umfang (1,9 Billionen US-Dollar oder 9% des BIP) und Struktur (Steuerschecks, Aufschläge zur Arbeitslosenunterstützung usw.) direkt auf die Nachfrage. Der Renditeanstieg ist gerechtfertigt und damit „gutartig“. Sollte das beschriebene Wachstumsszenario eintreten, ist mit noch höheren Bondrenditen im Jahresverlauf zu rechnen (Prognose für zehnjährige Treasuries per Jahresende liegt bei 1,90%).

„Bösartig“ oder „hässlich“ wird der Renditeanstieg erst, wenn er im Zuge eines sich nachhaltig eintrübenden Inflationsausblicks erfolgt. In diesem aktuell (noch) nicht existenten Fall sind die Notenbanken aufgerufen, sich dem Inflationsauftrieb mit einer Straffung der Geldpolitik entgegenzustellen. Treiber des Renditeanstieges am Bondmarkt sind dann die realen Renditen und Risiko-Assets erleiden in dieser Situation „Schiffbruch“. Höhere reale Bondrenditen und ein zunehmend unsicherer Ausblick belasten dann gerade die Aktienmärkte. Die folgende Grafik zeigt die Wertentwicklung der Anlageklasse nach Regionen und Stilen je nach Treiber des Renditeanstieges. Wie erwartet leiden besonders Growth, Small Caps und die EM-Regionen unter höheren realen Renditen. Letztmals war dies im zweiten Halbjahr 2018 der Fall, als eine unter Volllast laufende US-Wirtschaft die Kerninflation im Sommer 2018 auf nahe 2,5% brachte. Nach bereits sechs Zinserhöhungen der Fed folgten bis zum Jahreswechsel 2018/19 noch zwei weitere. Der S&P500 verlor von September bis Dezember fast 20%.

Cross-Asset Implikation von steigenden Bondrenditen

Wertentwicklung bei steigenden US-Bondrenditen; Unterscheidung nach Treiber des Renditeanstieges: Breakeven (Inflation) oder reale Renditen

Quelle: Bloomberg, Union Investment. Eigene Berechnungen: Annualisierte durchschnittliche Wertentwicklung auf Basis von Total Return Indizes; Monatsdaten: Januar 1997 bis Februar 2021.

Die Inflation wird in den USA im zweiten Quartal 2021 kurzzeitig auf knapp 3% anspringen. Dies ist jedoch noch nicht Ausdruck eines nachhaltigen Inflationsdrucks, sondern durch Sondereffekte der Corona-Pandemie bedingt. Zu wenig ausgeprägt sind noch die zyklischen Inflationskräfte. Die Fed wird durch die kurzzeitige Aufwärtsbewegung der Inflation durchschauen, gerade vor dem Hintergrund ihres gelpolitischen Strategieschwenks im letzten Jahr, bei dem sie ihr Preisziel mit einem „Gedächtnis“ versehen hat. Längere Phasen niedriger Teuerung erlauben die Inkaufnahme eines vorübergehenden moderaten Überschreitens des Inflationsziels von 2%. In seiner halbjährlichen Anhörung vor dem Kongress am 24. Februar betonte Jerome Powell nochmals, die Zinsen nicht anzuheben, bis die Inflation nachhaltig 2% übersteigt („we believe we can do it, we believe we will do it. It may take more than three years“). Wir erwarten deshalb die erste Zinserhöhung der Fed erst Ende 2023/Anfang 2024.

Wichtig an dieser Stelle ist, zwischen Leitzinsanhebungen und dem Tapering der Staatsanleihekäufe zu unterscheiden. Den Beginn des Taperings erwarten wir in Q2 2022 und die Ankündigung gegen Ende dieses Jahres. Die Diskussion zu diesem Thema wird die Federal Reserve spätestens auf dem Jackson Hole Symposium im Spätsommer aufnehmen. Dennoch: Nach einem „bösartigen“ Renditeanstieg sieht es momentan nicht aus.

The Bad

Ein zu dynamischer Renditenstieg belastet allerdings (ebenfalls) das Risikosentiment und lässt die Cross-Asset-Volatilität ansteigen. Wir haben historische Phasen von kurzen kräftigen Renditeanstiegen untersucht. 40 Basispunkte in 35 Handelstagen sind die Schmerzgrenze für den amerikanischen Aktienmarkt. Bei dieser Dynamik lassen sich in den folgenden Wochen signifikant unterdurchschnittliche Aktienreturns nachweisen – insbesondere wenn der Renditeanstieg weitgehend über höhere reale Bondrenditen erfolgt. In diesem Jahr wurde die kritische Schwelle bereits Mitte Februar erreicht, zudem sind ab diesem Zeitpunkt die realen Renditen der wesentliche Renditetreiber. Die erhöhte Volatilität und schwächere Aktienkursentwicklung entspricht also dem historischen Muster. Begünstigt hat die Unsicherheit nach unserer Einschätzung auch ein sehr hoher Risikoappetit unter den Investoren. Unser Cross-Asset-Risk-Appetite Index (CARA) hat in diesem Jahr den höchsten Wert seit 2006 erreicht. Andere gängige Indikatoren wie Bull-Bear, Risk-Love oder die BoA-Fundmanager Umfrage bestätigen die hohe Risikoneigung unter den Anlegern. Viele Investoren haben sich (wie wir) bereits für das günstige Kapitalmarktumfeld positioniert.

Dynamischer Renditeanstieg trifft auf historisch hohen Risikoappetit
Kritische Schwelle: 40 BP innerhalb von 35 Handelstagen

Quelle (links): : Bloomberg, eigene Berechnung; Stand: Schlusskurse per 05.03.21 Quelle (rechts): Bloomberg, Union Investment; Methodik: Cross Asset Risk Appetite (CARA) extrahiert aus 30 Marktvariablen.

Wie kann sich die Situation beruhigen oder gar auflösen?

In seiner Rede letzte Woche hat der Fed-Chef die Erwartungen der Investoren für ein aktives Eingreifen zur Bändigung des Renditeanstiegs enttäuscht. Ein Schritt, den die Fed zum jetzigen Zeitpunkt also für verfrüht ansieht, ihr letztlich aber zur Verfügung steht, sollten die Ziele der Fed durch den Renditeanstieg in Frage gestellt werden. Die nächste Gelegenheit für eine Beruhigung der Lage ergibt sich mit den Fed-Projektionen auf dem FOMC-Meeting nächste Woche (17.3.). Erstmals seitdem die Bondrenditen richtig Fahrt aufgenommen haben, werden die Fed-Mitglieder ihre Sicht auf den zukünftigen Leitzinspfad offenlegen. Möglicherweise werden die „Dots“ etwas nach vorne genommen. Immerhin steht das US-Fiskalpaket kurz vor seiner Verabschiedung. Die Chancen stehen deshalb gut, dass die Bondmärkte mehr Orientierung finden und der Renditeanstieg sich etwas beruhigt.

Empfehlungen für die Asset Allokation / Investmentstrategie

  • Großes Bild: Risikoassets wie Aktien werden gebremst, aber nicht „abgewürgt“. Ein Ende des Bullenmarktes nach nicht einmal einem Jahr wäre außergewöhnlich.
  • Asset Allokation I: Mehr Taktik gefragt. Die kräftige Performancephase zu Beginn eines Bullenmarktes liegt bereits hinter uns. Von hier aus wird der Anstiegswinkel bei Risiko-Assets flacher, d.h. taktisches Agieren erhält damit einen größeren Stellenwert.

  • Asset Allokation II: Behalte die Aktien Long / Renten Short-Position bei. Sollte sich die US-Produktionslücke doch schneller als erwartet schließen und damit die Inflation nachhaltiger treiben, hilft diese Allokation. Einem (vermeintlichen) negativen Beitrag aus dem Aktien-Übergewicht stehen dann positive Beiträge aus dem Renten-Untergewicht gegenüber (positive Korrelation von Aktien- und Bondperformance)

  • Transatlantik-Divergenz: Die zyklische Erholung in den USA beginnt früher und fällt kräftiger aus als im Euroraum. Der Transatlantik-Spread hat damit noch Luft und der US-Dollar erhält in den nächsten Monaten zyklischen Rückenwind.

  • Investmentstile: Unsere Präferenz für 2021 war und bleibt Zykliker > Defensives. Weite Teile des Value-Stils bekommen mehr Luft durch die Bestätigung höherer Bondrenditen.

Stand aller Informationen, Erläuterungen und Darstellungen:
09. März 2021, soweit nicht anders angegeben.

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