Wandelanleihen: Mittel zum Risikomanagement
Die Kapitalmärkte sind mit dem Anstieg der Staatsanleihe-Renditen unruhiger geworden. Wandelanleihen bieten in diesem Umfeld ein gutes Chance-Risiko-Profil für Investoren, die aktienähnliche Erträge bei geringerer Volatilität suchen. Der große Anteil an Digitalisierungsgewinnern macht die Anlageklasse attraktiv, doch ist eine aktive Auswahl unabdingbar.
Die Frage des Risikomanagements dürfte im laufenden Jahr in der Kapitalanlage ein wichtiges Thema bleiben. Seit Jahresanfang haben Staatsanleihen deutliche Kursverluste erlitten – eine Folge gestiegener Inflationserwartungen. Der dazu spiegelbildliche Renditeanstieg hat auch an den Aktienmärkten Spuren hinterlassen. Titel, die als Profiteure der Corona-Krise galten, wurden tendenziell stärker verkauft. Zugleich signalisierten die großen Notenbanken der Welt, die Inflationsentwicklung nicht für bedrohlich zu halten und an einer lockeren Geldpolitik festhalten zu wollen, um die Erholung der Wirtschaft zu unterstützen. In diesem Umfeld dürfte die Marktentwicklung unruhiger werden – während die Jagd nach Rendite angesichts der weiterhin niedrigen Zinsen anhält.
Um durch ein solches Umfeld zu navigieren, kann sich das Segment der Wandelanleihen als mögliche Anlageklasse aus verschiedenen Gründen anbieten. Wandelanleihen kombinieren Eigenschaften von Aktien und Anleihen und boten in der Vergangenheit Schutz in Marktphasen, in denen die Aktienmärkte unter Druck standen. Umgekehrt zeigten sie eine gute Wertentwicklung in Aktien-Erholungsphasen. Selbst im Krisenjahr 2020 hat die Assetklasse die Anlegererwartungen erfüllt und die Aktienrisiken in einem Portfolio reduzieren können. Und: Wandelanleihen bieten für einen Anleiheinvestor durch die Aktienkomponente vergleichsweise gute Ertragsperspektiven. Dies zeigt sich im historischen Vergleich, wo ein diversifiziertes Wandelanleihe-Portfolio über einen mittel- bis langfristigen Zeitraum eine aktienähnliche Rendite bei geringerem Rückschlagrisiko gezeigt hat, auch nach Währungsabsicherung.
Hinzu kommt: Bei Wandelanleihen – Convertibles – stehen derzeit Aktiensensitivität und Absicherung über den Bond-Floor – also die Ertrags-Untergrenze, die durch den Kupon bestimmt wird – oft in einem attraktiven Verhältnis. Union Investment erkennt in diesem Marktsegment auch bewertungsseitig ein attraktives Chance-Risiko-Profil. Die Bewertungen haben sich insbesondere in den USA zuletzt – auch aufgrund der Korrektur bei Wachstumsaktien – wieder etwas verringert.
Trotz der genannten Bewertungsreduktion bieten Wandelanleihen aber einen gewissen Schutz bei volatilen Aktienmärkten. Das durchschnittliche Delta – also die Empfindlichkeit des Wandelanleihekurses gegenüber der Veränderung des entsprechenden Aktienkurses - im Wandelanleihemarkt befand sich im März mit rund 60 Prozent weiterhin in einem ausgewogenen Bereich. Viele Wandelanleihen sind damit also noch nicht aktienähnlich – das bedeutet, dass sie bei einer Korrektur des zugrundeliegenden Aktienkurses weniger stark verlieren würden als die Aktie. Umgekehrt profitieren Wandelanleihen aber auch weniger stark von steigenden Kursen als die entsprechend zugrundeliegende Aktie.
Robuste Entwicklung im Krisenjahr 2020
Auf diese Eigenschaft legt eine aktive Auswahl von Wandelanleihen besonderes Augenmerk. Attraktiv sind Convertibles, bei denen mit einem fallenden Aktienkurs der Kurs weniger stark fällt als er bei steigenden Aktienkursen an Wert gewinnen kann. Sie sollten in einem reinen Aktienportfolio dazu beitragen, Kursrückschläge (Drawdowns) zu mindern. In einem Multi-Asset-Portfolio dienen sie als interessante Beimischung, um mittel- bis längerfristig mit geringerer Schwankungsbreite von einer aktienähnlichen Wertentwicklung profitieren zu können. Zu beachten ist jedoch, dass Convertibles höhere Wertschwankungsrisiken aufweisen als eine reine Anleihe.
Wandelanleihen mit erfreulicher Entwicklung
Betrachtungszeitraum: Fünf Jahre (indexiert)
Quelle: Bloomberg; Stand: 28. Februar 2021.
Ihre Feuertaufe haben Wandelanleihen im Ausnahmejahr 2020 bestanden und damals ihre Konvexität erneut unter Beweis gestellt. Mit Konvexität wird die Eigenschaft einer Wandelanleihe bezeichnet, die zeigt, wie stark ihr Kurs auf die Wertveränderung des zugrundeliegenden Aktienkurses reagiert. Insgesamt schnitten Wandelanleihen unter dem Strich im Corona-Jahr 2020 – hinter Technologieaktien – so gut ab wie fast keine andere Anlageklasse.
Viele Wandelanleihen weisen zudem im Mittel eine vergleichsweise kürzere Duration (Zinsbindungsdauer) auf. Damit bieten sie eine alternative Positionierungsmöglichkeit im Anleihesegment etwa für den Fall, dass die Anleiherenditen insbesondere am langen Ende der Zinskurve noch weiter steigen. Das Basisszenario von Union Investment geht derzeit davon aus, dass der Anstieg der Staatsanleihe-Renditen abgebremst noch etwas weitergeht, der Spielraum nach oben aber durch die lockere Geldpolitik und wieder sinkenden Inflationsdruck begrenzt bleibt.
Markt profitiert vom Digitalisierungstrend
Aufgrund seiner Größenzunahme über die vergangenen Jahre bietet der Wandelanleihe-Markt Möglichkeiten zur Diversifikation. Global beträgt sein Volumen über 400 Milliarden US-Dollar. Durch eine rege, aber nicht exzessive Neuemissionstätigkeit lässt sich aktuell eine chancenorientierte Auswahl treffen. So ist davon auszugehen, dass durch eine Eingrenzung der Corona-Pandemie durch Impf- und Teststrategien auch zyklischere Branchen wieder als Wandelanleihe-Emittenten an den Markt treten dürften, die von einer Erholung der Wirtschaft profitieren würden und Anlagechancen bieten.
Sektorenaufteilung: Wandelanleihenmarkt gegenüber MSCI Welt
Angaben in Prozent
Quelle: MSCI, Refinitiv; Stand: 31. Dezember 2020
Einen bedeutenden Teil des Wandelanleihemarktes machen zudem schnell wachsende Unternehmen aus dem Technologie-, Konsum- sowie Gesundheitsbereich insbesondere aus den USA aus. Somit bieten sich hier Beteiligungsoptionen an möglichen wachstumsstarken Wirtschaftssektoren, die etwa von einer Digitalisierung sowie Innovationen im Bereich von Konsum und Gesundheit profitieren. Union Investment geht davon aus, dass es sich hier um längerfristige Trends handelt, die über das laufende Jahr hinaus tragen werden. Konkret bedeutet dies zum Beispiel, dass Unternehmen aus dem Halbleiter- und Netzwerkgeschäft oder Anbieter von Online-Diensten weiterhin als Emittenten von Wandelanleihen aktiv in Erscheinung treten sollten.
Chancen und Risiken im High-Yield-Bereich
Viele dieser – oft noch jungen – Emittenten treten im High-Yield-Bereich auf, wo Chancen und Risiken überdurchschnittlich hoch sind. Durch die Corona-Krise sowie die aktuelle Korrektur bei Wachstumsaktien sind die Bewertungen hier zuletzt etwas gefallen. Zentral ist in der Anlageauswahl eine sorgfältigen Fundamentalanalyse. Die Ermittlung einer eigenen, internen Bonitätsnote bei Nichtvorliegen eines Ratings einer anerkannten Ratingagentur unterstützt dabei den Auswahlprozess von Union Investment. Durch die Corona-Krise dürften die Ausfallraten noch deutlich steigen. Gerade im Hochzinsbereich, etwa im Kreuzfahrt- oder Airline-Sektor, bestehen noch potenziell hohe Risiken. Andererseits bietet dieser Bereich unter der Voraussetzung, dass sich die Pandemie im Griff halten lässt und wenn dank Impfungen breiter Bevölkerungskreise die zyklische Erholung an Schwung gewinnt, möglicherweise überdurchschnittliche Anlagechancen.
Durch die Integration von ESG-Research (Environment, Social and Governance Factors) lassen sich auch Nachhaltigkeitskriterien in einem Wandelanleihe-Portfolio umsetzen. Dabei sind die aufgrund der Corona-Krise gestiegenen Ausfallrisiken zu beachten, eine aktive Auswahl und breite Streuung sind zu bevorzugen. Demgegenüber sind mögliche Zinsänderungsrisiken im Vergleich zu anderen Anleihesegmenten aufgrund der geringeren mittleren Duration geringer. Insgesamt handelt es sich bei Wandelanleihen um eine Anlage, welche die genaue Kenntnis des Emittenten, der jeweiligen Bedingungen der Anleihe sowie des Marktes insgesamt voraussetzt.
Stand aller Informationen, Erläuterungen und Darstellungen:
12. März 2021, soweit nicht anders angegeben.