Nach wie vor wird der Konjunkturausblick maßgeblich vom Verlauf der Corona-Pandemie geprägt. Während auf der einen Seite staatliche Lockdown-Anstrengungen die Perspektiven trüben, sorgen auf der anderen Seite milliardenschwere Hilfsprogramme für zusätzlichen Schub. Das größte Risiko für das konstruktive Konjunkturbild ist der weitere Verlauf der Pandemie: Neu auftretende Virus-Mutationen bleiben genauso wie die Schnelligkeit in der Umsetzung der Impfkampagnen ein Unsicherheitsfaktor. Eine schrittweise Verbesserung des Pandemiegeschehens vorausgesetzt, dürfte es ab Frühjahr 2021 zu einer spürbaren Belebung der Konjunkturdynamik kommen – wenn auch mit zum Teil erheblichen Unterschieden in den verschiedenen Wirtschaftsregionen und -sektoren.
Erholung verläuft unterschiedlich in Europa
Vor allem in Europa, das von der Pandemie unterschiedlich stark getroffen wurde, verläuft die Erholung heterogen. In Deutschland beispielsweise dürften die Eindämmungsmaßnahmen noch in das zweite Quartal hinein andauern. Dann sollten jedoch ausreichend Vakzine zur Verfügung stehen, um breite Bevölkerungsschichten zu impfen. Und Dienstleister, die ihre Leistung bis dahin nur sehr eingeschränkt anbieten konnten, könnten wieder aktiv werden. Das gilt beispielsweise für Großveranstaltungen, Messen und Angebote zur Freizeitgestaltung. Nach dem Wirtschaftseinbruch um 5,3 Prozent im Jahr 2020 rechnen die Volkswirte von Union Investment für Deutschland im laufenden Jahr mit einem Wachstum von 4,0 Prozent, in 2022 mit 4,9 Prozent.
Katapultstart beim Wachstum ab dem zweiten Quartal 2021
Prognostizierte Veränderung des realen BIP gegenüber Vorjahr
Großbritannien hat indes viel schnellere und deutlichere Fortschritte bei der Impfstoffverabreichung gemacht. Mitte März hatten bereits 36 Prozent aller erwachsenen Britinnen und Briten mindestens eine Impfdosis erhalten. Hinsichtlich der Impffortschritte liegt das Vereinigte Königreich damit im weltweiten Vergleich nach Israel auf Platz zwei. Zwar befand sich das Land zuletzt in einem harten Lockdown, der – ähnlich wie in Deutschland – seit Anfang März schrittweise gelockert wird. Basierend auf den Impffortschritten ist jedoch ab dem zweiten Quartal diesen Jahres mit einer deutlichen konjunkturellen Gegenbewegung zu rechnen, sodass die Wirtschaftsleistung nach einem Minus von 9,9 Prozent im Vorjahr 2021 um 5,0 Prozent und 2022 schließlich um 6,0 Prozent wachsen dürfte.
USA früher auf Vorkrisenniveau, China erholt sich am schnellsten
Auch die US-Wirtschaft hat an Fahrt verloren. Die Ende 2020 und Anfang März 2021 im US-Kongress verabschiedeten Fiskalpakete haben das Rezessionsrisiko zuletzt jedoch deutlich gesenkt. Dabei kommt der Unterstützung des privaten Konsums mittels Stimulus-Schecks und einer zeitlichen Verlängerung und Aufstockung der Arbeitslosenversicherung eine besonders hohe Bedeutung zu. Überdies dürften die im Herbst anstehenden Verhandlungen über den nächsten Staatshaushalt dazu genutzt werden, um weitere Investitionspläne umzusetzen. Die US-Wirtschaft sollte 2021 daher um 5,5 Prozent wachsen, nachdem sie im vergangenen Jahr um 3,5 Prozent geschrumpft war. Für 2022 rechnen die Volkswirte von Union Investment mit einem Plus von 3,6 Prozent.
Viel besser ist die Lage der chinesischen Wirtschaft. Sie hat sich rasch vom Konjunktureinbruch im ersten Quartal 2020 erholt. Schon zur Jahresmitte 2020 erreichte die Wirtschaftsaktivität wieder das Vorkrisenniveau. Im Jahresdurchschnitt 2020 belief sich das Plus auf 2,3 Prozent. Damit ist China die einzige große Volkswirtschaft, die im vergangenen Jahr gewachsen ist. Auch wenn das Infektionsgeschehen im Land regional immer wieder aufflammt, sollten die Auswirkungen aufgrund der harten Gegenmaßnahmen insgesamt begrenzt bleiben. Die neujahrsbedingten Produktionsausfälle fielen zudem deutlich geringer als üblich aus. Unter dem Strich sollte die chinesische Wirtschaft im laufenden Jahr daher deutlich um 8,5 Prozent, im kommenden Jahr um 5,2 Prozent wachsen.
Gesicht der Wirtschaft wird sich verändern
Während die globale Konjunktur 2021 also wieder auf den Wachstumspfad einschwenkt, dürfte sich das Gesicht der Wirtschaft in den kommenden Jahren merklich verändern. Auf der einen Seite dürften Fusionen und Übernahmen dazu führen, dass die Marktkonzentration in manchen Branchen deutlich steigen wird. Ein Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit ist die Deutsche Lufthansa, die nach der Insolvenz von Air Berlin auf vielen innerdeutschen Strecken ein Monopol innehatte.
Viel ausgeprägter ist das Phänomen noch in den USA, mit vier dominanten Airlines und drei dominanten Telekomanbietern. Zum anderen ist nicht auszuschließen, dass es auf Unternehmensebene zu einzelnen Insolvenzen kommen wird. Betroffen dürften in erster Linie solche Firmen sein, die schon vor der Krise kaum profitabel waren und nur durch die günstigen Finanzierungsbedingungen der letzten Jahre weiter wirtschaften konnten. Zu den mutmaßlich betroffenen Branchen zählen neben dem Einzelhandel auch der Energiebereich, der Transportsektor und die Tourismusbranche.
Corona-Krise verstärkt strukturelle Trends
Wo Verlierer sind, gibt es natürlich auch Gewinner. So wirkt Corona beispielsweise als Trendverstärker für die Digitalisierung. Einzelne Firmen, die schon vor der Krise marktbestimmend waren, profitieren von der Pandemie – wie beispielsweise große Onlinehändler. Die Entwicklung gilt im Wesentlichen jedoch für alle Unternehmen, die bereits vor der Krise auf die Bereitstellung und Nutzung des Internets für kommerzielle Zwecke fokussiert waren. Zum Teil werden Marktanteile zwar nur umverteilt – vom Analogen zum Digitalen. Nicht zuletzt durch Innovationen dürfte es aber auch zu effektivem Wachstum kommen. Andere Firmen des Digital- beziehungsweise IT-Bereichs wie führende Elektronikhersteller gehören nicht direkt zu den Profiteuren. Sie können durch die Pandemie auch benachteiligt werden – sei es auf der Produktions- oder der Absatzseite. Dennoch sind diese Probleme nicht existenzbedrohend. Das liegt nicht zuletzt daran, dass viele Unternehmen in der Tech-Branche durch das starke Wachstum der vergangenen Jahre hohe Liquiditätsreserven aufgebaut haben, um damit die Lockdown-Phase zu überstehen und im Anschluss ihre Marktposition weiter ausbauen zu können.
Profitieren dürften auch Branchen, die durch Innovationssprünge in der Krise auf sich aufmerksam machten: beispielsweise die Pharma- und Biotechindustrie sowie die Medizintechnik. Auf der einen Seite sorgen die Unternehmen durch verstärkte Entwicklungsaktivitäten dafür, dass immer mehr und immer schnellere Virustests zur Diagnose von Covid-19 vorhanden sind. Auf der anderen Seite wurde die Forschung nach Medikamenten und Impfstoffen enorm beschleunigt. Mögliche Beispiele sind etwa die beiden deutschen Biotech-Unternehmen CureVac und BioNTech sowie der US-Konzern Moderna. Sie alle haben schon lange Zeit an den neuartigen mRNA-Impfstoffen gearbeitet, die sich fundamental von den Ansätzen der großen Pharmafirmen unterscheiden. Mit der Corona-Pandemie erhalten die Biotechs nun die entsprechende Aufmerksamkeit und damit potenziell auch entsprechende finanzielle Mittel für ihr Geschäft.
Der Impfstoff als Wendepunkt an den Aktienmärkten
Rohstoffwerte und Banken legten am stärksten zu
Impfstoff als Wendepunkt an den Aktienmärkten
An den Kapitalmärkten haben sich diese Entwicklungen schon in deutlichen Kursbewegungen niedergeschlagen. Seit der Nachricht, dass BioNTech und Pfizer einen Impfstoff an den Markt bringen werden, haben zum Beispiel Titel aus dem Reisesektor deutlich angezogen. Auch Energiewerte, die auf eine Wachstumsbeschleunigung im laufenden Jahr hoffen, profitierten. Mit dem positiven Konjunkturbild dürften die Gewinne im Jahr 2021 deutlich anziehen – das eröffnet weiteres Kurspotenzial.
Da Aktien als in die Zukunft blickende Assetklasse ein Großteil der erwarteten Entwicklung vorwegnehmen, dürfte das Gros der Zuwächse bereits im ersten Halbjahr 2021 erfolgen. Für risikoaffine Investoren heißt es deshalb, sich frühzeitig zu positionieren und auf eine sorgfältige Titelselektion zu achten.
Stand aller Informationen, Erläuterungen und Darstellungen:
18. März 2021, soweit nicht anders angegeben.