Europa legt nach: Nach der Ausgabe von Social Bonds zur Finanzierung von europäischen Arbeitslosenhilfen (SURE) hat die EU-Kommission – stellvertretend für die Europäische Union – am vergangenen Dienstag erstmals Geld zur Finanzierung des Krisenhilfepakets Next Generation EU (NGEU) am Markt aufgenommen. Die Nachfrage war beachtlich. Für eine zehnjährige Anleihe im Volumen von 20 Milliarden Euro haben die Konsortialführer eine Orderbuchnachfrage von über 142 Milliarden Euro gemeldet. Das unterstreicht die Attraktivität der EU als sicherer Hafen am Kapitalmarkt.
Erste NGEU-Emission ist ein voller Erfolg – EU nun großer Emittent
Jährliches Funding-Volumen der EU
Quelle: HSBC, Bloomberg, Union Investment; Stand: 17. Juni 2021
Monatliches Angebotsvolumen der EU
Quelle: HSBC, Bloomberg, Union Investment; Stand: 17. Juni 2021
Die Anleihe kam mit einem Kupon von null Prozent und einer Rendite von 0,086 Prozent (Emissionspreis: 99,141) an den Markt. Der Abschlag gegenüber Midswaps betrug zwei Basispunkte (BP), gegenüber einer entsprechenden zehnjährigen Bundesanleihe betrug der Aufschlag 32,3 BP. Der NGEU-Bond war die größte einzelne Anleihe, die die EU je aufgelegt hatte, und war größer als alle bisher aufgelegten SURE-Anleihen.
Fünftgrößter Emittent hinter Spanien
Mit dem NGEU-Finanzierungsprogramm und einer geplanten Mittelaufnahme von rund 806 Milliarden Euro (zu laufenden Preisen) wird Europa bis 2026 zum größten supranationalen Emittenten und zum weltgrößten Emittenten von Grünen Anleihen werden. Bald sollen außer langlaufenden Anleihen auch kurzlaufende NGEU-Bonds – europäische T-Bills – und Grüne Anleihen (Green Bonds) folgen.
Die Gemeinschaft mischt damit den europäischen Anleihenmarkt kräftig auf und wird zum fünftgrößten Emittenten hinter Spanien. Mit den Einnahmen will die Kommission die Krisenhilfen für einzelne EU-Länder finanzieren und die europäische Wirtschaft nachhaltiger und wettbewerbsfähiger machen. Im laufenden Jahr will die EU (inklusive der aktuellen Anleihe) insgesamt 80 Milliarden Euro am Kapitalmarkt über NGEU-Anleihen aufnehmen, in den Folgejahren jeweils rund 150 Milliarden Euro pro Jahr.
Nebenbei wird die EU damit auch zur größten Green-Bond-Emittentin der Welt und untermauert ihren Anspruch der nachhaltigen Transformation der Finanzmärkte. Denn rund 250 Milliarden Euro des geplanten Finanzierungsvolumens sollen über grüne Anleihen aufgenommen werden und zweckgebunden in Klimaschutzprojekte fließen.
Zur Bekämpfung der Folgen der Corona-Krise hat die EU bereits allein zur Finanzierung des Arbeitslosenhilfe-Programms SURE 89 Milliarden Euro am Markt aufgenommen. Bis Ende 2021 dürften sich die ausstehenden SURE-Bonds auf rund 94 Milliarden Euro summieren. Wegen ihrer nachhaltigen Eigenschaft als Social Bonds stießen die SURE-Anleihen unter Investoren auf sehr starkes Interesse.
Die ersten NGEU-Anleihen werden als herkömmliche Anleihen begeben und nicht als Grüne Anleihen, da die Erstellung des Rahmenwerks noch nicht abgeschlossen ist. Dies soll laut EU-Kommission im September der Fall sein. Da bei der neu aufgelegten NGEU-Anleihe die nachhaltige Komponente noch fehlt, wurde von einigen Anlegern eine leicht höhere Neuemissionsprämie verlangt.
Hohe Liquidität zu erwarten
Union Investment geht künftig von einer hohen Liquidität der NGEU-Anleihen aus, da die Emissionsvolumina deutlich größer sein werden als die bisherigen SURE-Anleihen. Auch wenn es sich um eine zeitlich begrenzte Schuldenaufnahme handelt: Die EU-Kommission mausert sich damit langsam zum europäischen Schuldenmanager. Begrüßenswert ist die Transparenz bezüglich der Emissionsdaten und Emissionsvolumen sowie der Laufzeiten, denn dies hilft Investoren sich vorzubereiten. Insbesondere die Tatsache, dass künftig Anleihen auch im Rahmen von Auktionen an den Markt kommen, und nicht nur über Bankensyndikate, zeigt, dass Europa in Kapitalmarktfragen enger zusammenrückt.
Für Investoren sind die mit der höchsten Kreditwürdigkeit eingestuften NGEU-Anleihen eine Alternative zu Bundesanleihen, da sie bei gleicher Laufzeit einen Renditeaufschlag bieten. Die EU-Mitgliedstaaten sind dabei verpflichtet, jederzeit sicherzustellen, dass das EU-Budget ausreicht, um die Verpflichtungen aus NGEU abzudecken. Damit dürften die NGEU-Bonds in der Portfolioallokation zu einem gern genutzten Substitut für erstklassige Adressen im Staatsanleihenmarkt werden. Zudem dürfte die Europäische Zentralbank (EZB) perspektivisch diese Bonds im Sekundärmarkt im Rahmen ihrer Anleihekaufprogramme erwerben, was stützend wirkt.
Europa soll digitaler und grüner werden
Was geschieht mit den aufgenommenen Mitteln? Unter anderem will die EU damit die Digitalisierung und die grüne Transformation der europäischen Wirtschaft vorantreiben. Die größten Nutznießer der NGEU-Zuschüsse dürften (in absoluten Zahlen) Italien, Spanien, und Frankreich sein. Gemessen am Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) sind die höchsten Zuschüsse für Griechenland, Portugal und die Slowakei zu erwarten.
Bereits gebilligt hat die EU-Kommission die Wiederaufbau- und Resilienz-Pläne (RRF) von Griechenland (30,5 Milliarden Euro), Spanien (69,5 Milliarden Euro), Portugal (16,6 Milliarden Euro) und Dänemark (1,5 Milliarden Euro). Mit Spanien vereinbarte die Kommission beispielsweise, dass 28 Prozent in die Digitalisierung investiert und 40 Prozent in mit Klimazielen verbundene Projekte wie saubere Technologien und Energieeffizienz fließen sollen.
Stand aller Informationen, Erläuterungen und Darstellungen:
18. Juni 2021, soweit nicht anders angegeben.