Großmachtwettbewerb – zwischen den Stühlen

Der Großmachtwettbewerb zwischen China und den USA wird die internationale Ordnung und die Weltwirtschaft verändern. Deutschland muss seinen Platz neu bestimmen. Auch für global operierende Unternehmen wird das veränderte internationale Umfeld eine Herausforderung. Union Investment | 15.09.2021 15:00 Uhr
© Photo by Federica Campanaro on Unsplash
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Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Der Konflikt zwischen China und den USA ist in eine neue Phase getreten: Das Prinzip heißt nicht länger Globalisierung, sondern Großmachtwettbewerb. Im Fokus steht nicht mehr der Handel, sondern eine aktivere Industriepolitik, eine restriktivere Sicht auf Technologietransfers und die härtere regulatorische Behandlung von ausländischen Unternehmen. Denn China erhebt Anspruch auf eine Führungsrolle und will zu einem führenden Innovationsstandort werden. Durch diese Ambitionen sehen die USA ihre nationale Sicherheit berührt. Beide Staaten werden versuchen, ihre Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und Importabhängigkeiten zu reduzieren. Deutschland muss in diesem Umfeld seine Position neu bestimmen – nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich.

Der Konflikt wird tiefgreifende Folgen für die Weltwirtschaft haben: Lieferketten werden sich verändern, der Zugang zu strategischen Komponenten wird neu organisiert. Der Großmachtwettbewerb wird die Wirtschaftspolitik des nächsten Jahrzehnts prägen und mit über das Wachstumspotenzial entscheiden – gesamtwirtschaftlich und für viele Unternehmen. Als Exportnation ist Deutschland abhängig von funktionierenden Lieferketten, dem Zugang zu Absatzmärkten und wichtigen Rohstoffen – und sitzt zwischen den Stühlen, denn die USA und China sind die beiden wichtigsten Handelspartner. Was also sollte Deutschland tun?

Deutschlands wichtigste Handelspartner im Jahr 2020

Exportanteil in Prozent

Quellen: Statistisches Bundesamt, Union Investment; Stand: 2020

1. Fokus auf eigene Stärken und Digitalisierung vorantreiben

In vielen Bereichen wie etwa Künstlicher Intelligenz, Quanten-Computing oder Halbleitertechnik ist Deutschland bereits heute abgeschlagen. Das Problem ist aber nicht, dass Deutschland zu wenig Mittel in die Forschung investieren würde. Der Schwerpunkt ist entscheidend: So fließt ein Drittel der deutschen Forschungsausgaben in den Automobilsektor, in den USA sind es nur 5 Prozent. Anders im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie: In den USA beträgt der Anteil 22 Prozent, in Deutschland liegt er bei nur 6 Prozent.

Deutschland gehört bei den Schlüsseltechnologien der Zukunft nicht zum Spitzenfeld

Anzahl der Patente im jeweiligen Technologiebereich, in Prozent (2014-2017)

Quellen: OECD, Union Investment; Stand: 2018

China und die USA werden künftig noch stärker in Forschung und Entwicklung investieren. Dieses Rennen kann Deutschland kaum gewinnen. Stattdessen sollte es sich auf seine Stärken besinnen: Zum Beispiel auf den Maschinen- und Anlagenbau als Basis für die vernetzte Industrie 4.0. Ein Hindernis ist die vielerorts schlecht ausgebaute digitale Infrastruktur. Dabei ist der Netzwerkausbau die Voraussetzung schlechthin für künftige Innovationen. Deutschland sollte deshalb die Digitalisierung mit aller Kraft vorantreiben. Daneben bietet auch die Umwelttechnologie Chancen. Entscheidend ist die politische Unterstützung, um einen eigenen europäischen Markt mit heimischen Liefernetzwerken zu entwickeln. Positive Beispiele dafür sind die European Battery Alliance oder die European Clean Hydrogen Alliance.

2. Netzwerke schützen und Rahmenbedingungen für Innovation verbessern

China setzt einen Fokus auf heimische Innovation. Dies könnte zum Risiko für den deutschen Mittelstand werden. Denn das Land verknüpft zunehmend den Marktzugang mit der Forderung, auch Entwicklungsabteilungen nach China zu verlagern. Damit gerät eine der großen Stärken der deutschen Industrie in Gefahr: das einzigartige Innovationsnetzwerk zwischen Konzernen und Mittelstand. Verlagern deutsche Konzerne Forschungsabteilungen nach China, könnte diese Stärke beschädigt werden. Deutschland sollte besonnen mit Technologietransfers und der Verlagerung von Entwicklungsabteilungen umgehen. Besser wäre, die eigene Innovationsfähigkeit zu stärken und die Rahmenbedingungen dafür zu verbessern, zum Beispiel bei der Finanzierung von Start-ups.

3. Zugang für Unternehmen in die EU klar regeln und Binnenmarkt stärken

Die Vergangenheit hat gezeigt, dass chinesische Unternehmen zu einer ernstzunehmenden Konkurrenz auf dem Weltmarkt werden können. Das Land bringt beste Voraussetzungen mit: Der geschützte Heimatmarkt bietet Unternehmen geringen Wettbewerbsdruck, Größenvorteile, niedrige Kosten sowie günstige Finanzierungsbedingungen und staatliche Unterstützung. Dies ermöglicht überdurchschnittliche Gewinne, die die Unternehmen in Forschung und Entwicklung investieren können, um Produktivität und Qualität der Produkte zu steigern. Das bietet Vorteile auf den Weltmärkten, zum Beispiel auf der Kostenseite. Außerdem schützt China weiterhin junge Industrien durch Zugangsbeschränkungen vor ausländischer Konkurrenz.

Dies könnte auch deutschen Domänen wie dem Automobil- und dem Maschinenbau gefährlich werden. Deshalb ist Selbstschutz angebracht, auch durch eine aktive Industriepolitik: In einigen Bereichen ist Größe durchaus ein Erfolgsfaktor. Dies gilt nicht nur für Unternehmen, sondern auch für Märkte. Das Ziel sollte sein, auf europäischer Ebene attraktive Märkte mit politischer Rückendeckung zu schaffen. Außerdem sollte Deutschland darauf hinwirken, den europäischen Binnenmarkt weiterzuentwickeln und gegen Konkurrenz zu stärken, etwa im Dienstleistungsbereich.

Muss sich Deutschland für eine Seite entscheiden?

Lange bestand die wirtschaftspolitische Strategie Deutschlands im Kern aus zwei Elementen: finanzpolitische Stabilität auf der einen Seite und offene Märkte für deutsche Produkte auf der anderen. Die sich verändernden globalen Rahmenbedingungen lassen Zweifel wachsen, ob diese Strategie zukunftsfähig ist. Gerade vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung muss Deutschland an seiner Innovationskraft arbeiten, um die in vielen Bereichen gute internationale Wettbewerbsposition nicht aufs Spiel zu setzen. Deshalb erscheinen höhere Investitionen als in der jüngeren Vergangenheit sinnvoll, sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene.

Eine wahrscheinliche Folge des Konflikts werden zwei unabhängige Einfluss- und Technologiesphären mit unterschiedlichen Normen und Standards sein. Wie sollte sich Deutschland positionieren? Im Vergleich hat Deutschland eindeutig mehr politische Übereinstimmungen mit den USA als mit China. Eine Allianz mit den Vereinigten Staaten ist deshalb in vielen Bereichen sinnvoll. Diese sollte aber keinesfalls bedingungslos sein. Sich von China komplett abzuwenden wäre zudem nicht sinnvoll, denn das Land ist und wird auch auf Sicht der attraktivste Wachstumsmarkt für deutsche Unternehmen bleiben.

Für sie wird das neue Umfeld ohnehin eine Herausforderung: Der Umbau von globalen Lieferketten wird in vielen Fällen Folgen haben, beispielsweise durch Exportbeschränkungen. Zudem könnten die beiden getrennten Einflusssphären den operativen Aufwand deutlich erhöhen. Größere Unternehmen dürften besser in der Lage sein als kleine, sich auf die neuen Rahmenbedingungen einzustellen.

Stand aller Informationen, Erläuterungen und Darstellungen:
3. September 2021, soweit nicht anders angegeben.

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