Der Klimaschutz ist eine Generationenaufgabe – dies zeigen die schwierigen Verhandlungen auf dem Klimagipfel COP26 (Conference of the Parties), der noch bis zum 12. November in Glasgow stattfindet. Konkrete Pläne zur Absenkung der Treibhausgasemissionen bleiben selten, und es zeigen sich große Unterschiede zwischen den Interessen der einzelnen Länder. Die direkten Kapitalmarktfolgen von Klimamaßnahmen sind allgemein erst sehr langfristig spürbar. Einzelne Folgen aber werden durchaus schneller sichtbar: Zum Beispiel für die Kohle- beziehungsweise Erdgasindustrie durch die Pläne zur Beendigung der Finanzierung von Kohle sowie zur Verringerung des globalen Methangasausstoßes.
Mehr Anstrengungen für Anpassung an den Klimawandel
Da immer wahrscheinlicher wird, dass das Ziel des Pariser Klimagipfels von 2015 – eine Erderwärmung von maximal 1,5 Grad Celsius – nicht mehr erreichbar ist, nehmen die Anstrengungen zu, verstärkt Mittel in eine Anpassung an die Klimafolgen zu investieren. In Glasgow sind verschiedene internationale Initiativen zur grünen Transformation der Wirtschaft gestärkt oder neu gegründet worden. So bekannten sich viele Staaten und staatsähnliche Institutionen zu einem künftigen Kohleausstieg oder einer schrittweisen Einstellung der Finanzierung von fossilen Energieträgern.
Der „Wettbewerb der Ambitionen“, der auf übergeordneter Ebene stattfindet, dürfte auf Mikroebene noch ausgeprägter werden. Der Druck steigt, um die Folgen des Klimawandels zu verringern, weil die Kosten – etwa aus klimabedingten Naturkatastrophen – deutlich steigen dürften. Gerade jene Unternehmen leisten hier einen wichtigen Beitrag, die sich positiv absetzen können und etwa mit technischen Innovationen einen Beitrag nicht nur zur Minderung der Auswirkungen des Klimawandels (Mitigation) leisten, sondern auch zur Anpassung an den Klimawandel (Adaption).
Klimaziele – ja, aber
Als ein Zwischenfazit von COP26 lässt sich ziehen, dass die meisten großen Treibhausgas-Emittenten der Welt wie China, aber nun auch überraschenderweise Indien und Russland langfristige Klimaneutralitätsziele haben. Auch die Türkei hat nun das Pariser Klimaabkommen ratifiziert. Da aber vor allem China und Indien vor dem Jahr 2030 ihre Emissionen absolut kaum senken werden, sind die globalen Reduktionspfade nach 2030 extrem steil (ambitioniert). Hinzu kommt: Bei den allermeisten Ländern fehlen konkrete Pläne, wie diese steilen Pfade erreicht werden sollen.
Deshalb ändern die neuen Zusagen das große Bild noch nicht: Es fehlt an Maßnahmen, die zur Einhaltung der Grenze einer Erwärmung von zwei Grad Celsius beitragen können. Das 2015 vereinbarte Ziel einer maximalen Erwärmung von 1,5 Grad Celsius ist mit den aktuellen Zusagen der Länder nicht erreichbar.
So ist im Corona-Krisenjahr 2020 der Ausstoß von Treibhausgasen weltweit um nicht einmal sechs Prozent zurückgegangen. Im laufenden Jahr dürfte bereits wieder das Vorkrisenniveau beim Ausstoß neuer Treibhausgase erreicht werden. Wenn die Emissionsreduktionspläne von China und Indien so wie derzeit geplant umgesetzt würden, müssten diese Länder dereinst ihren CO2-Ausstoss stärker verringern, als die Emissionen Corona-bedingt sanken, damit die Ziele erreicht werden.
Deutlich mehr Ausstoß von Treibhausgasen seit 1990
Quelle: Global Carbon Atlas; Stand: 5. November 2021.
Kapitalmarkt und Transferzahlungen rücken ins Zentrum
Auf dem COP26-Gipfel waren sich die global führenden Finanzminister zudem einig, dass dem Kapitalmarkt eine Schlüsselrolle zukommt, um Klimamaßnahmen zu finanzieren. An Versprechen mangelt es nicht. Private Finanzgeber – Banken, Versicherern und Investoren, die Vermögen über 130 Billionen US-Dollar verwalten – haben beispielsweise über die Glasgow Financial Alliance for Net Zero ein Versprechen zur Klimaneutralität bis 2050 gegeben.
Ein wichtiges Element werden auch Transferleistungen von entwickelten zu weniger entwickelten Ländern. Es zeichnet sich eine Lösung ab, wie diese Transferzahlungen, die auf rund 100 Milliarden US-Dollar jährlich veranschlagt werden, künftig fließen sollen. So wird beispielsweise ein neuer Kapitalmarkt-Mechanismus (Capital Market Mechanism) zur Finanzierung von sauberer Energie und nachhaltiger Infrastruktur in Schwellenländern aufgesetzt. Der unter anderem von den USA und der Weltbank unterstützte Clean Technology Fund des Climate Investment Funds (CIF) soll zur Finanzierung über die nächsten zehn Jahre jährlich Grüne Anleihen mit Investment-Grade-Rating über 500 Millionen US-Dollar ausgeben.
Ebenfalls wird auf der COP26 der Artikel 6 des Pariser Klimaabkommens verhandelt. Dabei sollen vor allem weniger entwickelte Länder ihre Emissionsreduktionen an Industrieländer verkaufen können. In dem weltweiten Kooperationsmechanismus können also Industrieländer von Schwellenländern Emissionsreduktions-Zertifikate erwerben, um ihre Klimaziele umzusetzen – als Folge findet ein Geldfluss in die Schwellenländer statt.
Flankiert werden sollen solche Bemühungen durch die Schaffung international vergleichbarer Standards für die Berichterstattung über Klimarisiken. Damit befasst sich das neu in Frankfurt und an weiteren Standorten angesiedelte International Sustainability Standards Board (ISSB).
Insgesamt rechnen wir mit wenigen kurzfristigen Auswirkungen von COP26, längerfristig aber mit einem vermehrten Geld- und Technologiefluss in Richtung Schwellenländer. Auch dürften Technologien, die der Vermeidung von Treibhausgasemissionen dienen, mehr Finanzierung erhalten. Vor allem dürfte aber auch mehr Geld für Anpassungen an den Klimawandel investiert werden. Der Wettbewerb der Ambitionen wird um einen Wettbewerb der Umsetzung ergänzt werden müssen. Deshalb wird das Engagement von privaten Investoren und Unternehmen noch wichtiger als zuvor.
Stand aller Informationen, Erläuterungen und Darstellungen:
05. November 2021, soweit nicht anders angegeben.