Wie viele andere Notenbanken dürfte die Europäische Zentralbank (EZB) bald beginnen, ihre geldpolitischen Hilfen zurückzufahren. Am Kapitalmarkt kann das für Enttäuschung sorgen. Zumal die Kommunikation der Währungshüter zu ihren geldpolitischen Zielen anlässlich der Sitzung am 16. Dezember deutlich vager ausfallen dürfte als bisher. Das mag für manche Anleger zunächst unbefriedigend sein, ist aber dem unsicheren Umfeld angemessen. Es erhöht den Spielraum der EZB in der Inflationsbekämpfung, was ein gutes Zeichen wäre.
Die Europäische Zentralbank (EZB) wird auf ihrer nächsten Sitzung den Fuß wohl beherzter vom Gas nehmen als noch vor ein paar Wochen erwartet. Negative Konjunkturauswirkungen infolge der niedrigen Impfquoten in Teilen Europas werden auf die Wintermonate beschränkt bleiben. Konkret erwarten wir, dass die EZB das Ende der Netto-Anleihekäufe im Rahmen des Notfallankaufprogramms PEPP per Ende März 2022 verkünden wird. Von diesem etwas restriktiveren geldpolitischen Kurs dürfte die EZB nur abweichen, falls die Omikron-Variante zu globalen Lockdowns führt. Das ist derzeit aber nicht absehbar.
Damit bleibt die EZB in ihrer Geldpolitik auf drei Botschaften festgelegt. Erstens: Bei den Anleihekäufen und in der langfristigen Kreditvergabe an Banken dürfte sie die Zügel anziehen. Gleichzeitig wird sie darauf achten, dass sie die Konjunktur nicht abwürgt. Deshalb dürfte sie im nächsten Jahr – anders als die US-Notenbank Federal Reserve oder die Bank of England – die Zinsen noch nicht anheben. Bei der Drosselung der Wertpapierkäufe schwenkt sie also auf den Kurs der meisten Notenbanken ein. In der Zinspolitik zeigt sie aber ein anderes Gesicht und bleibt noch länger locker – das ist die zweite Botschaft.
Die dritte Botschaft ist, dass sich die Kapitalmärkte an deutlich vagere Aussagen der EZB zu ihren geldpolitischen Absichten gewöhnen müssen. Das dürfte für Enttäuschung sorgen. Angesichts der großen Unsicherheit rund um Wachstum und Inflation nach der Pandemie sichert sich die Notenbank so ihre Flexibilität. Denn seit die EZB die Kommunikation ihrer geldpolitischen Absichten als Steuerungsinstrument einsetzt, hat sie in der Regel auf „Wenn-dann“-Formulierungen zurückgegriffen. Dies war in einem Umfeld mit dauerhaft niedrigen Inflationsraten und fallenden Realzinsen richtig. Doch infolge der Corona-Pandemie ist der Inflationsausblick unsicher. In einem solchen Umfeld ist die Notenbank gut beraten, sich in ihrer Ausrichtung nicht zu sehr festzulegen. Pendelt sich die Inflation wie von uns erwartet längerfristig auf einem erhöhten Niveau näher am Notenbankziel von zwei Prozent ein, dann kann die EZB konsistent handeln.
"Die EZB dürfte die am Markt gehegten Erwartungen enttäuschen."
Dr. Jörg Zeuner, Chefvolkswirt bei Union Investment
Wir erwarten, dass sich die EZB am 16. Dezember bedeckt halten wird, wie sie nach dem Auslaufen des PEPP ihre Anleihekäufe gestaltet. Damit dürfte sie die am Markt gehegten Erwartungen enttäuschen. Diese setzen darauf, dass nach dem Ende von PEPP die Anleihekäufe sehr hoch bleiben – nur eben im Rahmen des allgemeinen Ankaufprogramms APP. Wenn überhaupt, so könnte die EZB das monatliche Kauftempo nach März 2022 nur geringfügig und für kurze Zeit hochfahren. Sie behält dadurch ausreichend Spielraum, um gegen eine hohe Inflation vorgehen zu können. Mittelfristig ermöglicht ihr das, bei Verbrauchern und Unternehmen ihre durch die zuletzt schmerzhaft hohe Teuerung angekratzte Glaubwürdigkeit wieder zu stärken – gerade in Deutschland. In den anderen Ländern der Eurozone ist die Inflationsrate längst nicht so hoch wie hier.
Auch wenn es paradox erscheint: Der beste Weg zur Stärkung der Glaubwürdigkeit ist es, wenn die EZB im aktuell unsicheren Umfeld ein hohes Maß an Flexibilität zeigt. So kann sie signalisieren, dass sie ihr Mandat der Preisstabilität ernst nimmt.
Dr. Jörg Zeuner, Chefvolkswirt bei Union Investment