Die Rendite für zehnjährige Bundesanleihen hat die Nullprozentschwelle erstmals seit dem 7. Mai 2019 wieder nach oben durchbrochen. Insgesamt hat es zwar stolze 141 Wochen gedauert, aber zuletzt war die Rückkehr zur positiven Verzinsung nur noch eine Frage der Zeit. Hohe Inflationsraten sowie die geldpolitische Wende der US-Notenbank Federal Reserve und anderer wichtiger Notenbanken lassen fast überall auf der Welt die Anleiherenditen steigen. Die Eurozone macht da keine Ausnahme. Aber: Hier fiel der Renditeanstieg flacher und langsamer als in anderen Erdteilen aus. Das wird auch so bleiben.
Drei Gründe sprechen dafür:
- Im Euroraum ist die Inflationsdynamik noch relativ moderat, insbesondere im Vergleich zu den USA. Das bremst den Renditeanstieg.
- Die Europäische Zentralbank (EZB) ist deutlich zurückhaltender als ihre Pendants bei der Straffung der Geldpolitik. Zwar werden auch in der Währungsunion die Anleiheankäufe verringert, aber eben nicht gestoppt. Von Leitzinsanhebungen oder gar dem Abbau der Zentralbankbilanz, beides in den USA schon in diesem Jahr zu erwarten, sind wir in der Eurozone noch weit entfernt.
- Das Neuangebot an deutschen Staatsanleihen wird 2022 sinken. Die Wirtschaft erholt sich vom Corona-Schock, die Bundesregierung muss also weniger Schulden machen. Bunds bleiben damit knapp – und der Anteil im Streubesitz dürfte kaum steigen. Das stützt den Preis und begrenzt den Renditeanstieg, auch wenn die EZB ihre Käufe zurückfährt.
Wir erwarten daher einen weiteren Renditeanstieg, aber nur in moderatem Maße. Im Ergebnis dürfte die Rendite für zehnjährige Bundesanleihen nach unseren Prognosen bis zum Jahresende auf 0,2 Prozent klettern und die Kurse der Bundesanleihen dementsprechend weiter fallen. Der Anleihemarkt bietet auch 2022 attraktive Möglichkeiten. Dazu müssen Anleger aber über den Tellerrand schauen, denn die deutsche Bundesanleihe gehört dieses Jahr wohl nicht dazu.
Christian Kopf, Leiter Portfoliomanagement Renten und Mitglied des Union Investment Committee