Euroraum-Staatsanleihen: In der Peripherie geht der Rückenwind verloren

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Tür für einen ersten Zinsschritt in diesem Jahr geöffnet. Zuvor sollen aber die Ankaufprogramme beendet werden. Wenn die EZB nicht mehr als Käufer auftritt, dürften die Renditen der Peripherie-Staatsanleihen etwas weiter steigen. Was bedeutet dies für die Schuldentragfähigkeit der Länder? Union Investment | 16.02.2022 05:20 Uhr
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Der Gang in den Supermarkt oder die Fahrt an die Tankstelle zeigt es deutlich: Vieles wird teurer. Im Euroraum liegt die Inflationsrate derzeit bei 5,1 Prozent, in den USA sogar bei 7,5 Prozent. Parallel dazu kündigen immer mehr Länder Lockerungsmaßnahmen im Kampf gegen das Corona-Virus an. Großbritannien, Dänemark und nun auch Schweden riefen sogar den „Freedom Day“ aus und ließen dabei nahezu sämtliche Beschränkungen fallen. Dies schürt die Hoffnung auf ein baldiges Ende der Pandemie und lässt zugleich auf eine Beschleunigung des Wirtschaftswachstums hoffen. Es verwundert daher nicht, dass diese Entwicklung auch von den Notenbanken sehr genau zur Kenntnis genommen wird und sich die Währungshüter auf ein Ende ihrer stark expansiven Geldpolitik vorbereiten. Nach der US-Notenbank Federal Reserve und der Bank of England steht nun auch bei der Europäischen Notenbank ein Regimewechsel an.

EZB-Anleihekäufe dürften im 3. Quartal enden

Monatliche Nettoankäufe

Quelle: Bloomberg, Union Investment; Stand: 10. Februar 2022

Änderungen der Geldpolitik wirft ihre Schatten voraus

Die zukünftige Abkehr von der ultralockeren Geldpolitik wirft dementsprechend auch am europäischen Rentenmarkt seit einiger Zeit ihre Schatten in Form von steigenden Renditen voraus. Zehnjährige Bundesanleihen handeln nun wieder im positiven Bereich, nachdem sie zuvor 141 Wochen eine negative Rendite aufwiesen. Zugleich ist aber auch eine andere Entwicklung festzustellen: Die Renditeabstände zwischen den einzelnen Euroländern werden wieder größer. Während die Unterschiede zwischen Anleihen aus den Kern- und Peripherieländern über eine längere Zeit hinweg vergleichsweise marginal waren, fordern sich Gläubiger von bonitätsschwächeren Emittenten nun eine höhere Rendite ein: Betrug der Risikoaufschlag für italienische Staatsanleihen gegenüber Bundesanleihen im vergangenen September noch weniger als 100, sind es inzwischen 160 Basispunkte.

Spreads von Peripherieanleihen steigen

Renditeaufschläge 10-jähriger Staatsanleihen ggü. Bundesanleihen

Quelle: Bloomberg, Union Investment; Stand: 10. Februar 2022

Absolut gesehen weist Italien mit 1,9 Prozent für zehnjährige Staatspapiere, gerade mit Blick auf seine Bonität von BBB, aber dennoch eine sehr niedrige Rendite auf. Zum Vergleich: Käufer von US-Schatzanweisungen erhalten – trotz einer Spitzenbewertung der Ratingagenturen – etwa 0,1 Prozentpunkte mehr. Das niedrige Zinsniveau in Italien ist aber vor allem ein Ergebnis der umfangreichen Käufe durch die Europäischen Zentralbank (EZB) in den vergangenen Jahren. Die Nachfrage durch die Währungshüter sorgte für günstige Finanzierungsbedingungen und entlastete so den Staatshaushalt. Bevor nun die EZB die Leitzinsen anheben wird, dürfte sie jedoch die Ankaufprogramme beenden. Damit fällt der wichtigste Käufer von italienischen Staatsanleihen zukünftig aus. Fraglich ist nun, welchen Zins Italien bieten muss, damit andere Investoren die entstehende Lücke der EZB schließen. In diesem Zusammenhang dürfte auch die politische Lage in Rom von großem Interesse sein.

Stabile politische Lage in den Peripherieländern

Die politische Lage in Südeuropa ist derzeit stabil, wie ein Blick auf Portugal zeigt. Im Oktober riskierte Premierminister António Costa vorgezogene Neuwahlen, weil er höhere Sozialabgaben seiner politischen Partner nicht mittragen wollte. Bei der Wahl Ende Januar ging Costa völlig überraschend als Sieger mit einer absoluten Mehrheit der Sitze im Parlament hervor. Die Bevölkerung bestätigte damit den Kurs des Amtsinhabers und spricht sich klar für eine Fortsetzung seiner Wirtschafts- und Finanzpolitik aus. Costa betont immer wieder, wie wichtig ihm ein nachhaltiger Staatshaushalt ist. Gute Nachrichten kamen ebenfalls aus Rom. Dort stand die Wahl des neuen Staatspräsidenten an. Amtsinhaber Sergio Mattarella schloss angesichts seines hohen Alters von 80 Jahren eigentlich eine zweite Amtsperiode aus. Angesichts der schwierigen Mehrheitsverhältnisse gelang es keinem der politischen Lager einen geeigneten Kandidaten aufzustellen, der auf eine ausreichend hohe Zustimmung gestoßen hätte. Letztlich stellte sich Mattarella doch noch auf und wurde wiedergewählt. Mario Draghi bleibt damit Regierungschef, wodurch ein mögliches Chaos vermieden wurde, falls er auf das Amt des Staatspräsidenten gewechselt hätte. In der Vergangenheit gelang es dem ehemaligen EZB-Chef, Bündnisse zu schmieden, den Rotstift anzusetzen und wichtige Reformen anzustoßen. Ihm ist auch das Reformprogramm „Recovery and Resilience Plan“ zu verdanken, das bei der Europäischen Union Anklang fand. Im Mai kommenden Jahres stehen neue Parlamentswahlen an. Im Vorfeld des Urnengangs wird es unvermeidlich sein, dass die jeweiligen Parteien ihr Profil schärfen und sich voneinander abgrenzen. Dieser Prozess dürfte aller Voraussicht nach weitere Reformen erschweren, aber nicht gänzlich unmöglich machen.

Renditen in der Peripherie dürften leicht steigen

Doch auch wenn von politischer Seite aktuell kein Ungemach droht, so werden die Renditen in den Peripherieländern wohl doch noch etwas steigen – vielleicht sogar steigen müssen – wenn die EZB zukünftig nicht mehr als Käufer auftritt und man neue (alte) Käuferschichten (zurück)gewinnen möchte. Angesichts der Aussicht auf höhere Renditen sorgen sich einige um die Staatsfinanzen der Peripherieländer. Schließlich war eines der Hauptargumente für die Käufe der Notenbank gewesen, dass die Peripherieländer sonst ihre Schuldenlast nicht stemmen könnten. Gerade die hohe Verschuldung in Italien wurde hier stets kritisch beäugt. Doch in den vergangenen Jahren konnten die Südländer sich mit reichlich Liquidität zu günstigen Konditionen versorgen. Die durchschnittliche Verzinsung aller italienischen Anleihen ist dadurch auf unter 2,5 Prozent gefallen. Selbst wenn neue Anleihen mit einem höheren Kupon ausgestattet werden müssten, würde es lange dauern, bis sich die Situation nennenswert verschlechtert, so die Volkswirte von Union Investment. Sorgen muss man sich daher um die Peripherie aktuell nicht machen. Angesichts der zu erwartenden Änderungen in der europäischen Geldpolitik dürfte die Anlageregion aber wohl zukünftig nicht mehr allzu stark davon profitieren.

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