Putin schockt die Weltgemeinschaft
Ein Krieg mitten in Europa kündigte sich durch den Angriff Russlands auf die Ukraine an. Die Ziele und die Intention Putins bleiben weiterhin unklar. Die USA und Europa antworten mit scharfen Sanktionen, unter anderem mit dem SWIFT-Ausschluss für ausgewählte russische Banken. Die Volatilität am Kapitalmarkt dürfte in den kommenden Tagen weiter anhalten.
Als am Abend des 23. Februar 2022 der russische Präsident Wladimir Putin in Moskau seinen TV-Auftritt beendet hatte, war klar: Es wird Krieg um die Ukraine geben. Er habe eine Militäraktion in der östlichen Donbass-Region genehmigt, so der ehemalige sowjetische Geheimdienstmitarbeiter. Kurz darauf liefen die ersten Nachrichten über Grenzübertritte russischer Truppen über die Ticker. Die Weltgemeinschaft reagierte geschockt.
Angriffe im gesamten Land
In seiner Rede hatte Putin zunächst eine auf die Verwaltungsbezirke Donezk und Luhansk gerichtete, also räumlich begrenzte Offensive thematisiert. Doch schon bald wurde klar: Auch die Hauptstadt Kiew und sogar die nahe der Westgrenze zu Polen gelegene Stadt Lwiw wurden Ziel russischer (Luft-) Angriffe. Insgesamt ist die militärische Lage unübersichtlich und auch die Motivlage der Regierung in Moskau bleibt noch im Nebel. Laut internationalen Experten reichen die Möglichkeiten hier von einer Einverleibung des Donbass über einen erzwungenen, pro-russischen Regierungsaustausch bis hin zur vollständigen Besetzung der Ukraine. Um ein Übergreifen der Aggression auf NATO-Länder zu verhindern, hat das westliche Sicherheitsbündnis eine schnelle Eingreiftruppe zur Abschreckung Russlands an seine Ostflanke beordert.
Westen antwortet mit scharfen Sanktionen
Daneben haben die USA, die Europäische Union (EU) und das Vereinigte Königreich einen ersten, umfassenden Sanktionskatalog gegen Russland erlassen, der deutlich härter als 2014 nach der Annexion der Krim ausfiel. Im Kern richten sich die Maßnahmen gegen das russische Finanzsystem, Kreml-nahe Schlüsselpersonen und die Industrie des Landes. Die US-Regierung hat z.B. gegen die VTB und die Sberbank, zwei Schwergewichte der Branche, schwerwiegende Sanktionen verhängt. Für VTB, das kleinere Institut, gilt künftig ein „asset freeze“, das bedeutet die auf US-Konten gelagerten Vermögensgegenstände werden eingefroren. Der Sberbank legte Washington ein sog. “correspondent payable through account sanctions” auf und schloss das Geldhaus somit von Transaktionen aus. In Bezug auf große staatliche und private Unternehmen wurden Verbote in Bezug auf Schuldverschreibungen und Aktienbeteiligungen verhängt. Ab dem 1. März 2022 aufgelegte Papiere dürfen dann nicht mehr von US-Investoren gehalten werden.
Auch die EU griff zu Maßnahmen gegen russische Finanzakteure. Die Alfa Bank und Otkritie sollen in die Liste der Finanzinstitute aufgenommen werden, denen es untersagt ist, Kredite aufzunehmen oder Wertpapiere zu kaufen. Darüber hinaus sollen Finanzströmen aus Russland in die EU durch Beschränkung von Bankeinlagen und ein Verbot von Investitionen in EU-Wertpapiere für russische Staatsbürger unterbunden werden. In Großbritannien werden sogar die Vermögenswerte aller russischen Banken eingefroren. Zudem wurde ein sofortiges Landeverbot für Aeroflot auf britischen Flughäfen ausgesprochen.
Darüber hinaus kam es, wie erwartet, zu Exportbeschränkungen von High-Tech-Produkten, sowohl in den USA als auch in Europa. Allerdings fielen die Maßnahmen hier sogar weniger drastisch aus als vorab erwartet, da sie sich derzeit nur auf militärnahe Bereiche beziehen.
SWIFT-Ausschluss aber keine Energiesanktionen
Die am Donnerstag (24. Februar) vorgestellten Maßnahmen stellen nach Ansicht der Volkswirte von Union Investment nur eine erste Runde von Sanktionen dar. Vorerst nicht enthalten im westlichen Katalog waren ein Ausschluss Russlands vom Finanzdatennetzwerk SWIFT oder Energiesanktionen. Am Sonntag (27. Februar) beschlossen in einer zweiten Runde die EU, Deutschland und westliche Verbündete dann doch den SWIFT-Ausschluss einiger russischer Banken. Bisher soll dieser für die bereits sanktionierten Banken gelten. Falls erforderlich, sollen weitere russische Banken folgen. Dies könnte die russische Volkswirtschaft empfindlich treffen, da sie das Land über den Zahlungsverkehr von den dringend benötigten Devisenzufluss aus dem Rohstoffexport abschneiden könnten. Jedoch wurde explizit erwähnt, dass Rohstoffzahlungen nicht unter dem SWIFT-Ausschluss leiden sollen. Zur Erinnerung: Die russische Zahlungsbilanz weist im Schnitt eine jährliche Drift von Abflüssen von rund vier Prozent des Brutto-Inlandsprodukt (BIP) aus. Um diese Kapitalflucht auszugleichen und Devisenreserven für schlechte Zeiten anzulegen (aktuell verfügt die Zentralbank über rund 600 Mrd. US-Dollar), sind die Einkünfte aus Öl, Gas und Metallen dringend nötig. Dieser Schritt wird allerdings auch die westlichen Importeure dieser Rohstoffe treffen. Nachdem die Bundesregierung bereits zuvor mit dem Genehmigungsstopp für die Gaspipeline Nord Stream 2 eine harte Maßnahme verkündet hatte, sah sich Berlin dennoch in der Pflicht zu weiteren Maßnahmen zu greifen. Des Weiteren soll die russische Zentralbank daran gehindert werden, ihre Währungsreserven in einer Weise einzusetzen, die die Auswirkungen der Sanktionen untergräbt. Ein Handelsstopp oder Energiesanktionen waren jedoch nicht in der Liste der neuen Sanktionen zu finden. Es wäre ein glaubhaftes Signal, dass sich der Westen nicht an der Finanzierung eines Angriffskrieges beteiligen will und auch bereit ist, die Kosten dafür auf sich zu nehmen. Es würde erhebliche Verwerfungen an den Energiemärkten nach sich ziehen. Aufgrund der aktuell noch hohen Devisenreserven Russlands hätte ein Embargo kurzfristig gesehen aber nur eine geringe Auswirkung auf Russland.
Russland: Kurssturz bei Aktien, Anstieg der Ausfallgefahr
Hohe Volatilität bei Palladium
Hohe Ausfallgefahr eingepreist
Kapitalmärkte reagieren erleichtert auf Sanktionskatalog
An den Kapitalmärkten sorgte das Ausklammern der besonders sensiblen Bereiche am Donnerstag für Erleichterung. Nach anfänglichen deutlichen Verlusten bei risikobehafteten Anlageklassen – wie z.B. Aktien – kam es im Tagesverlauf zu einer starken Gegenbewegung. Bei Rohstoffen mit starkem weltweiten Förderanteil Russlands verlief die Bewegung spiegelbildlich: Auf initiale Preisanstiege (z.B. bei Rohöl der Sorte Brent deutlich über 100 US-Dollar je Fass) folgten spürbare Rückgänge. Besonders stark reagierte der europäische Gasmarkt. Hier kam es am Donnerstag (24. Februar) zu einem sprunghaften Plus von 50 Prozent. Nachdem das russische Unternehmen Gazprom aber am Freitag bekanntgab, dass man sogar durch die Ukraine weiter Gas nach Westeuropa liefere, sank der Preis wieder um 20 Prozent.
Volatilität dürfte hoch bleiben
Das Beispiel Erdgas verdeutlicht die derzeit hohe Volatilität an den Kapitalmärkten. Am europäischen Aktienmarkt kletterte z.B. der VSTOXX auf ein Niveau von über 30 Punkten. So lange die Lage in der Ukraine so unübersichtlich wie derzeit bleibt, dürfte sich daran kaum etwas ändern. Vor diesem Hintergrund hat das Union Investment Committee (UIC) zuletzt seinen Kurs der Risikoreduktion fortgesetzt und die Aktienquote neutralisiert.