China setzt im Jahr des Tigers auf Wachstumsstärkung

Neuer regulatorischer Druck aus Peking und die um sich greifende Omikron-Welle haben den chinesischen Aktienmarkt in Turbulenzen gestürzt. Dennoch erwartet Union Investment, dass China ein treibender Wachstumsfaktor für die Weltwirtschaft bleibt. Für Aktienengagements ist aber eine gezielte Auswahl nötig. Union Investment | 23.03.2022 09:04 Uhr
© Foto von zhang kaiyv von Pexels
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Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Die chinesischen Aktienmärkte haben ihrer früheren Unberechenbarkeit alle Ehre gemacht und in der abgelaufenen Woche eine Achterbahnfahrt hingelegt. Nach einem Kurseinbruch führte dies zum größten Zwei-Tages-Kursgewinn in Schanghai seit 1998. Auch in Hongkong, wo viele in China ansässige Technologie-Unternehmen angesiedelt sind, erholten sich die Kurse in einer spektakulären Rally. Die Papiere des Online-Handelsriesen Alibaba und des Suchmaschinenbetreibers Baidu sprangen um rund ein Fünftel in die Höhe. Zuvor hatte der Bericht über eine Rekordstrafe gegen den Bezahlservice WeChat Pay, der zum Internetriesen Tencent gehört, zu einem Kurseinbruch bei Technologieaktien geführt. Es hieß, WeChat Pay habe Regularien der chinesischen Zentralbank missachtet. Dies schürte unter internationalen Anlegern neue Verunsicherung, die chinesische Regierung plane im Technologiesektor noch härtere Eingriffe.

Lockdowns, Geopolitik und US-Börsenaufsicht belasten

Auch die rasante Ausbreitung der Omikron-Variante des Corona-Virus in Hongkong und insbesondere in der Altersgruppe der über Achtzigjährigen mit deutlich überdurchschnittlich vielen Todesfällen weckten neue Sorgen. Mit neuen Omikron-Ausbrüchen könnte in Festland-China ein ähnliches Szenario drohen. Die Sorge ist nicht ganz unbegründet, weil die Impfquote in China eher niedrig ist und zugleich die Schutzwirkung des chinesischen Impfstoffs gegen Omikron abgeschwächt ist. Die Fallzahlen sind zuletzt gestiegen, und es kam zu einigen Lockdowns in Großstädten. Damit verbreiteten sich Sorgen von vielen Werkschließungen und neuerlichen Störungen in den Lieferketten.

Für einen Stimmungsdämpfer sorgte auch die Ankündigung der US-Börsenaufsicht SEC: Sie erwägt ein Zwangs-Delisting von fünf US-Aktienzertifikaten (American Depository Receipts, ADR) auf die chinesischen Unternehmen Zai Lab, ACM Research, Hutchmed, BeiGene und Yum China, sollten diese Unternehmen keine Informationen zu politischen und regulatorischen Risiken in ihren Bilanzen liefern. Als sei dies nicht genug, kamen geopolitische Spannungen hinzu. Berichte, wonach Moskau Peking um Unterstützung im Krieg gegen die Ukraine gebeten habe, dementierte die chinesische Regierung. Es kursierten aber auch Meldungen über potenzielle US-Sanktionen gegen chinesische Unternehmen, die weiterhin Geschäfte mit Russland machen.

Damit entspricht das chinesische Jahr des Tigers am Kapitalmarkt nur in Teilen dem, was im volkstümlichen Glauben mit dem schlanken Raubtier alles in Verbindung gebracht wird: Mut, Energie, Tatendrang, Optimismus, Konkurrenzfähigkeit und Unberechenbarkeit, aber auch Selbstvertrauen und Risikobereitschaft. Für eine Trendwende an den Börsen sorgte am Mittwoch (16. März) dann das Financial Stability Development Committe unter Vorsitz des chinesischen Vizepremiers Liu He. He signalisierte, Peking wolle in regulatorischen Entscheidungen mehr auf Anlegerinteressen achten. Auslandsnotierungen chinesischer Unternehmen etwa sollen weiter unterstützt werden. Ebenfalls wurden geldpolitische Impulse zur Stärkung der unter der Zero-Covid-Politik und steigenden Rohstoffpreisen leidenden chinesischen Konjunktur in Aussicht gestellt. Ein Gouverneur der People’s Bank of China (PBOC) sagte, die Kapitalmärkte sollten stabil gehalten und namentlich mittelgroße und kleine Unternehmen stark unterstützt werden.

Fiskalpolitik wieder expansiver – Geldpolitik noch immer restriktiv

Geldpolitische Straffung geht weiter

Quelle: Macrobond, Bloomberg, Union Investment; Stand: 18. März 2022

Geld- und Fiskalpolitik stützen Wachstum

Das Ziel ist klar: Damit sollen die Wachstumserwartungen des Nationalen Volkskongress erfüllbar werden. Der Kongress erwartet für 2022 ein Plus des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 5,5 Prozent. Peking sieht zwar ein schwächeres externes konjunkturelles Umfeld und mehr globale Risiken, will deswegen aber die eigenen Aktivitäten zur Konjunkturstimulierung hochfahren. Der zentrale Impuls scheint einmal mehr aus dem Bereich Infrastruktur zu kommen (Stromnetzausbau, Grüne Transformation, Datencenter etc.).

Unsere Volkswirte sind etwas weniger zuversichtlich. Sie erwarten für das laufende Jahr ein BIP-Plus von rund 5,3 Prozent – vorausgesetzt, lange Lockdowns bleiben aus – sowie von 4,5 Prozent für 2023. Die durch striktere Regularien im Kampf gegen die hohe Verschuldung des Sektors verursachte Immobilienkrise dürfte weiterhin begrenzt bleiben. Damit bleibt China klar ein Wachstumsfaktor für die globale Konjunktur. Chinas Volkswirtschaft wächst zwar nicht mehr so schnell wie früher – aber immer noch schneller als die Welt als Ganzes. Und dies, obwohl es inzwischen die zweitgrößte Wirtschaft der Welt ist. Dazu beitragen sollte, dass die Zentralbank ihren Leitzins noch einmal um 10 Basispunkte senken wird. Gleichzeitig wird die Regierung ihr Fiskaldefizit um 2,7 Prozent ausweiten, nachdem sie im letzten Jahr auf Sparkurs war. Beides sollte zu den guten Wachstumszahlen beitragen.

Fiskalpolitik wieder expansiver – Geldpolitik noch immer restriktiv

Fiskalausgaben 2021 wieder deutlich gestiegen

Quelle: Macrobond, Bloomberg, Union Investment; Stand: 18. März 2022

Keine übertriebenen Sorgen um Lieferkettenprobleme

Noch unklar ist, ob Peking an der Zero-Covid-Strategie angesichts der ansteckenderen Omikron-Variante festhalten kann. Der politische Wille ist jedenfalls da. Unsere Volkswirte gehen aber davon aus, dass die Auswirkungen der Omikron-Welle begrenzt bleiben. Die Regierung priorisiert bei ihren Lockdowns gezielt das verarbeitende Gewerbe. Dadurch kann die Produktion oftmals bereits nach wenigen Tagen und nur mit geringer Unterbrechung wieder aufgenommen werden, selbst wenn in den Städten noch Ausgangssperren verhängt sind. Damit sollten auch die Auswirkungen auf die internationalen Lieferketten begrenzt bleiben. Zudem treffen die neuen Lockdowns auf eine Phase des Wirtschaftszyklus in der westlichen Welt, in dem die zunehmenden Corona-Lockerungen wieder eine Verschiebung der Nachfrage vom Güter- zum Dienstleistungssektor ermöglichen. Damit nimmt auch nachfrageseitig der Druck auf den Gütermarkt ab, zumal sich auch die Lagerhaltung langsam zu normalisieren beginnt.

Für chinesische Aktienanlagen spricht vor diesem Hintergrund derzeit die historisch niedrige Bewertung des Aktienmarktes gepaart mit Anzeichen eines konstruktiveren Gewinnumfelds. Allerdings bleiben wir aufgrund der nicht aus dem Weg geräumten regulatorischen Unsicherheit neutral gewichtet. Chancen sehen wir weiterhin im Bereich erneuerbare Energie, Immobilienentwickler meiden wir weiter. Chinesische Staatsanleihen dürften durch die lockerere Geldpolitik von Kurssteigerungen profitieren. Für die globalen Rohstoffmärkte und ihre Preise wiederum könnte eine durch Stimulus-Maßnahmen befeuerte Wirtschaft ein „higher for longer“ bedeuten, da China als bedeutender Nachfrager erhalten bleibt.

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