Russische Vermögenswerte und Rohstoffe bleiben von drei wesentlichen Faktoren geprägt: den Entwicklungen im russischen Angriffskrieg in der Ukraine, den westlichen Bemühungen, Moskau zum Einlenken zu bewegen, sowie von russischen Maßnahmen gegen westliche Sanktionen. Insgesamt zeigt sich die Lage nach wie vor dynamisch und die weitere Entwicklung ist schwierig zu prognostizieren. Die Volatilität in Rohstoffpreisen mit Bezug zu Russland sowie in russischen Aktien und Anleihen war unverändert hoch. Immerhin wurde der Handel an der Börse in Moskau am 24. März nach einer langen Aussetzung erstmals wieder in einer begrenzten Zahl Aktien und sehr eingeschränkt aufgenommen. Am zweiten Handelstag konnte der Moskauer Leitindex MOEX seine leichten Gewinne vom Vortag aber nicht halten. Nach wie vor bleibt der Markt für westliche Anleger praktisch nicht zugänglich.
Im Fokus der Investoren stand zudem der Gipfelmarathon in Brüssel. Auf dem „Triple-Gipfel“ vom 24. März wurde vor allem die Einigkeit der Bündnispartner beschworen – US-Präsident Biden flog dafür extra kurzfristig ein, um den Schulterschluss zu markieren. Es gab jedoch insgesamt wenig Überraschungen. Auf dem NATO-Gipfel kündigte Biden neue Sanktionen an, darunter gegen mehr als 300 Abgeordnete des russischen Parlaments (Duma) sowie weitere Mitglieder der russischen Elite, aber auch gegen russische Rüstungsunternehmen. Zudem wurde ein Verbot gegen Goldtransaktionen mit der russischen Zentralbank bestätigt. Die G7, die wichtigsten westlichen Industrieländer, erklärten, sich in der Durchsetzung der Sanktionen gegen Russland stärker koordinieren zu wollen. G7 und NATO forderten zudem China auf, Russland militärisch oder ökonomisch nicht zu unterstützen. Die NATO warnte Russland davor, ABC-Waffen einzusetzen, dies würde eine Veränderung des Konflikts bedeuten, darauf sei eine entsprechende Antwort zu erwarten.
Anstrengungen für Ersatz von russischem Erdgas laufen auf Hochdruck
Die Europäische Union (EU) ihrerseits arbeitet weiter an einem fünften Sanktionspaket, aber bislang ohne eine Umsetzung zu beschließen. Zu einem Energieembargo gegen Russland kam es aufgrund fehlender Einigkeit zwischen den Mitgliedsstaaten nicht. Deutschland bekräftigte aber, die Abhängigkeit von russischen Energielieferungen – auch von Öl – weiter rasch reduzieren zu wollen. Die USA und die EU gaben ferner eine Vereinbarung über die Lieferung von verflüssigtem Erdgas (LNG) bekannt. Per Ende 2022 sollen mindestens 15 Milliarden Kubikmeter aus den USA nach Europa geliefert werden, und die Menge bis spätestens 2030 auf 50 Milliarden Kubikmeter erhöht werden. Damit soll russisches Erdgas ersetzt werden. Zum Vergleich: Zuletzt flossen rund 150 Milliarden Kubikmeter Gas aus Russland durch Pipelines und über LNG-Terminals nach Europa.
Für Unruhe auf dem Gasmarkt und auf dem Triple-Gipfel sorgte eine Ankündigung des russischen Präsidenten Wladimir Putin in einer TV-Ansprache, künftig werde Russland als Zahlungsmittel für Gaslieferungen nur noch Rubel akzeptieren. Dies gelte für so genannte „feindliche“ westliche Staaten (USA, Kanada, Großbritannien, EU). Die russische Zentralbank sei angehalten, einen Mechanismus aufzusetzen, über den westliche Länder ihre Energiebezüge auf dem russischen Markt in Rubel begleichen können. Unklar ist noch, für welche Lieferverträge dies gelten soll. Die Verkäufe von russischem Gas über den staatlichen Monopolisten Gazprom werden zu 60 Prozent in Euro und 40 Prozent in US-Dollar fakturiert. Längst nicht alle Lieferverträge sehen die Option einer Rubelzahlung vor, so dass die Umstellung als Vertragsbruch gewertet werden könnte. Auftrieb erhielt durch die Ankündigung Putins die russische Währung, da sie dadurch stärker nachgefragt wäre.
Gas zentral in Deutschlands Energieversorgung
Erdgas in Europa im Fokus
Quelle: Bruegel, Bloomberg, Union Investment; Stand: 25. März 2022, 10 Uhr MEZ.
Unklarheit über Zahlungsmodalitäten für Gas
Europa und insbesondere Deutschland und Italien wären durch die hohe Abhängigkeit von russischem Gas von einer Umstellung auf Rubelzahlung getroffen, da unklar ist, wie die Zahlungen dann abgewickelt werden. Die starke Abhängigkeit lässt sich zudem nicht so schnell verringern. Der Bundesverband der deutschen Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) forderte die Bundesregierung daher auf, die Frühwarnstufe im nationalen Notfallplan Gas auszurufen. Dies, weil es mit der Ankündigung durch Putin „konkrete und ernst zu nehmende Hinweise“ für eine mögliche Verschlechterung der Gasversorgungslage gebe.
Das Kalkül Putins ist schwierig zu erfassen. Aus Sicht Moskaus dürfte der Nutzen der Umstellung darin liegen, dass die russische Zentralbank, die von westlichen Sanktionen erst in Teilen erfasst worden ist, trotz der Einfrierung ihrer Auslandsvermögen eine zentrale Rolle im Zahlungsverkehr mit dem Westen behalten könnte. So würden Fremdwährungszuflüsse direkt an die Zentralbank beziehungsweise an den russischen Staat geleitet und nicht mehr über die Unternehmen fließen. Die Zentralbank könnte so besser vor möglichen weiteren Sanktionen geschützt sein. Aus westlicher Sicht besteht jedoch die Gefahr, die gegen Russland ausgesprochenen Sanktionen selbst zu unterlaufen. Allerdings sind energiebezogene Transaktionen bisher bewusst von den Maßnahmen ausgeklammert worden.
Insgesamt bleibt damit die Situation für russische Anlagen weit entfernt von Normalität. Was die Preisentwicklung auf dem Rohstoffmarkt betrifft, geht Union Investment im Basisszenario davon aus, dass die Gaslieferungen nach Europa fortgesetzt werden und es nicht zu einem Energieembargo kommt. Auch erwarten wir nach wie vor, dass der Krieg regional begrenzt bleibt. Bleiben die Gaslieferungen nach Europa aus – was dem Risikoszenario entspricht – würden die Energiepreise angesichts erwartbarer Knappheiten nochmals deutlich anziehen. Die Wachstumsdynamik würde dann negativ ausfallen, mit den größten Verwerfungen im Euroraum.
Stand aller Informationen, Erläuterungen und Darstellungen:
25. März 2022, soweit nicht anders angegeben.