Transatlantische Divergenz im Wachstum – vorerst

Die US-Konjunktur bleibt trotz Gegenwind robust, während Europas Wirtschaft stärker vom Ukraine-Krieg belastet ist. Die US-Notenbank hat damit größeren geldpolitischen Handlungsspielraum als die Europäische Zentralbank. Der Renditeanstieg dürfte noch nicht zu Ende sein. Union Investment | 25.04.2022 14:09 Uhr
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„Einkaufsmanager-Indizes im Euroraum besser als erwartet“ – „Solide Nachrichten im März aus dem US-Bausektor“ – auf beiden Seiten des Atlantiks deuten die jüngsten Konjunkturdaten nicht auf einen Einbruch hin – trotz der Belastungen aus dem Ukraine-Krieg. Doch lohnt sich ein genauerer Blick, denn es zeigen sich zunehmende Unterschiede in der Wachstumsdynamik.

Die stärkere wirtschaftliche Verflechtung mit Russland, die größere geographische Nähe und die höhere Abhängigkeit einiger europäischer Volkswirtschaften von russischen Energieimporten belasten das Wachstum auf dem alten Kontinent stärker als in den USA. Der steile Anstieg der europäischen Gaspreise trifft viele Ländern – und insbesondere Deutschland mit seiner breiten Industriebasis, die ein wichtiger Gasverbraucher ist. Darunter leidet auch die Konsumstimmung. Aus Sicht eines hiesigen Anlegers wenig erfreulich kommt hinzu: Der US-Konjunkturmotor läuft viel robuster, und dies schon länger, die Ausgangslage ist also besser.

Die Zahlen für das Bruttoinlandprodukt (BIP) in den USA im ersten Vierteljahr, die am Donnerstag (28. April) vorgelegt werden, dürften dies untermauern. Dagegen versprechen die BIP-Zahlen für den Euroraum, die am Folgetag (29. April) veröffentlicht werden, kaum rosig auszufallen. Hier hübscht vor allem der Basiseffekt das Bild auf: Im ersten Quartal 2021 war die Konjunktur in Europa – anders als in den USA – noch stark von der Corona-Pandemie belastet. Das Bild bleibt als Folge des Ukraine-Kriegs eingetrübt, und eine Stagnation, wenn auch kein Konjunktureinbruch, ist ein realistisches Szenario. Dies setzt voraus, dass es zu keinem kompletten Lieferstopp von russischem Öl und Gas kommt.

Wachstumsschere dürfte sich 2023 zu schließen beginnen

Damit vergrößert sich zunächst die bereits vorhandene Divergenz zwischen der Wirtschaftsentwicklung dies- und jenseits des Atlantiks. So hat die US-Wirtschaft bereits Ende des zweiten Quartals 2021 das Vorkrisenniveau wieder erreicht. Im Euroraum lag die Wirtschaftsleistung immerhin Ende 2021 nahezu auf Vorkrisenniveau. Für den Nachzügler Deutschland erwarten die Ökonomen von Union Investment erst im vierten Quartal des laufenden Jahres eine Erholung auf das Vorkrisenniveau. Die unterschiedliche Dynamik bleibt im laufenden Jahr augenfällig: Für die US-Wirtschaft gehen die Experten von einem Plus von 3,1 Prozent aus, für den Euroraum von einem solchen von 2,5 Prozent. Die deutsche Wirtschaft dürfte nur 1,6 Prozent wachsen.

Transatlantisches Ungleichgewicht im Wachstum bleibt – vorerst

Veränderung des realen Bruttoinlandsproduktes im Vergleich zum Vorjahr

Quelle: Union Investment. Stand: 22. April 2022

Im Jahr 2023 sollte sich die Wachstumsschere aber wieder etwas schließen, vorausgesetzt, es kommt im Ukraine-Krieg zu keiner weiteren Eskalation. Die Ökonomen von Union Investment sehen auch aufgrund von Zinsanhebungen eine Abschwächung des Wachstums in den USA im kommenden Jahr auf 1,9 Prozent, während das Euroraum-BIP ebenso wie das deutsche BIP um 2,1 Prozent zulegen dürften. Das zeigt auch: Die belastenden Effekte auf das Wachstum in Europa fallen im Basisszenario zu gering aus, um das Wachstum ganz abzuwürgen.

Aus Kapitalmarktsicht wichtig sind die Unterschiede in der Wachstumsqualität und der Inflationsentwicklung. Der Handlungsspielraum für die Geldpolitik im Euroraum ist dadurch stärker beschnitten als in den USA. Dort hat die Konjunktur durch die großzügige Fiskalpolitik im Rahmen des American Rescue Plan die Wirtschaft zurück auf den alten Wachstumspfad gebracht. Die verfügbaren Einkommen entwickeln sich dank des soliden Arbeitsmarkts und Zuwächsen bei Löhnen und Gehältern (vor allembei Gruppen mit niedrigen Einkommen) stabil und stützen den privaten Konsum, trotz weggefallener staatlicher Transferleistungen.

Fed macht Ernst mit Inflationsbekämpfung

Somit kann die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) beherzter die Bekämpfung der Inflation angehen als die Europäische Zentralbank (EZB). Günstig wirkt sich dabei aus, dass der wichtige US-Häusermarkt zumindest auf kurze Sicht weniger anfällig für Zinsanhebungen ist als früher, da viel mehr Hypothekendarlehen fest verzinst sind und nicht mehr variabel. Noch sind kaum Bremseffekte wegen steigender Zinsen in der Bauwirtschaft zu spüren. Einfacher macht die US-Geldpolitik auch die andere Qualität der Inflation. In den Vereinigten Staaten hat zunächst ein Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage in Folge der Turbo-Beschleunigung der Konjunktur nach der Corona-Pandemie die Teuerung angeheizt. Eine nachfrageinduzierte Teuerung lässt sich durch die Geldpolitik besser steuern – denn während sich die Nachfrage bremsen lässt, hat eine Notenbank kaum eine Handhabe gegen steigende Rohstoffpreise.

In Erwartung, dass künftig mehr Flüssiggas aus den USA nach Europa exportiert wird, um dort russische Importe zu ersetzen, sind die US-Gaspreise zuletzt deutlich gestiegen. Insgesamt sind die Signale der Fed eindeutig: Es ist ihr ernst mit der Inflationsbekämpfung. Der Weg bis zu einem neutralen, nicht mehr wachstumstreibenden Leitzins soll zügig zurückgelegt werden. Die Ökonomen von Union Investment halten den aktuell an den Märkten eingepreisten Zinsanhebungspfad für 2022 aber für zu ambitioniert und rechnen „nur“ mit insgesamt 200 Basispunkten Zinsanhebung in diesem Jahr. Anders sieht das Bild in Europa aus, wo die Inflation vor allem aufgrund der gestiegenen Rohstoffpreise steigt und damit viel stärker angebotsgetrieben ist. Die EZB hat hier wenig Mittel, um gegenzusteuern, doch werden die falkenhafteren Kommentare aus dem EZB-Rat lauter, und wir erwarten zwei Zinsschritte im laufenden Jahr.

Renditen steigen wohl weiter, Aktienmärkte unterstützt

Für die Kapitalmärkte bedeutet dies: Auf der Rentenseite bleibt das Umfeld wohl zunächst noch von weiter steigenden Renditen angesichts einer straffer werdenden Geldpolitik geprägt. Die Inflation dürfte sich im Basisszenario schrittweise wieder beruhigen, aber auch 2023 noch länger über den Notenbankzielen bleiben. Wachstumsseitig sind die Experten von Union Investment jedoch nach wie vor zuversichtlich – wenn kein vollständiges Energieembargo kommt. Die Gewinnsituation der Unternehmen sollte damit intakt bleiben und die Anlageklasse Aktien unterstützen.

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