In den vergangenen Wochen musste der technologielastige Nasdaq-Index herbe Kursverluste hinnehmen. Diese belaufen sich seit Jahresanfang auf knapp 25 Prozent. Ende April schockierten die Gewinnwarnungen von Netflix, Apple und Amazon den Markt. Die Aktie von Netflix gab an einem Tag 26 Prozent ab, seit Anfang 2022 verlor sie über 68 Prozent. Der Streaming-Dienst hat zum ersten Mal seit zehn Jahren Abonnenten verloren und erwartet einen weiteren Schwund. Amazon sieht nach einem überraschenden Quartalsverlust auch künftig mehr Gegenwind. Hierfür seien steigende Kosten für Transport und Logistik sowie Überkapazitäten verantwortlich. Der Umsatzzuwachs betrug nur noch sieben Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, als es noch um 44 Prozent aufwärts ging. Die Nachfrage der Kunden war bislang robust, doch dürfte die hohe Inflation künftig belasten. Apple hingegen bekommt die Lieferengpässe infolge der Corona-Shutdowns in China zu spüren, die den Umsatz im laufenden Quartal um bis zu 8 Milliarden US-Dollar schmälern könnten. Zudem sitzt auch bei den Apple-Kunden das Geld nicht mehr so locker. Der schwache Ausblick überschattete die Tatsache, dass das erste Quartal aufgrund von Nachholeffekten aus dem Vorjahr noch recht positiv verlief.
Am Dienstag (24. Mai 2022) folgten die nächsten Hiobsbotschaften. Der Aktienkurs von Snap brach um 43 Prozent ein, seit Jahresanfang fiel der Wert um mehr als zwei Drittel. Die Muttergesellschaft der Foto-App Snapchat musste ihre erst vor einem Monat veröffentlichten Quartalsschätzungen zurücknehmen, da sich das wirtschaftliche Umfeld nach Aussagen der Firma stärker und schneller als erwartet verschlechtert hat. Diese Nachricht belastete auch andere Social-Media-Unternehmen, die auf Online-Werbung als Haupt-Einnahmequelle angewiesen sind. Die Sorgen wachsen, dass eine sich abschwächende Konjunktur auch die künftigen Werbebudgets schmälert. So verloren die Aktien von Pinterest ebenfalls am 24. Mai 2022 fast 24 Prozent, Twitter gut sechs Prozent und die Google-Muttergesellschaft Alphabet fünf Prozent. Der Kurs des Facebook-Mutterkonzerns Meta Platforms gab um acht Prozent nach. Seit Jahresbeginn fielen die Aktien von Meta um rund 43 sowie von Alphabet um etwa 26 Prozent.
Technologieaktien stehen weiter unter Abgabedruck
Titelselektion im aktuellen Marktumfeld ist entscheidend
Quelle: Bloomberg; Stand: 26. Mai 2022.
Kurseinbruch der Tech-Werte hat mehrere Gründe
Die aktuelle Schwäche der US-Tech-Werte hat verschiedene Ursachen. Die hohe Inflation der letzten Monate, die durch den Ukraine-Krieg nochmals zusätzlich befeuert wurde, sorgte für eine geldpolitische Kehrtwende der US-Notenbank Federal Reserve (Fed). Ein höheres Zinsniveau belastet vor allem schnell wachsende Technologietitel, da ein Großteil der erwarteten Gewinne und Cashflows in der fernen Zukunft liegt und jetzt mit höheren Zinssätzen abdiskontiert wird, was den Unternehmenswert senkt. Zudem werden mit steigenden Anleiherenditen die schwankungsanfälligen und relativ hoch bewerteten Technologiewerte für die Anleger deutlich unattraktiver.
Seit dem Ende der Finanzkrise ab 2009 dominierte der wachstumsstarke Technologiesektor die Aktienmärkte. Mit den rasanten Kurszuwächsen bauten sich teilweise sehr hohe Bewertungsprämien auf, die nach der Zeitenwende an den Kapitalmärkten nicht mehr gerechtfertigt sein dürften. Dies gilt besonders für den Bereich „Non-profitable Tech“. Hier wiesen Unternehmen, die noch keine Gewinne erwirtschafteten, ein Unternehmenswert-Umsatz-Verhältnis von 60 auf. Von der Inflationsseite droht ebenfalls Ungemach. Die hohen Teuerungsraten schmälern das verfügbare Einkommen der Verbraucher spürbar. In den konsumnahen Bereichen macht sich dies in den Bereichen Gaming, Smartphones und Konsumelektronik bereits bemerkbar. Da diese Branchen in besonderem Maße von der Pandemie profitieren konnten, ist mit dem Ende der Lockdowns die Nachfrage umso stärker zurückgegangen. Die Haushalte sind inzwischen voll ausgestattet und geben ihr Geld lieber für Dienstleistungen wie Reisen oder Konzerte aus, auf die sie jahrelang verzichten mussten.
Daher ist es nicht verwunderlich, dass das Wachstum der großen Pandemie-Gewinner wie Netflix, Paypal, Amazon und Shopify zuletzt enttäuschte. Aber auch besonders konjunkturabhängige Sektoren wie Halbeiter haben gelitten. Nach den vielen starken Geschäftsjahren gehen die Marktteilnehmer davon aus, dass der Höhepunkt des aktuellen Halbleiterzyklus erreicht ist. Im Zusammenhang mit der absehbaren Abschwächung der Nachfrage in wichtigen Endmärkten wie Smartphones und Computer ist in einzelnen Bereichen bereits ein Lageraufbau zu beobachten. Ein weiteres Problemfeld sind die anhaltenden, pandemiebedingten Lieferengpässe. Vor allem die chinesischen Zulieferer leiden unter der strikten Null-Covid-Politik ihrer Regierung. Der Ukraine-Krieg hat hingegen eher einen untergeordneten Stellenwert für die Branche, da Russland bei den meisten Firmen nur einen niedrigen einstelligen Umsatzanteil einnimmt.
Im Technologie-Sektor werden nachhaltige Geschäftsmodelle immer wichtiger
Nach den starken Kurseinbußen der vergangenen Monate sind die Bewertungen des Technologiesektors deutlich zurückgekommen. Und auch wenn der Höhenflug von Tech-Aktien in der Breite erst einmal gestoppt ist und das Umfeld rauer wird, gibt es Chancen in ausgewählten Segmenten. Interessant bleiben Unternehmen, die über eine starke Marktstellung verfügen und langfristig von strukturellen Wachstumstrends profitieren. So bieten Softwaretitel durch ihren hohen Anteil an wiederkehrenden Umsätzen eine gewisse Stabilität, und auch in den Bereichen Cyber Security und Data Center sind die Trends weiterhin positiv.