Energiewende – aber sicher

Union Investment | 31.05.2022 08:30 Uhr
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  • Ukrainekrieg rückt Energiesicherheit für Politik, Unternehmen und Privathaushalte wieder in den Fokus

  • Diversifikation und forcierte Energiewende können Abhängigkeiten reduzieren und Chancen eröffnen

  • Mögliche Profiteure: ausgewählte Unternehmen aus den Bereichen Industrie, Energie, Versorger und IT

Sicherheit geht (wieder) vor

Knapp 170 Milliarden Kubikmeter – diese enorme Menge Erdgas lieferte Russland im Jahr 2020 per Pipeline nach Europa. Gas, das zum Heizen von Gebäuden, aber vor allem auch in verschiedenen Industrieprozessen genutzt wurde. Die Lieferwege waren etabliert, das Gas floss stetig. Mit der neuen Pipeline Nord Stream 2 sollte die für alle Seiten einträgliche Geschäftsbeziehung auf Jahrzehnte zementiert werden.

Doch der russische Einmarsch in der Ukraine änderte alles. Das Risiko der enormen Abhängigkeit Europas von Russland trat offen zutage, das Thema Energiesicherheit rückte für Politiker, Unternehmen und Privathaushalte ganz nach oben auf der Agenda. Denn einerseits könnte Russland jederzeit die Gaslieferungen stoppen – und so Europas Wirtschaft in eine tiefe Rezession stürzen. Andererseits sind die Gasexporte eine wichtige Einnahmequelle Russlands, die auch für die Finanzierung des Angriffskriegs genutzt wird.

Bis Februar hatten manche Länder, darunter Deutschland, die Abhängigkeit nicht als Problem empfunden – nun aber gibt es akuten Lösungsdruck. Ein Schlüssel: Die großangelegte – und im Kampf gegen den Klimawandel ohnehin dringend benötigte – Energiewende, die durch die aktuellen Entwicklungen nochmals an Bedeutung gewinnt. Diese Transformation wird die Unternehmenslandschaft verändern. Einige Konzerne werden profitieren, andere den Anschluss verlieren. Nachstehend skizzieren wir beispielhaft, welcher Typ von Unternehmen in den teils neuen Wertschöpfungsketten präsent ist.

Gas: Diversifikation und Beschleunigung der Energiewende

Klar ist, dass die fast 170 Milliarden Kubikmeter Gas – über 50 Milliarden fließen davon nach Deutschland – nicht kurzfristig aus anderer Quelle ersetzt werden können. Zum einen fehlen bei (theoretischen) Alternativen die Kapazitäten, zum anderen mangelt es insbesondere auch an der nötigen Infrastruktur. Denn anders als Öl lässt sich Gas nicht ohne größeren Aufwand rund um den Globus transportieren.

Deshalb fahren die Staaten zur Reduktion der Abhängigkeiten nun ihre Infrastrukturinvestitionen hoch. Ein Beispiel: Flüssigerdgas (Liquefied Natural Gas, LNG). Wird aufbereitetes Erdgas auf rund -160 Grad Celsius heruntergekühlt, wechselt es seinen Aggregatzustand und wird flüssig. Das hat einen entscheidenden Vorteil: Durch sein enorm reduziertes Volumen (bei LNG rund 600 Mal geringer als im gasförmigem Aggregatzustand) und eben seine flüssige Form lässt es sich auch außerhalb von Pipelines transportieren und lagern. So können etwa Schiffe LNG aus den USA und dem Nahen Osten an die europäischen Küsten liefern. Doch während etwa die Niederlande, Spanien, Portugal und Frankreich über teils mehrere LNG-Terminals verfügen, fehlt in Deutschland dafür die Infrastruktur völlig. Das soll sich nun zwar ändern, doch frühestens Ende des Jahres dürften die ersten schwimmenden LNG-Terminals auch hierzulande anlegen.

In dieser Entwicklung eine Rolle spielen könnten Firmen wie das US-Unternehmen Cheniere, das Terminals und Pipelines für den Transport von LNG betreibt. Ähnliches gilt für die ebenfalls aus den Vereinigten Staaten stammende Chart Industries, die unter anderem im Bau von LNG-Terminals tätig ist. Als weiteres Beispiel ist auch die französische TotalEnergies auf dem Markt für Flüssigerdgas aktiv – solche Firmen könnten mit dazu beitragen, die europäischen Abhängigkeiten von Russland in diesem Bereich zu verringern.

Goldman Sachs Research schätzt, dass über diese Schritte der Diversifizierung bis spätestens zum Ende des Jahrzehnts rund 100 Milliarden Kubikmeter der jährlichen Gasimporte aus Russland ersetzt werden könnten. Alleine 50 Milliarden Kubikmeter davon könnte US-amerikanisches Flüssiggas sein.

Neben diesem klassischen Ersatz des Pipelinegases durch LNG können aber auch Maßnahmen zur Beschleunigung der Energiewende die Abhängigkeiten reduzieren. Bis zu 50 Milliarden Kubikmeter könnten etwa durch die Elektrifizierung des Heizens eingespart werden. Das gilt im Kleinen, wo die klassische Gasheizung durch eine Wärmepumpe ersetzt wird, genauso wie bei industriellen Heizprozessen. Das global tätige US-Unternehmen Ametek etwa ist Zulieferer von entsprechenden elektrischen Systemen. Teil der Wertschöpfungskette sind auch Firmen wie Johnson Controls und die japanische Daikin Industries, die in der Gebäudetechnik, beim Lüften und Heizen, Produkte bereitstellen.

Weiteres Potenzial birgt das Zukunftsthema grüner Wasserstoff, also Wasserstoff, der ausschließlich mit Hilfe von Erneuerbaren Energien hergestellt wurde. Bekannte Beispiele welcher Typ von Unternehmen hier beteiligt ist: Die Gas-Multis Linde und AirLiquide arbeiten bereits heute verstärkt in diesem Geschäftsfeld, um perspektivisch in ausgewählten Industrieprozessen Erdgas durch Wasserstoff zu ersetzen. Zudem könnten Unternehmen wie die US-amerikanische Plug Power – die Systeme für die Produktion, die Speicherung und die Nutzung von grünem Wasserstoff, etwa in Brennstoffzellen, herstellt – hier eine Rolle spielen.

Rückenwind für Energiewende durch Fokus auf Unabhängigkeit von russischen 

Gasimporten

Quelle: Goldman Sachs Global Investment Research, Union Investment.

Fiskalmaßnahmen treiben Energiewende

Doch nicht nur die Bestrebungen nach mehr Energieunabhängigkeit und damit -sicherheit dürften die Energiewende vorantreiben. Schon vor dem russischen Einmarsch in der Ukraine gab es von der Fiskalpolitik verschiedene Initiativen mit teils erheblichem finanziellem Umfang. Bis zu eine Billion Euro an privaten und öffentlichen Investitionen umfasst etwa der „Green Deal“ der Europäischen Kommission. Durch eine Fülle von Maßnahmen soll der Kontinent bis 2050 klimaneutral werden. Netto würden dann keine Treibhausgase mehr emittiert. Schon bis 2030 sollen die Treibhausgasemissionen im Vergleich mit 1990 um 55 Prozent reduziert werden. 2019 lag man bei einem Minus von 24 Prozent, im schwer zu vergleichenden Corona-Jahr 2020 sogar bei -36 Prozent.

Um die mittelfristigen Ziele zu erreichen, muss vor allem die Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien massiv steigen. Bis 2030 soll sich laut dem europäischen „Green Deal“ die Kapazität für Windstrom gegenüber 2019 mehr als verdoppeln. Bei Solaranlagen ist eine Verdreifachung angedacht. Dies ist Grundlage für das Ziel, den Anteil Erneuerbarer Energien am Strommix von rund 22 Prozent im Jahr 2020 auf bis zu 45 Prozent 2030 anzuheben. Dieser wäre auch nötig, um die ambitionierten Pläne beim Verkauf von Elektroautos abzusichern. Der Anteil an den Neuzulassungen soll von heute 10 Prozent auf knapp 40 Prozent 2030 steigen. Denn nur mit ausreichend grünem Strom stimmt die Öko-Bilanz der E-Autos.

Zwar könnten die Folgen des Ukrainekriegs und der Fokus auf die schnellere Unabhängigkeit von russischer Energie den Zeitplan leicht verschieben1, dennoch dürfte der weiteren Elektrifizierung der Wirtschaft eine erhebliche Bedeutung zukommen. Und: Es handelt sich hier um ein globales Phänomen. Sowohl in China als auch in den USA existieren ähnliche Programme mit teils noch größerem Umfang, die diese Entwicklungen rund um den Globus weiter beschleunigen dürften.

Auch an der zunehmenden Elektrifizierung werden Industrieunternehmen mit unterschiedlichen Schwerpunkten beteiligt sein. Die französische Schneider Electric beispielsweise stellt Produkte rund um den Strom her wie Ladegeräte, Sensoren, Schalter und Kabel. Ähnliches gilt für die ebenfalls aus Frankreich stammende Legrand und die US-amerikanische Emerson Electric. Das US-Unternehmen Quanta Services ist vor allem in der Netzwerk-Infrastruktur aktiv. Hochspannungsleitungen gehören ebenso zum Portfolio des in Houston, Texas, ansässigen Konzerns wie die Kabelverbindung von großen Wind- und Solarparks mit der Ladeinfrastruktur von E-Autos, etwa an Autobahnen. Ähnlich ausgerichtet ist die italienische Prysmian, der nach eigenen Angaben größte Kabelhersteller der Welt. Auch der Stromtransport, etwa von Offshore-Windparks zu den Verbrauchern, wird innerhalb der laufenden Energiewende immer wichtiger.

Da die Stromerzeugung zunehmend dezentral erfolgt, etwa über Solaranlagen auf Wohnhäusern, kommt auch der Steuerung, Speicherung und Einspeisung eine immer höhere Bedeutung zu. Hier könnten IT-Firmen vom Typ der Enphase Energy und Aspen Technology eine Rolle spielen. Die kalifornische Enphase Energy baut nicht nur Batterien, sondern setzt mit ihren Mikroinvertern auch darauf, dass der Sonnenstrom direkter und damit effizienter in nutzbaren Wechselstrom umgewandelt wird.

Auch die Versorger werden in der Energiewende stark gefordert sein. Sie müssen sich teils radikal transformieren, um die Umstellung etwa von Kohlestrom auf Erneuerbare Energien umzusetzen. Es gibt schon heute spezialisierte Versorger, die sich ausschließlich auf die Produktion und den Vertrieb von „grünem Strom“ konzentrieren. Hierzu gehört etwa das global tätige US-Unternehmen AES Corp. Mitten in der Transformation befindet sich beispielsweise NextEra Energy. Der Versorger aus Florida generiert bereits fast die Hälfte seines Stromangebots durch Solar und Wind. Für die andere Hälfte werden aber weiterhin Gas, Kernenergie und Kohle eingesetzt. Auch die deutsche RWE setzt nach ihrem Umbau vornehmlich auf die Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien. Ähnliches gilt für E.ON, die sich allerdings nahezu vollständig aus der Stromproduktion zurückgezogen haben und den Fokus nun auf den Bereich Energienetze sowie den Vertrieb legen. Schließlich konzentriert sich auch der in Spanien, Portugal, dem Vereinigten Königreich, den USA und Lateinamerika tätige Versorger Iberdrola immer stärker auf Erneuerbare Energien, vornehmlich Windkraft. Durch weitere Investitionen in Windparks, aber auch Solarthermie, Wasserkraft, Biomasse und Photovoltaik will das Unternehmen in Europa bis 2030 CO2-neutral werden.

Fazit

„Eine beschleunigte Energiewende ist das A und O für eine günstige, unabhängige und sichere Energieversorgung“, mit diesen Worten fasste Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, kürzlich das aktuelle Spannungsfeld in der Energiepolitik zusammen. Einerseits könnte der verstärkte Fokus auf die Versorgungssicherheit zwar für eine Verzögerung bei der Energiewende sorgen – siehe etwa die Diskussionen um die längere Nutzung von Kohle und Kernkraft. Andererseits kann der beschleunigte Ausbau der Erneuerbaren Energien aber eben genau die angestrebte Unabhängigkeit von Energieimporten aus unliebsamen Ländern liefern, werden diese doch dezentral und vor der eigenen Haustür produziert.

Von diesem Trend, der sich in ähnlicher Weise global abspielt und durch massive Fiskalprogramme unterstützt wird, dürften auch ausgesuchte Branchen profitieren. Chancen könnten sich etwa bei ausgewählten Unternehmen aus dem Energiesektor, der Informationstechnologie, den Versorgern und insbesondere aus der Industrie ergeben. Im Fokus stehen die Themen LNG, Elektrifizierung der Wirtschaft und damit verbunden der Ausbau der Erneuerbaren Energien.

Moritz Bauer, Janis Blaum, Patrick Schuchter, Felix Schröder und Dr. Thomas Deser, Union Investment

1 Siehe die These 3 in unserem Thesenpapier „Die Welt ordnet sich neu“ aus dem April 2022

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