Eine hohe Inflation und der Ukraine-Krieg belasten das Wachstum in den Industrieländern und dämpfen die Wertentwicklung an den westlichen Kapitalmärkten. Damit richtet sich der Blick vermehrt auf die Schwellenländer als Anlageklasse. Sie könnten von einer Erholung in China profitieren. Die jüngsten chinesischen Einkaufsmanagerindizes deuten darauf hin, dass die Wirtschaft, die zuletzt von der Null-Corona-Politik stark belastet wurde, den Tiefpunkt in diesem Jahr durchschritten haben dürfte. Um das von der Regierung geforderte Zielwachstum von rund 5,5 Prozent auf Jahressicht erreichen zu können, wird jedoch noch ein umfangreiches Fiskalprogramm notwendig sein. Lange zeigte sich Peking zurückhaltend. Angesichts einer hohen Jugendarbeitslosigkeit steigt jedoch der Handlungsdruck. So fordert Ministerpräsident Li Keqiang weitere Impulsmaßnahmen. Parteichef Xi Jinping dürfte sich dem nicht weiter verschließen können. Denn im Oktober stehen Wahlen an, und es droht ein möglicher Prestigeverlust, falls das Wachstum in der Volksrepublik geringer ausfallen sollte als das der USA.
Für eine wirtschaftliche Belebung spricht auch, dass in diesen Tagen umfangreiche Corona-Lockerungsschritte in Kraft getreten sind. In Schanghai etwa wird der weltgrößte Hafen wieder geöffnet. Hoffnung gibt es zudem in Zusammenhang mit einem möglichen chinesischen Anti-Corona-Medikament. Setzt die Erholung ein, dürfte China dem gesamten asiatischen Raum Rückenwind verleihen. Vor diesem Hintergrund besteht derzeit nur begrenztes Potenzial für eine fortgesetzte Erholung von Industrieländer-Aktien. Im direkten Vergleich haben Papiere aus den Emerging Markets (EM) an Attraktivität gewonnen.
Bodenbildung bei EM-Aktien
Ein Argument ist die historisch günstige Bewertung von EM-Aktien. Seit dem Hoch im Februar 2021 ist die Anlageklasse stark unter Druck gekommen und hat insbesondere gegenüber US-Aktien schwach abgeschnitten. Dies liegt unter anderem an geringerer geld- und fiskalpolitischer Unterstützung vieler EM-Staaten sowie an der Wirtschaftsschwäche in China und dortigen regulatorischen Eingriffen und Risiken. Hinzu kommen als Folge des Ukraine-Kriegs gestiegene Rohstoff- und Nahrungsmittelpreise, die einige Schwellenländer stark treffen. Auch die Zinswende der US-Notenbank Federal Reserve sowie steigende US-Renditen belasteten.
Chancen in Schwellenländer-Anlagen
Hohes Gewinnniveau von EM-Aktien

Nun zeichnet sich gemessen am MSCI EM-Index aber eine Bodenbildung bei Aktien aus den Schwellenländern ab. Die Anlegerstimmung ist sehr pessimistisch, was ein Kontraindikator sein kann. Viele Anlagegelder sind bereits aus Schwellenländer-Märkten (Aktien und Renten) abgeflossen, die Region ist also keine „überfüllte“ Anlageklasse. Die Rahmenbedingungen gehen aber deutlich auseinander, sowohl zwischen als auch innerhalb der Regionen. Empfehlenswert ist abgesehen von einer hohen Risikofähigkeit darum eine sorgfältige Auswahl.
Gemischte Effekte aus gestiegenen Rohstoffpreisen
Aufgrund besserer Wachstumsprognosen sieht Union Investment derzeit aktienseitig Potenzial in China, aber auch in Korea, dessen Wirtschaft mit der chinesischen eng verbunden ist. Korea weist eine interessante Bewertung auf und könnte dank der zugunsten der konservativen Partei ausgefallenen Wahlen Potenzial zur Bodenbildung bieten. Schwieriger sieht es in Taiwan aus, dessen technologie-orientierte Wirtschaft stark vom „Working-from-Home“-Effekt profitierte und nun schwierigen Basiseffekten gegenüberstehen dürfte. Die hohe Bewertung Indiens ist laut den Experten von Union Investment nicht mit den Inflationsrisiken aus Agrar- und Energiepreissprüngen in Einklang zu bringen.
In den Regionen Naher Osten und Lateinamerika profitieren einige Länder dagegen von ihrer relativen Entfernung vom Ukraine-Krieg und ihrer Spezialisierung auf Rohstoffe (Energie beziehungsweise landwirtschaftliche Produkte und Metalle). Brasilien und Chile dürften chancenreich sein durch Rückenwind aus gestiegenen Rohstoffpreisen und rückläufigen wirtschaftspolitischen Risiken. Mexiko dagegen profitierte überproportional von US-Corona-Geldern und könnte nun durch eine schwächelnde US-Wirtschaft in Mitleidenschaft gezogen werden. Schwierig ist die Lage für einige Länder in Afrika oder im Nahen Osten, die von anhaltenden Lieferausfällen bei Nahrungsmitteln aus Russland und der Ukraine betroffen sind, wie Ägypten und Pakistan.
EM-Renten mit interessanten Renditen
Chancen bestehen auch bei EM-Anleihen. Viele Länder haben zwar erhebliche fundamentale Herausforderungen aus der Post-Corona-Zeit, doch erwartet Union Investment ein Ende der Belastung aus höheren US-Renditen und einem aufwertenden US-Dollar. EM-Staatsanleihen in Hart- wie auch in Lokalwährung bieten derzeit ein günstiges Chance-Risiko-Profil. Die Verwerfungen zwischen Jahresbeginn und Mai 2022 haben insbesondere im Hartwährungsbereich Renditeniveaus geschaffen, die zuletzt in der Panikphase der Coronakrise im März 2020 vorherrschten.
Chancen in Schwellenländer-Anlagen
Attraktive Risikoaufschläge für EM-Anleihen

Der Risikoaufschlag für EM-Anleihen liegt gemessen am EMBI Global Diversified-Index bei rund 450 Basispunkten, was im längerfristigen Mittel interessant ist. Somit könnte für die kommenden Monate ein positiver Gesamtertrag möglich sein. Eine Beruhigung am US-Zinsmarkt könnte sich günstig auf das nicht unerhebliche Durations-Risiko im EM-Hartwährungs-Bereich auswirken. Wichtig ist die Länder-Selektion, insbesondere was schwächere Single-B-Namen angeht, die mit steigenden Zinsen und geringerer Liquidität in US-Dollar-Anleihen stark unter Druck geraten könnten. Dazu zählen einige afrikanische Länder.
Umgekehrt setzt Union Investment auf Länder, die längerfristig eine glaubwürdige Haushaltsdisziplin vermitteln können, sowie Staaten, die von gestiegenen Rohstoffpreisen profitieren. Dem Bereich der EM-Anleihen hilft zudem, dass derzeit kaum Emittenten an den Markt kommen und es nur ein sehr geringes Neuangebot gibt. Emittenten müssen in dem schwierigeren Marktumfeld wieder Prämien bieten, um ihre Anleihen erfolgreich platzieren zu können.
Stand aller Informationen, Erläuterungen und Darstellungen:
03. Juni 2022, soweit nicht anders angegeben.