Die meisten Länder bekämpfen die Inflation inzwischen mit Zinserhöhungen
Am Dienstag, den 7. Juni, hob die Reserve Bank of Australia (RBA) ihren Leitzins von 0,35 auf 0,85 Prozent an, so stark wie zuletzt vor 22 Jahren. Erst im Mai wurde er erstmals um 25 Basispunkte erhöht. Weitere Zinsschritte stehen im Raum, ein Leitzins von rund drei Prozent zum Jahresende ist wahrscheinlich. Die annualisierte Inflation in Australien erreichte mit 5,1 Prozent im ersten Quartal 2022 ein Zwanzig-Jahres-Hoch, sechs Prozent sind für das zweite Quartal prognostiziert. Vor allem die Preise für Energie, Lebensmittel und Mieten sind deutlich angezogen.
Mitte der vergangenen Woche hat die Polnische Nationalbank (NBP) den Leitzins um weitere 75 Basispunkte auf 6,0 Prozent erhöht. Vor dem Hintergrund des angespannten Arbeitsmarkts und der hohen Inflation dürften weitere Schritte folgen. Zum Jahresende sind 7,5 Prozent möglich. Trotz des Kriegs in der Ukraine wuchs das polnische BIP im ersten Quartal um 8,5 Prozent und die Löhne stiegen im April um gut 14 Prozent. Die Inflation erreichte im Mai 13,9 Prozent.
Ebenfalls am Mittwoch, den 8. Juni erhöhte die Reserve Bank of India den Leitzins um 50 Basispunkte auf 4,9 Prozent. In Indien beträgt die Inflation aktuell 7,8 Prozent, worunter besonders der ärmste Teil der Bevölkerung leidet. Hier spiegelt sich vor allem der angebotsseitige Preisschock bei Lebensmitteln und Energie wider. Die Zentralbank von Chile setzte den Reigen fort und hob den Leitzins um 75 Basispunkte auf neun Prozent an. Im Mai ging es schon um 125 Basispunkte nach oben. Für Chile rechnet der Markt bis Jahresende noch mit zwei Zinsschritten auf letztendlich 9,75 Prozent.
Zinswende der Zentralbanken in vollem Gange
Die meisten Zentralbanken erhöhen den Leitzins
Auch die EZB leitet ersten Zinsschritt und quantitative Straffung ein
Die EZB gab auf ihrer Sitzung am 9. Juni bekannt, dass sie Ende Juni ihre (APP-) Nettoanleihekäufe beenden und im Juli den Leitzins um 25 Basispunkte erhöhen wird. Dies ist die erste Zinserhöhung seit elf Jahren. Sollte sich der mittelfristige Inflationsausblick nicht bessern, folgt ein weiterer Schritt um sogar 50 Basispunkte im September. Die Gründe für diese geldpolitische „Normalisierung“ sind klar: Die aktuell sehr hohe Inflation und die teilweise immer noch hohen Inflationserwartungen. Die EZB sieht für den Euroraum im Jahr 2022 eine durchschnittliche Inflationsrate von 6,8 Prozent, während die Volkswirte von Union Investment von 7,3 Prozent ausgehen. Man kann die Aussagen der Zentralbank als falkenhaft interpretieren. Die Experten von Union Investment können sich vorstellen, dass es dieses und nächstes Jahr zu größeren und mehr Zinsschritten kommt als bislang erwartet. Die Frage steht im Raum, warum der Automatismus, der für September gilt, nicht auch für die Zinsschritte danach gelten sollte. Die aus Sicht der Volkswirte von Union Investment wahrscheinlichen Inflationsüberraschungen über die nächsten Monate relativ zur EZB Juni-Prognose dürften alleine schon verhindern, dass die mittelfristigen Inflationserwartungen deutlich nachlassen.
Klare Ansage der US-Notenbank Fed
Am Mittwoch, den 15. Juni, tagt die Fed. Die Fed-Vertreter haben bereits im Vorfeld deutlich gemacht, dass sie den Leitzins so schnell wie möglich auf ein neutrales Niveau anheben wollen, um die Inflation nicht noch zusätzlich anzuheizen. Daher rechnet Union Investment im Juni, aber auch im Juli, mit weiteren Zinsschritten um jeweils 50 Basispunkte. Im September, November und Dezember sollte es noch um je 25 Basispunkte nach oben gehen. Das Zielband der Fed Funds Rate liegt damit Ende 2022 bei 2,5 bis 2,75 Prozent. Der Zinsanhebungszyklus dürfte Anfang 2023 nach einem weiteren Schritt bei einem Zielband von 2,75 bis 3,0 Prozent enden. Der passive Bilanzabbau der Fed beginnt ebenfalls im Juni und erreicht im September das Zielabbauvolumen von maximal 95 Mrd. US-Dollar pro Monat. Im Mai kletterte die US-Inflation überraschend auf ein neues Jahreshoch von 8,6 Prozent, vor allem aufgrund eines starken Anstiegs der Energiepreise. Bis zum Jahresende dürfte sie aber auf unter sechs Prozent sinken.
Bank of England weiter auf Kurs
Union Investment geht davon aus, dass die BoE am Donnerstag, den 16. Juni, eine Zinserhöhung von 25 Basispunkten durchführen wird. Im August dürfte ein weiterer Schritt in gleicher Höhe folgen. Die Briten steigen seit Dezember 2021 schrittweise aus ihrer ultraexpansiven Geldpolitik aus, um die Inflationserwartungen zu dämpfen und eine Lohn-Preis-Spirale zu verhindern. Nach mehreren Zinsschritten im Dezember 2021 sowie im Februar, März und Mai 2022 liegt der Leitzins aktuell bei 1,0 Prozent. Die BoE dürfte spätestens zum Jahresanfang 2023 auch mit dem aktiven Abbau von Staatsanleihen beginnen.
Taubenhafte Bank of Japan in Außenseiterposition
Am Freitag, den 17. Juni, steht auch die Sitzung der japanischen Notenbank an. Mit ihrer ultraexpansiven Geldpolitik ist die BoJ inzwischen der Außenseiter unter den großen Zentralbanken. Die Volkswirte von Union Investment erwarten hier vorerst keine grundsätzliche Änderung der ultralockeren Geldpolitik in Form einer Leitzinserhöhung oder einer Aufhebung der Yield Curve Control. Hauptgrund ist die Höhe und Art der Inflation: Einerseits entwickelt sich die Teuerung mit moderaterer Dynamik als in anderen Industrienationen. Andererseits wird der Inflationsdruck überwiegend importiert und kaum innerhalb der inländischen Volkswirtschaft erzeugt. Die Löhne entwickeln sich im internationalen Vergleich unterdurchschnittlich und die Inflationserwartungen liegen noch unter dem Zwei-Prozent-Ziel der BoJ.