Anleihenmärkte in der Zeitenwende: Sieben Hinweise

Die Angst vor der Inflation bestimmte die Anleihemärkte – ablesbar an deutlich fallenden Kursen sowie steigenden Renditen und Risikoaufschlägen. Zuletzt sind aber stärker Rezessionssorgen in den Vordergrund gerückt. Sieben Erkenntnisse, warum es sich lohnt, weiter an einer Rentenallokation festzuhalten, auch wenn die Zeiten außergewöhnlich herausfordernd sind. Union Investment | 27.07.2022 15:32 Uhr
© Photo by Ryoji Iwata on Unsplash
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Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Das Wachstum der Weltwirtschaft geht angesichts eines hohen Inflationsdrucks zurück. Die hohen Preise insbesondere im Energiebereich sorgen für eine Abkühlung der Nachfrage, womit auch die Teuerung fallen sollte – das kommt den Notenbankzielen von Geldwertstabilität entgegen. Trotzdem ist die Geldpolitik im Dilemma – und mit ihr sind es auch die Rentenmärkte, die seit Jahresbeginn durch die sich abzeichnende geldpolitische Wende belastet wurden.

Restriktivere Geldpolitik belastet die Wertentwicklung deutlich

Wertentwicklung verschiedener Rentensegmente seit Jahresbeginn

Quelle: Refinitiv, Bloomberg, Union Investment; Stand: 18. Juli 2022. * Hartwährungsanleihen, gesichert in Euro; Zeitraum: 31. Dezember 2021 bis 18. Juli 2022.

Denn die wichtigsten Notenbanken wollen an der Zinswende festhalten. So müssen die Notenbanken verhindern, dass die hohe Inflation zu einer Lohn-Preis-Spirale führt, sich die Inflationserwartungen – auch vor dem Hintergrund einer geopolitisch bedingten stärkeren Entkoppelung von Märkten – entankern und Preissteigerungen dauerhaft verfestigen. Allerdings können die Notenbanken die Preise von knappen Rohstoffen nicht durch Zinsen beeinflussen; und zu starke Zinsanhebungen bergen das Risiko, dass die Konjunktur abgewürgt wird. In diesem Umfeld lassen sich sieben Befunde für Anlagen im Anleihebereich ziehen:

  1. Geduld bei der Inflation: Ein wesentlicher Treiber der negativen Wertentwicklung von Staatsanleihen ist die hartnäckig hohe Inflation. Die Frage ist, ob die Teuerung nun ihren Hochpunkt erreicht hat. Hier zeigt sich kein klares Bild, denn der Preisschock insbesondere bei Energiepreisen verzerrt das Bild – und die Unsicherheit ist sehr groß, ob und wie rasch diese Effekte wieder verschwinden oder eben nicht. Immerhin: Es gibt Anzeichen, dass zumindest in der Industrie der Inflationsdruck abnehmen könnte. In den USA sind die Erzeugerpreise – wenn auch auf extrem hohen Niveau – leicht rückläufig. Die Nachfrageverteilung zwischen Gütern und Dienstleistungen wird ausgeglichener, was preisdämpfende Effekte haben sollte. Auch gibt es Entspannungen in den globalen Lieferketten. Die Volkswirte von Union Investment erwarten nach einer Plateauphase im kommenden Jahr eine schrittweise Beruhigung in den Teuerungsraten. In Europa birgt die Energiepreisentwicklung – insbesondere bei Strom und Gas – aber noch Potenzial für unangenehme Überraschungen. Hinzu kommt, dass die Inflation die Anlageerträge belastet: Angesichts der hohen Teuerung müssen Anleger Geduld mitbringen, weil die Realrenditen negativ sind. Perspektivisch sollte sich das aber bei einer Beruhigung der Inflation ändern: Vor allem volatile Bestandteile wie Energie- und Nahrungsmittelpreise prägen derzeit das Bild. Ganz so düster sieht die Situation nicht aus, wenn die Kernraten der Preissteigerung zugrunde gelegt werden – der Abstand zwischen Kerninflationsraten und Anleiherenditen sollte sich verringern, aber das braucht Zeit.
  2. Zinswende mit Fragezeichen: Ist der Gipfel der Zinserwartungen bereits erreicht? Dafür spricht, dass die impliziten Zinserwartungen für die USA und den Euroraum nach den jüngsten Konjunkturdaten gefallen sind. Von der Angst vor einer Rezession profitierten zuletzt „sichere Häfen“. So verzeichneten zehnjährige US-Treasuries und zehnjährige deutsche Bundesanleihen deutlich fallende Renditen. Aktuell ist es noch zu früh, von einer Trendwende zu sprechen. Die Unsicherheit über die weitere Inflationsentwicklung bleibt hoch – insbesondere im Euroraum angesichts der Ungewissheit bei russischen Gaslieferungen. Sollte das Gas weiter fließen, könnte eine Rezession durchaus umgangen werden - je nachdem, wie viel und wie regelmäßig Russland liefert. Ein abruptes Ende der Lieferungen dürfte Deutschland aber in die Rezession rutschen lassen. Aktuell ist davon auszugehen, dass die EZB auch im Falle einer leichten Rezession am geldpolitischen Straffungskurs festhalten wird, was zusätzlichen Druck auf die Anleihekurse ausüben dürfte. Da der Markt nach wie vor kräftige Zinserhöhungen einpreist, besteht die Möglichkeit, dass in einem Rezessionsszenario diese teilweise ausgepreist werden könnten – was die Kurse in „sicheren Häfen“ stützen sollte.
  3. Volatilität und Liquidität im Fokus: Aufgrund der hohen geopolitischen Unsicherheit sind im Rentenmarkt einseitige Wetten auf steigende oder fallende Zinsen derzeit nicht angebracht. Die nach wie vor außerordentlich hohe Volatilität an den Märkten legt nahe, vorsichtig mit strategischen Positionen zu sein. Wir gehen davon aus, dass die Marktteilnehmer noch eine Zeit lang zwischen Inflationssorgen und Wachstumssorgen hin- und herpendeln. Dies führt auch dazu, dass es immer wieder mal Phasen gibt, in denen die Liquidität in einigen Marktsegmenten schwierig ist. Eine Fokussierung auf gute Bonitäten, breite Diversifizierung und starke Vernetzung im Markt sind in solchen Phasen von Vorteil.
  4. Staatsanleihen als Baustein im Multi-Asset-Portfolio: Die zentrale Frage, welche die Investoren am Rentenmarkt derzeit umtreibt, ist die nach der „Terminal Rate“, also dem Leitzinsniveau, auf dem die Notenbanken die Straffung stoppen. Wir gehen davon aus, dass die Europäische Zentralbank (EZB) an ihrem geldpolitischen Straffungskurs festhalten wird, sofern nicht durch einen Gaslieferstopp durch Russland eine Rezession in Europa ausgelöst wird. Dann dürfte die gerade erst beginnende geldpolitische Normalisierung zurückhaltender umgesetzt werden. Die Volkswirte von Union Investment erwarten, dass die Leitzinsen in den USA bis zum Jahresende das Niveau von 3,25 bis 3,5 Prozent erreichen und es dann keine weitere Zinsanhebungen mehr gibt. Die EZB dürfte – ohne Schock im Gasmarkt – den Einlagensatz bis Ende 2022 auf 1,25 Prozent anheben und im Jahr 2023 um weitere 75 Basispunkte erhöhen. Sofern am Kapitalmarkt die Inflationssorgen durch Rezessionsängste abgelöst werden, bieten sich am Anleihemarkt wieder interessante Anlageperspektiven, insbesondere bei „sicheren Häfen“ wie erstklassigen Staatsanleihen. In einem schwierigen Konjunkturumfeld sollten Staatstitel auch ihren Diversifikationseffekt wieder ausspielen können. Wir gehen davon aus, dass sich der Korrelationsbruch zu Beginn des Jahres, als Aktien und Anleihen vor dem Hintergrund der Zinswende zeitgleich unter Druck geraten sind, in einem veränderten Makro-Umfeld nicht fortsetzt und Renten wieder zu einem Stabilisator in einem Multi-Asset-Portfolio werden können.
  5. Keine Sorge vor einer Euro-Schuldenkrise: Aufgrund ihrer höheren Rendite und den geringeren geopolitischen Risiken bevorzugen wir bei Staatsanleihen derzeit US-Treasuries. Auch macht dann eine längere Duration Sinn. Im Euroraum versprechen Papiere aus den Kernstaaten im Vergleich zu Peripherieanleihen tendenziell mehr Stabilität. Wir erwarten aber keine Neuauflage einer Eurozonenkrise mit stark steigenden Risikoaufschlägen bei Peripherie-Titeln. Der wichtigste Grund: In vielen Ländern dürften – rascher als zuvor erwartet – die Schuldenquoten in den nächsten Jahren wieder fallen, denn das nominale Trendwachstum der Wirtschaft ist aufgrund höherer Inflationsraten schneller gestiegen als die durchschnittliche Verzinsung der Staatsschulden. Allerdings gilt es, politische Risiken im Blick zu behalten, die ein Land von einer Haushaltskonsolidierung abhalten könnten.
  6. Spreu und Weizen bei Unternehmensanleihen: Vor dem Hintergrund einer deutlichen Wachstumsabschwächung oder gar einer möglichen Rezession sind Unternehmensanleihen ein Marktsegment, das unterschiedlich reagiert. Papiere von bonitätsstärkeren Unternehmen haben bessere Aussichten als Anleihen im schwachen BBB-Bereich oder Hochzinsbereich. Auch sind in einem rezessiven Szenario zyklische Papiere sowie deutsche Banktitel eher Risiken ausgesetzt als defensive Anleihen. Dies hat sich in den vergangenen Monaten bereits gezeigt, in denen sich Risikoaufschläge von zyklischeren Titeln und bonitätsschwächeren Emittenten ausgeweitet haben. Unternehmensanleihen mit Investmentgrade-Qualität leiden zudem darunter, dass die EZB ihre Käufe am Markt eingestellt hat. Dagegen stützt die bessere Ratingentwicklung im Investmentgrade-Bereich. Inzwischen nehmen Papiere von Emittenten mit schwächerer Kreditwürdigkeit zwar bereits viel an Konjunkturrisiken vorweg. Angesichts der Rezessionsrisiken spricht kurzfristig aber mehr für eine bessere Wertentwicklung von Investmentgrade-Papieren. Falls dann die Aussichten klarer werden, dürften High Yield-Anleihen wieder vorne liegen. Insbesondere Hochzinsanleihen sind eine der raren Renten-Anlageklassen, die mit Blick auf mittelfristige Inflationserwartungen eine positive Realrendite abwerfen könnten. Dafür ist aber die Voraussetzung, dass es nicht zu einer harten Rezession kommt. Eine Abschwächung der Zinserwartungen am Markt stützt aber.
  7. Schwellenländer als Beimischung: Die Schwellenländermärkte sind derzeit eine Anlageklasse, in der internationale Anleger eher selten unterwegs sind – die Bewertungen sind dadurch zurückgekommen und die Markttechnik hat sich verbessert. Das Bild hat aber Licht und Schatten: Teilweise belasten fehlende Liquidität sowie Bonitäts- und Währungsrisiken. Dennoch ist diese Anlageklasse für risikofähige Anleger interessant. Die Entwicklung der Inflation – die derzeit stark von Lebensmittelpreisen beeinflusst ist – spielt für lokale Emerging Markets-Rentenmärkte eine wichtige Rolle. Hier deutet sich eine leichte Entspannung an. Darüber hinaus bestehen Chancen in Schwellenländern, die als Rohstoffexporteure Industriemetalle fördern und exportieren und so von einer grünen Transformation der Wirtschaft profitieren. Insgesamt besteht in diesem Segment wieder etwas mehr Zuversicht bezüglich Risikoaufschlägen und Zinsbindungsdauer (Duration). Eine aktive Auswahl und engmaschige Risikokontrolle ist aber entscheidend.

Schwellenländeranleihen locken mit wieder hohen Renditen

Renditeniveau von Emerging Market-Anleihen ist deutlich gestiegen

Quelle: Refinitiv; Stand: 18. Juli 2022.

Stand aller Informationen, Erläuterungen und Darstellungen:
20. Juli 2022, soweit nicht anders angegeben.

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