EU-Energie-Notfallpaket löst Standortproblem nicht

Die EU-Mitgliedstaaten wollen Ende September verschiedene Eingriffe in den europäischen Energiemarkt verabschieden. Darunter ein Preisdeckel am Strommarkt und Gewinnabschöpfungen bei den Versorgern. Dennoch dürften die Gas- und Strompreise dauerhaft erhöht und somit die Unsicherheiten am Markt weiterhin bestehen bleiben Union Investment | 20.09.2022 14:15 Uhr
© Photo by Martin Adams on Unsplash
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Noch nicht in Kraft, aber ein erster Schritt in Richtung Umsetzung ist erreicht: Ende September sollen von den EU-Mitgliedstaaten (ohne Vetorecht) verschiedene Eingriffe in den europäischen Energiemarkt verabschiedet werden. Sie sollen die Krise lindern, die von gestiegenen Gas- und Strompreisen ausgeht. Prominente Lücke in dem Paket: Ein Preisdeckel (Cap) für Erdgas, über den zuvor spekuliert wurde. Am Gasmarkt führte dies zum Ende der vergangenen Woche wieder zu steigenden Preisen. 

Konkret umgesetzt werden sollen ab spätestens Anfang Dezember folgende Maßnahmen: 

  1. Im Strommarkt soll ein Preisdeckel von 180 Euro pro MWh gelten, und zwar für alle Arten der Stromerzeugung, die nicht als sogenannte Grenzkostenerzeuger im kurzfristigen Strommarkt auftreten. Grenzkostenerzeuger bestimmen durch ihre marktausgleichende Rolle den Preis im Strom-Spotmarkt. Wegen der hohen Flexibilität der Anlagen sind dies meist Gas- oder Steinkohlekraftwerke. Aufgrund der markant gestiegenen Gaspreise haben sich die Grenzkosten für Gaskraftwerke stark erhöht und damit indirekt zu einer Vervielfachung der Spotmarkt-Strompreise geführt. Davon profitieren bislang auch alle Anbieter mit viel niedrigeren Grenzkosten wie Solar-, Wind-, Atom-, Wasser-, Öl- und Braunkohle- sowie Müll- oder Biomasse-Kraftwerke. Der geplante Preisdeckel soll die Profite dieser Produzenten begrenzen. Ob vom Preisdeckel künftig auch Steinkohlekraftwerke betroffen sind, ist nach Einschätzung der Experten von Union Investment von nationalen Marktgegebenheiten abhängig. 
  2. Die EU-Kommission will zudem verpflichtend vorschreiben, dass die Stromnachfrage zu Spitzenzeiten um mindestens fünf Prozent gesenkt wird sowie der Strombedarf insgesamt bis zum April 2023 um zehn Prozent verringert wird. 
  3. Zeitlich befristet soll ein Solidaritätsbeitrag – eine Sondersteuer – von Unternehmen aus dem Bereich fossile Energien abgeführt werden. Dieser würde sich aus dem Teil des Unternehmensergebnisses 2022 errechnen, der mehr als 20 Prozent über dem durchschnittlichen Ergebnis der vergangenen drei Jahre liegt. 
  4. Im Stromhandel sollen Verpflichtungen zur Hinterlegung von Sicherheiten und zum Clearing gelockert werden, um die Liquidität zu erhalten. 

Diese Maßnahmen sollen zunächst bis zum Ende des ersten Quartals 2023 wirksam bleiben. Laut Brüssel würden so rund 140 Milliarden Euro von Energieunternehmen abgeschöpft werden und damit Verbraucher und energieintensive Firmen finanziell entlastet werden. 

Wie ist das Notfallpaket aus Kapitalmarktsicht zu bewerten? Das Ziel einer größeren Versorgungssicherheit lässt sich nach der Einschätzung von Union Investment durch die vorgesehenen Einsparziele erreichen. Gerade angesichts der noch laufenden Umstellung auf nicht aus Russland stammende Energieträger würde ein geringerer Verbrauch helfen, die Kostenbelastung von Verbrauchern und Industrie zu dämpfen. Zur Versorgungssicherheit tragen auch fortgesetzte Liquiditätshilfen der Staaten für Unternehmen in der Energie-Lieferkette bei. Allerdings können die EU-Mitgliedsstaaten auf nationaler Ebene auch andere oder zusätzliche Eingriffe vornehmen. Das bedeutet Unsicherheit und bietet für Investoren nicht die erhoffte Klarheit für die Ergebnisperspektiven betroffener Energieunternehmen. Gleiches gilt für die Gültigkeitsdauer: Die vorgesehene Überprüfung der Maßnahmen im ersten Quartal 2023 sowie mögliche daraus resultierende Veränderungen erlauben nur eingeschränkte Prognosen. 

Versorgerbranche insgesamt nicht negativ belastet 

Die Maßnahmen fokussieren sich auf den Strom-Spotmarkt, der jedoch etwa in Deutschland nur rund ein Zehntel des gesamten Strommarkts ausmacht. Absicherungsgeschäfte und bestehende Stromlieferverträge bleiben davon unberührt. Stromlieferverträge werden meist sich wiederholend und mit zeitlichem Vorlauf abgeschlossen beziehungsweise erneuert. Nennenswerte Ergebnis-Abschöpfmöglichkeiten dürften sich daher in der Versorgerbrache erst im Laufe der Zeit einstellen. Die Inbetriebnahme neuer Kraftwerkskapazitäten erweitert dabei das Abschöpfungspotenzial – etwa bei Erneuerbare-Energie-Anlagen, die neu ans Netz kommen. 

Sind die geplanten Sparvorgaben zur Reduktion der Spitzenlast erfolgreich, können sie unter Umständen den Ergebnisbeitrag von Gas-Verstromern und auch von Kohlestromanbietern dämpfen. Der Strompreisdeckel ist aber hoch genug angesetzt, um immer noch ein starkes Preissignal als Sparanreiz auszusenden. Er liegt nach Einschätzung der Volkswirte von Union Investment auch auf einem perspektivisch sehr auskömmlichen Niveau für in der Stromproduktion aktive Versorger. Insgesamt sind die Eingriffe für den Sektor aus heutiger Sicht nicht als negativ zu bewerten. Auch die Attraktivität von Investitionen in Renewables in Europa bleibt bestehen. Viele europäischen Versorger wachsen zudem außerhalb Europas. Erfreulich ist zudem, dass ausreichend Maßnahmen ergriffen werden, welche die Liquidität zur Stellung von Sicherheiten für eingegangene Energielieferverpflichtungen garantieren. Hier tritt die Bundesrepublik zum Beispiel mit Uniper-Großaktionär Fortum in Verhandlungen über weitere Hilfen ein, die zur Verstaatlichung des Unternehmens führen könnten. 

Im Bereich der Unternehmen, die ihren Geschäftsschwerpunkt in der Öl-, Gas-, Kohleförderung beziehungsweise -verarbeitung haben, wird zudem eine Mindeststeuer in Höhe von 33 Prozent auf Übergewinne im Vergleich zum Zeitraum 2019 bis 2021 erhoben. Hier stehen in Europa betriebene Raffinerieaktivitäten im Vordergrund. Die EU erwartet hieraus rund 25 Milliarden Euro Einnahmen. Das betroffene Raffinerie- sowie Tankstellen-Geschäft bleibt nach Einschätzung unserer Experten aber für die Betreiber vorläufig attraktiv. Auch wird das für die Energiebranche ergebnisbestimmende Upstream-Geschäft meist nicht in Europa betrieben und wird daher von der Steuer gar nicht erfasst. 

In Summe erwartet Union Investment, dass es trotz der Maßnahmen insbesondere in Deutschland zu einer dauerhaften Niveauverschiebung des Gaspreises nach oben kommt. Verflüssigtes Erdgas (LNG) ist kostspieliger zu fördern als leitungsgebundenes russisches Erdgas und muss zudem verflüssigt, transportiert und in die Verteilungsinfrastruktur eingespeist werden. Für den Strommarkt zeigt sich – nicht zuletzt in Abhängigkeit von staatlich gesetzten Klimaschutzzielen – ein ähnliches Bild. Energieintensive Branchen dürften daher kurzfristig, unter anderem in Deutschland, weitere Produktionskapazitäten stilllegen. Dagegen dürften sich Investitionen zum Ausbau von Geschäftsaktivitäten angesichts der Energiekosten vielfach in Richtung iberische Halbinsel oder nach außerhalb Europas verlagern – falls das nationale Standortsubventionen nicht verhindern. 

Stand aller Informationen, Erläuterungen und Darstellungen:
19. September 2022, soweit nicht anders angegeben.

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