Hohe Inflation und als Folge steigende Leitzinsen haben die Kurse an den Anleihemärkten unter Druck gesetzt. Im Gegenzug sind die Renditen nach oben geschossen. Die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihen erreichte Mitte Oktober 2,3 Prozent – deutlich mehr als es Zins auf einem Festgeldkonto gibt. Noch ausgeprägter ist der Zinsvorteil bei Unternehmensanleihen, wobei ein anderes Risikoprofil zu beachten ist. So gibt es wieder Anleihen mit Investment-Grade-Qualität, die rund 4 Prozent Rendite abwerfen. Zeit also für Anleger, sich hier neu zu positionieren?
Entscheidend ist, wie sich die Inflation weiterentwickelt – und wie Notenbanken und Staaten in den kommenden Monaten agieren werden. Die hohe Inflation zwingt die Notenbanken derzeit, die Zinsen rasch und kräftig anzuheben. Das Wirtschaftswachstum wird dadurch (gewollt) stark belastet, eine leichte Rezession ist damit in den Augen der Volkswirte von Union Investment in den USA unvermeidlich geworden. Auch in Europa und Deutschland ist mit einer – stärkeren – Schrumpfung der Wirtschaftsleistung zu rechnen. Dort belasten die anhaltend hohen Energiekosten zusätzlich.
Im Rückblick sind die Verluste am Rentenmarkt vor allem auf gestiegene Zinserwartungen zurückzuführen, weniger auf etwaige Sorgen vor steigenden Ausfallraten bei Emittenten. Immerhin: Den stark gefallenen Kursen stehen nun deutlich gestiegene Kupons entgegen. Der Rentenmarkt bietet Anlegern somit erstmals seit langem wieder eine gewisse Schutzfunktion gegen mögliche neuerliche Kursverluste. In den vergangenen zehn Jahren war dies kaum der Fall, da meist nur niedrige Kupons oder Null-Kupons bei überschaubaren Risiken erhältlich waren.
Viele Risiken eingepreist
Angesichts des Ukraine-Krieges besteht weiter hohe Unsicherheit, wie rasch die Inflation sinken wird. Zudem geraten Fiskalmaßnahmen in die Diskussion, die sich ebenfalls auf die Anleihemärkte auswirken können, wie das Beispiel Großbritannien zeigt. Wenn die Regierung – wie in London geschehen – über das Ziel hinausschießt, kann dies je nach Ausgangslage der Haushalte starke Auswirkungen haben. Dementsprechend kam es zu Turbulenzen am britischen Anleihenmarkt. Allerdings: Die Rentenmärkte preisen den schwierigen Mix aus Inflation und steigenden Zinsen aus Sicht der Experten von Union Investment weitgehend ein. Das eröffnet mittelfristig neue Anlagechancen – auch wenn weiter Risiken bestehen und die Anleihemärkte vorerst schwankungsanfällig bleiben dürften. Dementsprechend empfiehlt sich für Rentenanlagen eine selektive Vorgehensweise, die auf hohe Kreditqualität setzt und etwa Branchen meidet, die besonders stark von der Energiekrise betroffen sind. Dies umfasst in der Regel insbesondere den Chemie- und Industriesektor sowie konsumnahe Unternehmen.
Dem insgesamt konstruktiveren Grundbild liegt die Annahme zugrunde, dass sich der Inflationsdruck im Jahr 2023 deutlich abschwächen dürfte, nicht zuletzt aufgrund von Basiseffekten: Die Monate mit starken Preissteigerungen etwa im Energie- und Rohstoffbereich fallen nach und nach wieder aus der Inflationsstatistik heraus. Auch verzögert wirkende Effekte steigender Zinsen sowie die zu beobachtende Entspannung bei Lieferketten dürften die Teuerung dämpfen. Unsicherheit besteht vor allem mit Blick auf das mögliche Zinsniveau am Ende des Zinserhöhungszyklus (Terminal Rate). Für die US-Notenbank Fed hat die Inflationsbekämpfung oberste Priorität. Union Investment erwartet, dass in den USA die Fed Funds Rate bis Ende diesen Jahres auf 4,25 bis 4,50 Prozent steigt. Für die EZB wird bis zum Jahresende ein Einlagensatz von 2,0 Prozent und ein Spitzenrefinanzierungssatz von 2,50 Prozent prognostiziert.
Im Euroraum teilen die Experten von Union Investment die Markterwartung weiterer Zinsanhebungen im kommenden Jahr nicht. Denn diesen Markterwartungen liegt ein zu optimistisches Konjunkturbild zugrunde, dem Union Investment nicht folgt. Falls der Zinszyklus aufgrund der Rezession zu einem (vorläufigen) Ende kommt, bieten erstklassige Rentenanlagen auch Chancen auf Kursgewinne, da sie als „sicherer Hafen“ stärker nachgefragt werden dürften. Vorsicht ist dagegen weiter bei Anleihen aus der Euro-Peripherie aufgrund der schwierigeren Haushaltslage, wie etwa in Italien, angezeigt. Am US-Staatsanleihemarkt halten die Experten einen weiteren – weniger starken – Renditeanstieg für wahrscheinlich. Aktuell preist der Markt Zinssenkungen im Verlauf von 2023 ein, was nicht den Erwartungen von Union Investment entspricht. Der Höhepunkt in der US-Inflationsentwicklung dürfte zwar hinter uns liegen. Aber für das weitere geldpolitische Vorgehen sind die Lage auf dem Arbeitsmarkt und die Entwicklung der Kern-Inflationsrate (ohne Nahrungsmittel und Energie) entscheidend. Hier ist mit einer langsameren Abschwächung zu rechnen.
Unauffällige Ratingtrends im Corporates-Segment
Insgesamt bestehen nach vorn gerichtet am Rentenmarkt Chancen für Neuanlagen. Die absehbare Rezession dürfte es den Notenbanken im nächsten Jahr leichter machen, geldpolitisch moderater vorzugehen. Interessant sind aus Sicht der Rentenexperten dabei vor allem Investment-Grade-Unternehmensanleihen mit kürzeren und mittleren Laufzeiten, da sie hohe Kupons und damit auch einen gewissen Puffer gegen mögliche weitere Zinsanhebungen und Kursverluste bieten. Angezeigt ist aber angesichts der konjunkturellen Risiken eine breite Streuung etwa über einen Fonds, um Ausfallrisiken zu mindern. Fundamental betrachtet sind die Ratingtrends im Unternehmensanleihe-Segment jedoch bislang unauffällig. Gerade große Emittenten sind wenig ausfallgefährdet, da sie die Effekte höherer Kosten besser abfedern können. Auch dürften durch ein inflationsbedingt höheres Nominalwachstum der Erlöse die Verschuldungsquoten vieler Unternehmen nach Einschätzung der Rentenexperten bei Union Investment tendenziell eher stabil bleiben oder sogar leicht fallen.
Die Ausfallraten dürften zudem trotz Rezession überschaubar bleiben. Extremrisiken aus einer möglichen Gas-Mangellage lassen sich durch eine aktive Auswahl vermeiden. Dabei können die Experten von Union Investment auf ein globales Anlageuniversum zurückgreifen, das in der hauseigenen Global Credit Platform breit abgedeckt wird. Dabei kann ermittelt werden, welche Anleihen im Sektorvergleich besonders günstig erscheinen – auch inklusive Währungsabsicherung.
Perspektivisch hilft dem Corporates-Bereich eine höhere Inflation, da der Verschuldungsgrad von Unternehmen mit funktionierendem Geschäftsmodell eher sinken dürfte. Der Finanzsektor kann ebenfalls von steigenden Zinsen und damit künftig höheren Zinserträgen profitieren. Andererseits bietet die zumeist gute Kapitalausstattung ausreichend Puffer, um steigende Ausfallraten bei Krediten gut zu überstehen. Zudem preisen die Risikoprämien bereits viel Rezessionsrisiken ein. Daher dürften sich die Spreads, wenn das konjunkturelle Basisszenario eintrifft, nicht mehr stark ausweiten. Anleger sollten aber vorsichtig positioniert bleiben. Im Fall einer tiefer als erwarteten Rezession dürften durch eine höhere Anfälligkeit auf Spread-Ausweitung vor allem Hochzinspapiere stärker unter Druck geraten. Da nicht sicher ist, wann die Notenbanken vom geldpolitischen Straffungskurs wieder abweichen, sollten Anleger generell keine zu lange Zinsbindungsdauer (Duration) eingehen und auf Investment-Grade-Papiere setzen. Dafür bietet der Neuemissionsmarkt für aktiv gemanagte Rentenfonds immer wieder attraktive Möglichkeiten zur Neuanlage. Vorsicht ist vor dem Hintergrund der rückläufigen Liquiditätsschwemme bei Nachrang- sowie Hochzinspapieren angezeigt.
Bei verbrieften Krediten (Collateralized Loan Obligations, CLOs) besteht der Vorteil der Zinsimmunität, da Verbriefungen aufgrund der variablen Verzinsung nahezu immun gegen Zinsvolatilität sind. Allerdings reagieren sie auf Spread-Veränderungen. In schwierigen Phasen an den Anleihemärkten zeigen sie eine stärkere Spreadausweitung und bieten daher auch mit besseren Ratings höhere Renditen als Corporate-Papiere. Dies lässt sich auch empirisch belegen. So zeigte eine Studie von Union Investment schon vor längerem, dass höhere Renditen der Preis für hohe Spreadvolatilität in Krisenzeiten sind. Die zugrundeliegenden Ratingtrends sind aber fundamental gesehen auch vor dem Hintergrund der sich anbahnenden Rezession intakt und sollten gut durchhaltbar sein.