Es gilt nicht nur am Kapitalmarkt: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Und: Nur weil man etwas verspricht, bedeutet das nicht automatisch, dass das Versprechen auch eingehalten wird. Ein Versprechen muss belastbar sein, und versprechen sollte man nur, was auch erreicht werden kann.
Und ja, das hat jede Menge mit dem Thema Kapitalmarkt zu tun, an dem schließlich nicht nur der Ist-Zustand, sondern auch die Zukunft, die Hoffnung und das Versprechen gehandelt werden. Während letztere oft recht wolkig sind, gibt es nun eine relativ neue Wertpapierklasse, die nicht nur das Versprechen, sondern auch das Halten berücksichtigen soll. Die Rede ist von Sustainability-linked Bonds (SLBs). Das sind Anleihen, deren Emission mit einem Anreiz für das Unternehmen verknüpft werden. Der Kupon der Anleihe ist an das Erreichen von Nachhaltigkeitszielen geknüpft, die klar definiert sind. Werden die Ziele nicht erreicht, dann steigt der Kupon. Für das emittierende Unternehmen macht es also einen zählbaren Unterschied, ob es das grüne Ziel erreicht oder nicht.
Die neue Anleiheklasse gilt als echte Weiterentwicklung. Denn die Tatsache, dass Unternehmen (oder auch Staaten) die Frage nach Daten und greifbaren Informationen zu dem jeweiligen Nachhaltigkeitsthema überhaupt stellen (müssen), ist ein wichtiger Schritt, der nötig ist, um überhaupt eine Verbesserung einleiten zu können. Ähnlich wie bei Green Bonds setzt die neue Assetklasse ein Thema bei Unternehmen auf die Agenda, die dieses vorher womöglich noch vom Tisch gewischt hätten.
Positiver Auswahlprozess
Für nachhaltige Investoren hat diese Systematik entscheidende Vorteile. Denn mit dem Versprechen geht die Möglichkeit der Kontrolle einher. Die Anleiheausstattung verpflichtet den Emittenten zu einem jährlichen Reporting, es besteht also deutlich mehr Transparenz als bei vielen anderen Wertpapieren. Darüber hinaus entsteht ein impliziter positiver Ausleseprozess: Unternehmen, die sich mit der Möglichkeit einer SLB-Emission befassen, sind dem Thema Nachhaltigkeit gegenüber zumindest schon einmal aufgeschlossen und sehen die Vorteile, die sich daraus für die eigene Geschäftstätigkeit ergeben. Anders ausgedrückt: Unternehmen, die braun sind, aber glaubhaft und ambitioniert grün werden wollen, haben durch die SLBs nunmehr auch ein glaubwürdiges Finanzierungsinstrument, mit dem sie ihre nachhaltige Story präsentieren können. Aber Unternehmen, die braun sind und nicht grün werden können oder wollen, bleibt diese Möglichkeit verwehrt.
Das bedeutet nicht, dass man nicht genau hinschauen sollte, ja: muss. Denn wie bei jeder neuen Assetklasse fehlt es auch bei SLBs noch an Einheitlichkeit. Wenn Unternehmen sich qua Wertpapierprospekt dazu verpflichten, die CO2-Emissionen zu reduzieren, dann sollte zum Beispiel darauf geachtet werden, welches Basisjahr gewählt wurde. Nicht selten legen sich die Emittenten die Hürde auf Kniehöhe, um das Ziel auch sicher erreichen zu können. Grundsätzlich wäre es für Investoren hilfreich, wenn alle Emittenten dasselbe Basisjahr verwenden würden (zum Beispiel 2015, das Jahr der wegweisenden Klimakonferenz von Paris), aber das ist wohl noch Zukunftsmusik.
Zudem ist es auch für erfahrene Analysten nicht immer einfach, die Ziele hinsichtlich ihres Ambitionsgrades qualitativ zu bewerten – zumal diese auch je nach Anleihe sehr individuell sein können. Einige Beispiele: Wenn eine große Modekette angibt, ihre Recycling-Rate von 2 auf 30 Prozent innerhalb von drei Jahren anheben zu wollen, klingt das sehr ambitioniert. Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob eine hohe Recycling-Rate angesichts der Mengen an Chemie und Energie, die dazu benötigt werden, ganzheitlich betrachtet auch noch sinnvoll ist. Immerhin ist es aber schonmal ein Schritt nach vorne, dass solche Fragen (auch) aufgrund einer neuen Wertpapierklasse einer Klärung zugeführt werden.
Auch kann es ein großer Schritt sein, wenn ein Konzern aus der Automobilbranche den Anteil seiner Zulieferer, die er auf ihre Nachhaltigkeitspraktiken hin überprüft, von 80 auf 82 Prozent binnen fünf Jahren anhebt, weil hier die Anstrengungen allein ob der Summe der in Frage kommende Betriebe und der Probleme mit der Datenlage enorm sein können. Und wenn ein südamerikanischer Staat wie Uruguay per Fremdkapital (mittels SLB) den Waldbestand erhalten oder erweitern will, wie unlängst bei einer Emission geschehen, dann mag das ambitioniert sein oder nicht: Zumindest wird das Land dadurch dazu veranlasst, sich mit bislang nur unzureichend beantworteten Fragen auseinanderzusetzen, zum Beispiel: Wie groß ist der Waldbestand in Uruguay eigentlich, was wurde und wird für den Wald von staatlicher Seite getan und was muss daraus folgen?
Das Beispiel macht zumindest theoretisch einen zentralen Vorteil von SLBs gegenüber anderen Bonds, auch Green Bonds, deutlich: Es gibt mehr Transparenz, weil wie beim Green Bond eine regelmäßige Berichterstattung erforderlich ist. Zweitens existiert beim SLB durch die potenzielle Kupon-Erhöhung eine zusätzliche Anreizstruktur, kombiniert mit nachhaltigen Indikatoren und klaren Aussagen darüber, welchen Pfad das Unternehmen gehen will, um die definierten Ziele zu erreichen. Und drittens: Selbst in einem schlechten Fall, in dem die Ziele vielleicht zu wenig ehrgeizig sind oder die Auswirkungen auf die fälligen Kuponzahlungen zu wünschen übrig lassen, werden die Emittenten immerhin gezwungen, sich mit einem bestimmten Themen mit Nachhaltigkeitsbezug auseinanderzusetzen.
Kritik an Kuponhöhe
Den Vorteilen der relativ neuen Assetklasse stehen freilich auch einige Nachteile gegenüber: Die mangelnde Zweckbindung im Vergleich zu Green Bonds, denn die Mittelverwendung eines SLBs obliegt völlig dem Emittenten – der Kupon muss eben nur mit dem Erreichen von Nachhaltigkeitszielen in Verbindung stehen. Und mitunter kommt der Aufschlag für die Kupons für das Nichterreichen der Ziele entweder zu zahm daher oder zu spät, als dass sich die Anreizwirkung voll entfalten kann. Wenn der so genannte Step-up sich nur auf die letzten zwei Kuponzahlungen beschränkt, ist das schlicht zu wenig. Auch über die Höhe des Step-ups, für den sich de facto ein Standard von 25 Basispunkten etabliert hat, lässt sich streiten – nicht zuletzt vor dem Hintergrund des aktuell stark veränderten Zinsumfelds.
Sicher ist: Nicht alle diese Kritikpunkte treffen auf jeden SLB zu, doch gleichzeitig sind sie Punkte keinesfalls aus der Luft gegriffen. Der Markt steht noch relativ weit am Anfang, bislang wurden Papiere im Wert von 175 Milliarden US-Dollar emittiert. Es sind noch einige Fragen offen, die mit einem wachsenden Markt auch geklärt werden sollten. Solange das nicht der Fall ist, werden Unternehmen auch versuchen, Vorteile aus der neuen Anlageklasse zu ziehen – und es ist Aufgabe und Pflicht eines aktiven Investors zu erkennen, wer mit welcher Motivation und mit welcher Ambition an den Markt geht.
Von Dr. Henrik Pontzen, Leiter ESG & Michael Kobel, Portfoliomanager bei Union Investment