Die Inflation in Deutschland ist im November etwas gesunken. Nach 10,4 Prozent im Vormonat liegt die Inflationsrate im November im Jahresvergleich aber immer noch bei einem beachtlichen Plus von 10,0 Prozent.
Entspannung kommt von den Energiepreisen, die ihren markanten Aufwärtstrend vor einem Jahr begonnen haben. Die Dynamik lässt hier zwar langsam nach, was die Teuerung dämpft. Allerdings zeigen die Lebensmittelpreise weiter nach oben. Diese werden getrieben von den nach wie vor anhaltenden Lieferkettenproblemen als auch den hohen Preisen für Düngemittel. Dazu kommt, dass die Unternehmen ihre gestiegenen Kosten nur mit Verzögerung an die Verbraucher weitergeben. Laut einer Umfrage des ifo Instituts haben die Konzerne ihre höheren Einkaufspreise erst zu 34 Prozent durchgereicht. Bis April 2023 soll der Wert auf 50 Prozent steigen. Daher bleibt die Kerninflation, also die Inflationsrate ohne schwankungsanfällige Energie- und Nahrungsmittelpreise, hartnäckig hoch. Wir erwarten für Dezember den Höhepunkt der Inflation.
Im kommenden Jahr dürften eine abnehmende Nachfrage, geringere Störungen aus Lieferketten sowie weniger Aufwärtsdruck bei den Energiepreisen die Inflationsentwicklung bremsen. Allerdings wird es dauern, bis die preistreibenden Faktoren zurückgehen oder sogar verschwinden.
Die Europäische Zentralbank (EZB) dürfte die Inflationsrisiken auf ihrer nächsten Zinssitzung nach wie vor höher gewichten als die Entspannungszeichen. Wir halten darum einen Zinsschritt über 75 Basispunkte für etwas wahrscheinlicher als einen über 50 Basispunkte. Auch wenn die Meinungen im EZB-Direktorium derzeit weit auseinandergehen, dürfte die Notenbank weiter falkenhaft auftreten.
Dr. Jörg Zeuner, Chefvolkswirt und Leiter Research & Investment Strategy sowie Mitglied des Union Investment Committee