Nun gibt auch die letzte große Notenbank mit ultralockerer Geldpolitik dem stark gestiegenen Inflationsdruck nach: Auf ihrer geldpolitischen Sitzung vom 20. Dezember beschloss die Bank of Japan (BoJ) überraschend, den Renditen zehnjähriger japanischer Staatsanleihen mehr Spielraum zu geben. Bislang hatten die Währungshüter in Tokio ihre Geldpolitik mit einer so genannten Zinskurvensteuerung verbunden, die verhindern sollte, dass die Renditen am Anleihemarkt zu stark anziehen. Nun erweiterte die BoJ die im zehnjährigen Bereich tolerierte Spanne von 25 auf 50 Basispunkte. Begründet wurde dies mit einer Verbesserung der Marktfunktionalität. Seit dem Frühjahr diesen Jahres hätte sich die Funktionsweise des Anleihemarktes verschlechtert, was sich auch negativ auf die Finanzierungsbedingungen der Gesamtwirtschaft auswirke, so die BoJ. Mit der Lockerung der Zinskurvensteuerung soll es besser möglich werden, die Geldpolitik wirksamer auf die Realwirtschaft umzusetzen. Gleichzeitig verkündete die Notenbank auch, den monatlichen Ankauf von japanischen Staatsanleihen von 7,3 auf 9 Billionen Yen Nominalvolumen erhöhen zu wollen.
Starke Ausschläge bei japanischen Vermögenswerten
Für die Märkte kam die Anpassung der Geldpolitik überraschend, dementsprechend heftig fiel die Reaktion aus: Die Renditen zehnjähriger japanischer Staatstitel legten zwischenzeitlich von 0,26 auf 0,48 Prozent zu. Der Yen, der noch bis Mitte Oktober deutlich zur Schwäche geneigt hatte, verzeichnete einen der größten Kurssprünge der letzten Jahrzehnte. Am Aktienmarkt zeigten sich unterschiedliche Trends: Die Aktien von Lebensversicherungen und Banken zogen markant an, während der marktbreite TOPIX-Index und der Nikkei 225-Index Einbußen hinnehmen mussten. Hier wirkte sich vor allem die für exportstarke Unternehmen ungünstigeren Wechselkursentwicklung sowie der Renditeanstieg belastend aus.
Da der Yen mit seinen günstigen Finanzierungsbedingungen auch gerne als weltweite Währung für Carry Trades genutzt wird, führten die Maßnahmen der BoJ an den globalen Finanzmärkten zu Schwankungen. In der Tendenz schwächte sich der US-Dollar aber leicht ab (gemessen am Dollar-Index), und kurzfristig zogen auch die Renditen deutscher und US-amerikanischer Staatsanleihen an. Die Auswirkungen verpufften aber bald, und die erste Staatsanleiheauktion in den USA (für 20-jährige Papiere) nach der BoJ-Entscheidung verlief gut. Einige Marktteilnehmer hatten befürchtet, dass japanische Investoren einen größeren Teil ihrer Anlagegelder aufgrund der nun attraktiveren Konditionen in ihren Heimatmarkt zurückführen könnten. Allerdings hat dieser Trend bereits vor einigen Monaten unter institutionellen Anlegern eingesetzt, da sich aus japanischer Sicht die Kosten für eine Währungsabsicherung ungünstig entwickelt hatten. Die Repartierung japanischer Anlagegelder dürfte somit eher ein schrittweiser denn ein schlagartig wirksamer Prozess sein.
Neue Phase der Geldpolitik, aber keine Komplettänderung
Sicher ist aber, dass die zehnjährigen japanischen Staatsanleiherenditen ohne Zinskurvensteuerung durch die BoJ heute deutlich höher (über ein Prozent) liegen würden. Da es in einem solchen Fall zu einem (globalen) Zinsschock kommen dürfte, ist es nach Ansicht der Experten von Union Investment sehr unwahrscheinlich, dass die Zentralbank sich bald komplett von der Zinskurvensteuerung verabschieden dürfte.
Mit der Ausweitung des Renditebands tritt die japanische Geldpolitik aber in eine neue Phase ein. Zum einen läuft die Amtszeit von BoJ-Gouverneur Haruhiko Kuroda am 8. April 2023 aus, seine Nachfolge dürfte im Februar nominiert werden. Zum anderen aber auch mit Blick auf die Rahmenbedingungen: Die Volkswirte von Union Investment schätzen die jüngste Maßnahme als ersten Schritt einer Normalisierung der japanischen Geldpolitik ein. Kuroda hat auf der jüngsten Zinssitzung jedoch erneut betont, sein Institut führe die auf eine Stimulierung der Wirtschaft ausgerichtete Politik fort. Auch blieben andere geldpolitischen Parameter unverändert: Der Leitzins liegt weiter mit minus 0,1 Prozent im negativen Bereich.
Ebenso hat sich an der volkswirtschaftlichen Einschätzung der Währungshüter in Tokio wenig geändert: Während das weltwirtschaftliche Umfeld belaste, profitiere die Konjunktur von Nachholeffekten nach der Covid-Pandemie sowie von nachlassenden Lieferengpässen. Mit Blick auf die Verbraucherpreise stünden Basiseffekten, welche sinkende Inflationsraten implizieren, ein moderater Aufwärtsdruck infolge einer geringeren Produktionslücke, höherer Inflationserwartungen und Lohnwachstum entgegen. Nach den aktuellen Inflationsprognosen der Zentralbank von November dürfte die Inflationsrate bis zum Jahresende 2024 die Zielmarke von zwei Prozent nicht erreichen. Im November betrug die Inflationsrate (ohne frische Lebensmittel) 3,7 Prozent, so viel wie seit 1981 nicht mehr.
Weiteres Aufwertungspotenzial für den Yen
Die Einschätzung einer schrittweisen Normalisierung der Geldpolitik führen die Experten von Union Investment auf die Bewegung zurück, die sie bei der Inflation sowie bei den politischen Rahmenbedingungen sehen. Beispielsweise haben japanische Unternehmen damit begonnen, die gestiegenen Input-Kosten zunehmend weiterzugeben. Zuletzt kamen zudem in japanischen Medien Berichte auf, wonach Premierminister Fumio Kishida (Liberaldemokratische Partei) auf eine Anpassung der geldpolitischen Ausrichtung abzielen soll.
Bis zum Ende der Amtszeit Kurodas am 8. April 2023 erwarten die Experten von Union Investment zwar keine weiteren geldpolitischen Schritte. Diese dürften aber unter dem neuen Zentralbankchef ab Sommer möglich werden, etwa durch eine weitere Ausdehnung des Renditebandes oder durch eine Verkürzung der Zielduration von zehn auf fünf Jahre. Dementsprechend besteht auch noch Aufwertungspotenzial für die japanische Währung. Diese Einschätzung spiegelt sich auch in einer Long-Position des Union Investment Committees (UIC) auf den japanischen Yen gegenüber US-Dollar und Euro - auch vor dem Hintergrund, dass der Yen perspektivisch von einer Wiedereröffnung der chinesischen Wirtschaft profitieren dürfte.