Der erste Wunsch für das neue Jahr ging schon mal in Erfüllung – zumindest mit Blick auf die Inflation. Laut Statistischem Bundesamt fiel sie im Dezember im Jahresvergleich deutlich von 10 Prozent im November auf 8,6 Prozent. Es ist der zweite Rückgang in Folge seit dem Hochpunkt von 10,4 Prozent im Oktober.
Der damit verbundene Seufzer der Erleichterung war aber im System angelegt: Der deutsche Staat übernahm die für Dezember fälligen Abschlagzahlungen für Erdgas - zumindest für die Haushalte, die direkte Verträge mit den Gasversorgern haben. Die Entlastungsmaßnahme schont die Portemonnaies der Verbraucher und schlägt sich in sinkenden Preisen in der Statistik nieder.
Doch allzu groß sollte die Erleichterung über die sinkende Teuerung nicht ausfallen. Für Januar rechnen wir mit einem erneuten Anstieg. Dann flattern überdurchschnittlich viele Rechnungen mit höheren Abschlagszahlungen in die Briefkästen der Verbraucher. Bereits im Dezember legte die Kerninflationsrate, die die schwankungsanfälligen Energie- und Lebensmittelpreise ausklammert, zu.
Wir erwarten trotzdem keine Rückkehr zu zweistelligen Inflationsraten. Die Gas- und Strompreisbremse sowie eine verbesserte Versorgungslage dürften sich weiter preisdämpfend bemerkbar machen. Auch bei anderen Preisbestandteilen ist eine Beruhigung zu erwarten, weil mit einer fortgesetzten Entspannung bei Lieferketten und Produktionsengpässen Angebot und Nachfrage besser ins Gleichgewicht finden. Für die Europäische Zentralbank gibt es trotzdem viel zu tun. Aufgrund des anhaltend hohen absoluten Inflationsniveaus und der hartnäckig hohen Kerninflation wird sie noch bis weit in den Frühling hinein an ihrem geldpolitischen Straffungskurs festhalten.
Dr. Jörg Zeuner, Chefvolkswirt und Leiter Research & Investment Strategy sowie Mitglied des Union Investment Committee