Eine hohe Emissionstätigkeit zu Jahresbeginn ist zwar grundsätzlich nicht ungewöhnlich. Emittenten nutzen den üblicherweise hohen Anlagebedarf der Investoren meist, um gleich zu Jahresbeginn einen Großteil der benötigten Finanzmittel einzuwerben. Allerdings entpuppte sich, gerade bei den Finanzanleihen, die erste Handelswoche im Januar 2023 selbst vor diesem Hintergrund als außergewöhnlich volumenstark.
Financials dominieren am europäischen Credit-Markt
Dabei war der Start am Montag (2. Januar) noch verhalten ausgefallen, unter anderem da viele Handelsplätze noch aufgrund nachgeholter Feiertage geschlossen waren. Ab Dienstag (3. Januar) setzte dann aber eine rege Neuemissionstätigkeit ein und die Volumen aus dem Vorjahr wurden deutlich übertroffen. Besonders dynamisch war die Entwicklung bei Unternehmens-anleihen, und hier wiederum stach der Finanzbereich hervor. Zum Vergleich: Waren 2022 im gesamten Januar bei europäischen Unternehmensanleihen guter Bonität (Investment Grade) noch rund 24 Milliarden Euro eingeworben worden, waren es allein in den ersten drei Handelstagen 2023 schon über 25 Milliarden Euro. Bis Freitagmorgen (6. Januar) summierte sich der Wert dann auf 32,8 Milliarden Euro. Davon entfielen 24,6 Milliarden Euro auf den Finanzsektor, die verbliebenen 7,2 Milliarden Euro flossen in den Non-Financial-Bereich. Die Emissionen wurden gut aufgenommen und waren zumeist klar überzeichnet. Häufig waren die Orderbücher doppelt so groß (und mehr) wie das letztendliche Platzierungsvolumen.
Auch der Sekundärmarkt konnte sich trotz der Flut an Platzierungen gut behaupten. Die europäischen Indizes wie der Markit iTraxx Europe Main oder Markit iTraxx Europe Senior Financials handelten per Freitagmittag leicht verbessert zum Wochenbeginn.
Etwas weniger dynamisch, aber immer noch solide startete der Covered-Bond-Primärmarkt in das neue Jahr. Bis Donnerstagabend (5. Januar) wurden hier bereits Papiere über rund 13 Milliarden Euro emittiert. Besonders positiv bewerteten Marktbeobachter dabei, dass auch längere Laufzeiten (bis 10 Jahre) wieder an den Investor gebracht werden konnten, nachdem seit September 2022 keine Emission mehr den 7-Jahreshorizont überschritten hatte. Gleichzeitig waren die Überzeichnungsquoten jedoch – gerade bei den längeren Laufzeiten – überschaubar und die Neuemissionsprämien eher hoch.
Irische Emission stark überzeichnet
Staatliche beziehungsweise quasistaatliche Emittenten (Sovereigns, Supranational and Agencies, SSA) kamen ebenfalls verstärkt an den Markt. In Europa waren in den ersten vier Handelstagen Emissionen in Höhe von 48,9 Milliarden Euro zu verzeichnen, darunter unter anderem Platzierungen der European Investment Bank (EIB), Portugals und Irlands. Nachrichtenagenturen zufolge traf insbesondere die irische Auktion für einen Green Bond mit zwanzigjähriger Laufzeit auf erhebliches Investoreninteresse. Nach diesen (vom Finanzministerium in Dublin unbestätigten) Angaben stand dem Emissionsvolumen von 3,5 Milliarden Euro letztlich ein Orderbuch von 37 Milliarden Euro gegenüber.
Rates-Märkte fest
Insgesamt zeigten sich auch die europäischen Rates-Sekundärmärkte relativ fest, trotz der regen Emissionstätigkeit. Die Rendite für deutsche Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit ging auf 2,28 Prozent zurück, unter anderem wegen der schwächer als erwartet ausgefallenen Inflationsdaten für Dezember 2022. Bei Peripherieanleihen sanken die Risikoaufschläge (Spreads) gegenüber den sicheren Häfen. Hier spielt offenbar auch das auf dem gesamten Kontinent recht warme Wetter eine nicht zu unterschätzende (Neben-) Rolle: Je milder die Temperaturen, umso geringer ist der Energiebedarf der privaten Haushalte und umso kleiner dürften die staatlichen Hilfen ausfallen. Das wiederum sollte perspektivisch die Fiskalsituation der europäischen Staaten entlasten und somit ihr Neuemissionsangebot im weiteren Jahresverlauf begrenzen.
Aber: Auch außerhalb von Europa fiel der Jahresbeginn bei den Neuemissionen gelungen aus und gibt damit einen ersten Hinweis auf das (wieder) gestiegene Interesse vieler Investoren an Rentenanlagen. Das gilt zum Beispiel auch für die aufstrebenden Volkswirtschaften (Emerging Markets), die nach einem schwierigen Jahr 2022 ebenfalls freundlich gestartet sind. Den Anfang der Neuemissionstätigkeit macht hier traditionell Mexiko, dessen Platzierung bereits am Dienstag (3. Januar) gut aufgenommen wurde. Weitere Transaktionen, etwa von Indonesien oder Rumänien, bestätigten den Trend. Allerdings zeigte sich die Aufnahmefähigkeit bei Emerging Markets-Staatsanleihen im Vergleich etwas schwächer, gemessen an der Entwicklung des Sekundärmarktes. Hier waren im Wochenvergleich leichte Renditeanstiege zu verzeichnen.
Welle dürfte anhalten
Nach den wenigen Handelstagen des noch jungen Jahres lässt sich als erstes Zwischenfazit festhalten, dass die hohe Anzahl von Neuemissionen bislang vom Markt gut aufgenommen wurde und starke Anstiege bei Renditen beziehungsweise Spreads ausgeblieben sind. Wir gehen davon aus, dass die Welle im ersten Quartal weiter anhalten dürfte und die Emittenten in dieser Zeitspanne einen großen Anteil der benötigten Mittel einwerben werden. Der „Lackmustest“ für die Anleihemärkte ist also noch nicht bestanden, sondern dürfte noch eine Weile andauern – zumal mit dem ab März einsetzenden „quantitative tightening“ (QT) der Europäischen Zentralbank (EZB) eine weitere Bewährungsprobe wartet. Die ersten Anzeichen sind aber – immerhin – positiv und unterstreichen unsere Erwartung auf ein gutes Rentenjahr 2023.