Europäische Aktien mit Katapultstart ins neue Jahr

Seit September entwickeln sich die europäischen Aktienmärkte besser als die Wallstreet. Die geringeren Energiepreise, das Reopening in China und die sinkende Inflation beflügelten zuletzt die Kurse. Dennoch birgt die aktuelle Situation weiterhin Herausforderungen. Union Investment | 17.01.2023 10:10 Uhr
© Foto von Markus Spiske auf Unsplash
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Für die europäischen Aktienmärkte hat das Börsenjahr 2023 mit einem Katapultstart begonnen. Nach zwei Handelswochen liegen alle Indizes des Kontinents im Plus. Der marktbreite STOXX Europe 600-Index, in dem neben Titeln aus der Eurozone auch britische, Schweizer und skandinavische Aktien enthalten sind, kletterte seit Jahresanfang (mit Schlusskurs 12. Januar) um 6,0 Prozent, wobei die Sektoren Automobil, Einzelhandel und Immobilien besonders gut abschnitten. Noch deutlicher als für den pan-europäischen Index ging es für die Handelsplätze in der Währungsunion nach oben. Der EURO STOXX 50-Index stieg um 8,8 Prozent. Auch für den deutschen Leitindex DAX 40 begann das Jahr sehr positiv. In Frankfurt legten die Kurse um 8,2 Prozent zu. Ausgehend von einem Jahresendstand 2022 von knapp unter 14.000 Zählern hat das Barometer in weniger als zehn Handelstagen über 1.000 Punkte gutgemacht und die vielbeachtete 15.000er-Schwelle erstmals seit Februar 2022 wieder übersprungen.

Europa läuft besser als USA

Damit setzt sich eine Entwicklung fort, die – wenn auch mit weniger Dynamik – bereits im Herbst 2022 begonnen hatte. Seit September hat der STOXX Europe 600-Index rund 18 Prozent an Wert zugelegt. Damit schnitten europäische Aktien deutlich besser ab als ihre US-amerikanischen Pendants an der Wallstreet. Zum Vergleich: Beim marktbreiten S&P 500-Index stand im gleichen Zeitraum ein Plus von „nur“ 9,4 Prozent zu Buche.

Energie, China und Inflation stützen die Kurse

Für die bessere Wertenwicklung europäischer Aktien gibt es eine Reihe von Gründen. Ein wichtiger Treiber war die Entspannung bei den Energiepreisen, speziell bei Erdgas. Die im Zuge des russischen Angriffskrieges in der Ukraine enorm gestiegenen Notierungen sind wieder deutlich gesunken. Mittlerweile kostet europäisches Erdgas, gemessen etwa an den maßgeblichen TTF-Kontrakten, weniger als vor Kriegsausbruch. Dabei haben sich nicht nur die kurzfristigen Preise, sondern auch die Futures mit längeren Laufzeiten zurückgebildet. Im Vergleich zu anderen Weltregionen sind die Preise zwar immer noch erhöht, das heißt die europäischen Volkswirtschaften haben nach wie vor ein Problem mit Energiekosten. Aber: Es ist kleiner geworden und die Chance auf eine milde Rezession im Euroraum damit größer. Die Volkswirte von Union Investment erwarten für 2023 lediglich einen leichten Rückgang des BIPs um 0,4 Prozent.

Ein weiterer Punkt ist die Kehrtwende der chinesischen Regierung bei ihrer bislang strikten Null-Covid-Politik. Der harte Kurs Pekings hatte das Wachstum belastet und die Lieferketten bedroht. Nun entfällt dieser Hemmschuh. Davon profitiert insbesondere das wirtschaftlich stark in den Welthandel eingebundene Europa. Deutschland kann in dieser Hinsicht als Paradebeispiel gelten. Denn: Für die deutschen Unternehmen ist China nicht nur ein wichtiger Absatzmarkt, es werden auch Vorprodukte (zum Beispiel in der Chemieindustrie) von dort bezogen. Zwar verschwinden mit dem Politikschwenk der Kommunistischen Partei (KP) nicht alle wirtschaftlichen Probleme Chinas. Aber: Die Wachstumsaussichten stabilisieren sich.

Und schließlich hat – nicht zuletzt aufgrund der gesunkenen Energiepreise – der Inflationsdruck abgenommen. Dieser Befund gilt für die Eurozone – aber eben auch global. In der vergangenen Handelswoche untermauerten die Zahlen zur US-Inflation diese Entwicklung. In den Vereinigten Staaten gaben die Verbraucherpreise im Dezember zum sechsten Mal in Folge gegenüber dem Vormonat nach (um 0,1 Prozent). Die Kerninflation ohne Nahrung und Energie stieg zwar im Monatsvergleich um 0,3 Prozent, aber hier verlangsamte sich der Anstieg. Damit verdichten sich die Anzeichen auf ein Ende des Zinserhöhungszyklus der Notenbanken, sowohl in den USA als auch in Europa. Für die europäischen Aktienmärkte sind das gute Nachrichten. Denn: Hier sind die Bewertungen (gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis) unter ihrem langfristigen Durchschnitt und zudem deutlich niedriger als in den USA.

Berichtssaison startet in Europa erst Ende Januar

Entscheidend für den Trend der kommenden Wochen dürfte neben den Entwicklungen bei Wachstum, Inflation und Notenbanken auch die Gewinnsituation der Unternehmen werden. In den USA beginnt in diesen Tagen die Berichtssaison, die Aufschluss über die Einschätzungen in den Chefetagen der Konzerne verspricht. Aus Kapitalmarktsicht besonders relevant sind neben der Entwicklung von Gewinnen und Margen vor allem auch die Ausblicke der Unternehmen. Hier erwarten die Experten von Union Investment eher zurückhaltende Aussagen. Allerdings müssen sich Investoren noch etwas gedulden, bis auch in Europa die Berichtssaison einsetzt. Hier ist erst ab Ende Januar mit Quartals- und Jahresergebnissen zu rechnen.

Aktien entwickelter Märkte belastet, aber kurzfristige Aussichten in Europa besser als in USA

Insgesamt hat sich die Lage für die europäischen Aktienmärkte damit zuletzt gebessert, vor allem im Vergleich zur Wallstreet. Gänzlich ohne Herausforderungen ist die Situation aber nicht. Das haben auch Gewinnwarnungen von Unternehmensseite (zum Beispiel von Logitech oder Sika) gezeigt. Mit dem sich abschwächenden nominalen globalen Wirtschaftswachstum verlangsamt sich auch das Umsatzwachstum der Unternehmen. Der Kostendruck bleibt jedoch hoch und belastet daher die Margen. Zwar wurden die Gewinnschätzungen für das vierte Quartal 2022 über die letzten Monate schrittweise gesenkt, sodass die Unternehmen die Erwartungen erreichen können. Die Unternehmen könnten aber vorsichtig bleiben, was zu weiteren Senkungen der Gewinnprognosen der Aktienanalysten führt. Diese Entwicklung dürfte auch die europäischen Handelsplätze betreffen. Allerdings wirken die skizzierten Verbesserungen bei Energie, China und Inflation unterstützend, sodass die Aussichten kurzfristig etwas besser als in den USA sind.

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