Nach einer Verschnaufpause zum Jahreswechsel haben die Renditen an den internationalen Rentenmärkten ihren Aufwärtstrend seit Anfang Februar weiter fortgesetzt. Treiber sind vor allem die gestiegenen Zinserwartungen, denn die Risikoaufschläge (Spreads) haben sich vergleichsweise wenig verändert. Erstmals im laufenden Zinserhöhungszyklus sind die am Markt gehandelten Erwartungen für den Einlagensatz der Europäischen Zentralbank (EZB) Ende Februar auf vier Prozent gestiegen. Aktuell liegt der Satz bei 2,5 Prozent. Die fünfjährigen Inflations-Swaps für die Eurozone über einen Zeitraum von fünf Jahren (5yo5y) legten zwischenzeitlich auf rund 2,5 Prozent und damit auf den höchsten Stand seit dem Jahr 2012 zu.
Chinas Wirtschaft nimmt Fahrt auf
Hintergrund der Aufwärtsbewegung bei den Renditen ist die anhaltend hohe Inflation. Sie erweist sich als hartnäckiger als erwartet – aufgrund einer trotz diverser Belastungsfaktoren überraschend widerstandsfähigen Konjunktur beidseitig des Atlantiks. Zudem nimmt in China offensichtlich die Konjunkturerholung Fahrt auf. Dies zeigten am 1. März vorgelegte und besser als erwartet ausgefallene Konjunkturdaten. So hat sich insbesondere das produzierende Gewerbe deutlich stärker von den Folgen der bis Anfang Dezember geltenden strikten Anti-Corona-Politik erholt als gedacht. Laut der chinesischen Statistikbehörde ist der Einkaufsmanager-Index (PMI) für die Industrie im Februar auf 52,6 Punkte und damit klar in den expansiven Bereich gestiegen. Es handelt sich um den höchsten Stand dieses Konjunkturindikators seit April 2012.
Außerdem haben die jüngsten Inflationsdaten in Europa nach oben überrascht. So fielen die Werte in Spanien und Frankreich, aber auch in Deutschland höher aus als der Marktkonsens. Die Verbraucherpreise stiegen in Frankreich im Februar im Jahresvergleich um 7,2 Prozent und damit auf den höchsten Stand seit Beginn der Zeitreihe. In Deutschland lag die Inflation unverändert bei 8,7 Prozent im Jahresvergleich (laut Statistischem Bundesamt). Dies, obwohl von der Energiepreisseite her eine Entspannung eingesetzt hat. Das Plus beim harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) für den Euroraum lag im Februar mit 8,5 Prozent nur unwesentlich unter dem Januar-Wert von 8,6 Prozent. Die Kerninflationsrate stieg im Euroraum zuletzt von 5,3 auf 5,6 Prozent.
Die jüngsten Daten von der Teuerungsseite beobachten die führenden Notenbanken wie die Federal Reserve (Fed) in den USA oder die Europäische Zentralbank (EZB) mit Sorge. Am 2. März sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde, die Inflation werde sich verlangsamen, bleibe aber „zu hoch“. Die Notenbank werde alles tun, um die Teuerung auf das EZB-Inflationsziel von rund zwei Prozent zurückzuführen. Allgemein wird zwar ein weiterer Rückgang der Teuerungsdynamik im März aufgrund von Basiseffekten erwartet – dann rutschen kräftige Preissteigerungen aus dem Vorjahr aus der Statistik. Doch zeigen die jüngsten Daten, dass der Rückgang im Bereich der Kerninflation, also ohne schwankungsanfällige Energie- und Nahrungsmittelpreise, flacher ausfallen dürfte als bisher gedacht.
Arbeitsmarkt stützt – und birgt Inflationsrisiken
Nicht zuletzt die robuste Entwicklung auf den Arbeitsmärkten im Euroraum und in den Vereinigten Staaten sowie damit verbunden eine stabile Entwicklung der privaten Einkommensverhältnisse bergen gewisse Aufwärtsrisiken für die Kerninflationsrate. Aus diesem Grund haben die Volkswirte von Union Investment ihre Leitzinsprognosen hochgesetzt. So dürfte die US-Notenbank die Fed Funds Rate um jeweils 25 Basispunkte (BP) im März, Mai und Juni anheben und die Terminal Rate dann bei 5,25 bis 5,5 Prozent liegen. Im Euroraum rechnen sie bei der Kerninflation mit einem leichten Rückgang erst im April. Dies dürfte den Währungshütern noch nicht reichen, um auf der Mai-Sitzung bereits das Tempo der Zinsanhebungen zu drosseln. Eine weitere Verfestigung des Abwärtstrends könnte dann aber der EZB im Juni und Juli den nötigen Spielraum verschaffen, um ihren Anhebungszyklus zu beenden. Im Juni dürfte der Einlagensatz dann mit 3,75 Prozent den Höhepunkt erreicht haben und im deutlich restriktiven Bereich liegen. In der zweiten Jahreshälfte sollte damit die Kerninflation etwas stärker gedämpft, aber auch das Wachstum in der Realwirtschaft belastet werden.
Was lässt sich daraus für die Rentenmärkte ableiten? Aktuell bleibt der Aufwärtsdruck auf die Renditen vor allem im Euroraum bestehen. Seit Jahresanfang haben die Renditen zweijähriger Bundespapiere von 2,76 auf zeitweise über 3,25 Prozent (2. März) angezogen. Die Renditen zehnjähriger Bundesanleihen kletterten im selben Zeitraum von 2,57 auf 2,77 Prozent und damit auf ein Dekaden-Hoch. Die Kurve bleibt somit weiter stark invertiert. Auf Euro lautende Investment-Grade-Unternehmenspapiere rentierten zuletzt mit 4,3 Prozent noch deutlich höher (gemessen am ICE BofA Euro Corporate-Index).
Weiterer Renditeanstieg bei Bundesanleihen erwartet
Am Markt für US-Staatsanleihen ist das Bild teilweise vergleichbar: Im zweijährigen Bereich stiegen die Renditen seit Jahresanfang von 4,43 auf 4,93 Prozent, die zehnjährigen Renditen legten von 3,87 Prozent auf 4,04 Prozent zu, lagen aber im vergangenen Oktober auch schon fast 30 Basispunkte höher. Auch am US-Treasuries-Markt bleibt die Zinskurve somit invers. US-Unternehmensanleihen guter Bonität (Investment Grade) werfen derzeit 5,6 Prozent Rendite ab (gemessen am ICE BofA US Corporate-Index; Stand 3. März).
Die Experten von Union Investment gehen bis zum Ende des laufenden Jahres von einem weiteren leichten Anstieg der Renditen zweijähriger Bundesschätze auf 3,5 Prozent bis Juni (Prognose Ende 2023: 3,3 Prozent) und von zehnjährigen Bundesanleihen auf 2,9 Prozent bis Juni (Ende 2023: 2,9 Prozent) aus. Für US-Treasuries prognostizieren sie im zweijährigen Bereich eine Rendite von 4,75 Prozent bis Juni und von 4,4 Prozent bis Ende 2023 sowie für zehnjährige Anleihen eine Rendite von 4,0 Prozent (Juni bzw. Ende 2023). Angesichts der Möglichkeit einer weiteren Renditeausweitung insbesondere im Euroraum erscheinen derzeit Anlagen mit einer kürzeren Zinsbindungsdauer (Duration) interessant. Da die Zinskurven invertiert sind, bedeutet dies in der Regel keinen Renditeverlust, sondern kann im Gegenteil sogar ermöglichen, attraktivere Renditen aus dem kürzeren Laufzeitenbereich zu vereinnahmen.