Es herrscht konjunkturelle Flaute in Deutschland. Das Bruttoinlandsprodukt stagniert in den ersten drei Monaten des Jahres gegenüber dem Vorquartal. Das belegt, dass sich die Dynamik über die vergangenen Quartale deutlich abgeschwächt hat. Das hat drei Gründe: Erstens hat der Nachfrageschub nach dem Ende der Pandemie an Kraft verloren. Zweitens hat der Wirtschaft der Gegenwind immer stärker ins Gesicht geblasen, da die deutlich gestiegenen Lebenshaltungskosten den Haushalten vor allem wegen der Preissprünge bei Energie und Lebensmitteln zugesetzt haben. Und drittens haben die im letzten Jahr andauernden Sorgen vor Energieengpässen die Investitionstätigkeit der Unternehmen im ersten Quartal gedämpft.
Doch das Glas ist nicht nur halbleer, sondern auch halbvoll. Viele Investoren hatten Schlimmeres befürchtet. Im Vergleich zum stärkeren Rückgang der Wirtschaftsleistung im vierten Quartal des Vorjahres hat sich die Wirtschaft offenbar stabilisiert. Und man sollte auch nicht vergessen, dass viele Analysten vor einiger Zeit noch deutlich pessimistischere Prognosen gemacht hatten. Seinerzeit rechneten viele mit einer Gasmangellage und einer Rezession von mehr als einem Prozent. So betrachtet hat sich die deutsche Wirtschaft als erstaunlich widerstandsfähig erwiesen. Neben den ungewöhnlich warmen Temperaturen im Winter half der Wirtschaft, dass sie ihre Auftragsbestände abarbeiten konnte und China nach den Jahren der Lockdowns wieder dynamischer wächst.
Deshalb, und darauf deuten Frühindikatoren wie etwa das Ifo-Geschäftsklima hin, könnte die Dynamik mit Blick auf das zweite Quartal durchaus zulegen. Allerdings dürften in der zweiten Jahreshälfte die schlechteren Finanzierungsbedingungen als Folge der strafferen Geldpolitik der Europäischen Zentralbank sowie die restriktivere Kreditvergabe der Banken ihre bremsende Wirkung immer mehr entfalten. Damit dürfte die deutsche Konjunktur ab Sommer eher dahinplätschern.
Von Dr. Jörg Zeuner, Chefvolkswirt, Union Investment