ESG-Bilanzanalyse: Von der Mine zum Windrad​

Was wiegt schwerer bei Ressourcen mit ambivalenter ESG-Bilanz?​ Union Investment | 08.05.2023 15:00 Uhr
© Foto von Ralph Olazo auf Unsplash
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Das Wichtigste für Sie in Kürze

  • Dekarbonisierung der Wirtschaft nur durch den Einsatz bestimmter natürlicher Ressourcen zu erreichen 
  • Probleme bei der Förderung führen teilweise zu uneinheitlichem ESG-Profil 
  • Systematische Einzelfallanalyse für ausgewogene Anlageentscheidungen bei Rohstoffen unerlässlich 

Abbau natürlicher Ressourcen erzeugt ESG-Zielkonflikte   

„Der nachhaltigste Rohstoff ist der, der in der Erde bleibt!“ Diese kompromisslose Überzeugung wird mitunter von Umweltschützern vertreten, wenn es um den Abbau von natürlichen Ressourcen geht. Fragen nachhaltigen Investierens hingegen stellen sich eigentlich erst, sobald Rohstoffe gefördert werden. Denn dies ist aus ESG-Sicht in manchen Fällen mit Problemen verbunden. Andererseits: Ohne den vermehrten Einsatz bestimmter, nicht-fossiler Rohstoffe ist der Kampf gegen den Klimawandel nicht zu gewinnen. Wie sind in diesem Spannungsfeld Investments in Rohstoffe zu beurteilen – gerade auch unter ESG-Gesichtspunkten?  

In dieser Frage stecken einige grundsätzliche Punkte für nachhaltige Investmententscheidungen: 

  • Selbst dann, wenn Produzenten sich um Nachhaltigkeit bemühen, enthalten Wertschöpfungsketten von Gütern – und die darin enthaltenen Rohstoffe – neben positiven häufig auch negative ESG-Aspekte. Oft bestehen Zielkonflikte: So ist etwa die Kupferförderung immer ein Eingriff in die Natur, Kupfernutzung in einem Windrad aber klimafreundlich. Daraus resultiert zunächst die Frage: Ist es überhaupt vertretbar, negative und positive Nachhaltigkeitseffekte gegeneinander aufzuwiegen?  
  • Sofern man dies grundsätzlich bejaht – wie genau soll ein Asset Manager im Einzelfall gegenläufige ESG-Effekte bewerten, zumal diese häufig nicht quantifizierbar sind? Wie lässt sich die Frage beantworten, ob und warum bestimmte ESG-Aspekte relevanter sind als andere? Bei Union Investment stellen systematische Analysen die Basis für solch eine Gesamtbeurteilung dar. Im Rohstoffbereich sehen wir in Summe beispielsweise Kobalt aus ESG-Sicht kritisch, bei Kupfer hingegen überwiegen letztlich die positiven Aspekte. 
  • Auch in zeitlicher Dimension können Investmententscheidungen zu einem Spannungsfeld führen: Wie sind unter ESG-Gesichtspunkten Belastungen in der Gegenwart gegenüber dem Nutzen in der Zukunft zu bewerten – eine im Kontext des Klimawandels typische Konstellation? Beispielsweise kann man argumentieren, dass der langfristige Nutzen aus der Kupferverwendung kurzfristige ESG-Bedenken „übertrumpft“.

Wertschöpfungskette von Rohstoffen mit ambivalenter ESG-Bilanz 

Worin besteht im Lichte dieser grundsätzlichen Fragen genau der Zielkonflikt beim Thema Rohstoffe? Die kurzen Beispiele zuvor deuten dies bereits an: Ausgangspunkt ist die notwendige Begrenzung des Klimawandels. Damit dies gelingt, muss die Wirtschaft durch eine verringerte Nutzung fossiler Brennstoffe dekarbonisiert werden. Als Energieersatz ist der schnelle und breite Ausbau alternativer Energiequellen zur Erzeugung grünen Stroms entscheidend, etwa durch Windkraft- und Solaranlagen (Renewables). Für die Errichtung solcher Anlagen, aber auch für den Bau dafür notwendiger Infrastruktur und möglicher Speichersysteme, sind bestimmte natürliche Ressourcen unverzichtbar. Ohne große Mengen etwa an Kupfer, Aluminium, Nickel, Silber und Silizium (speziell im Bereich Photovoltaik) ist das Ziel der Klimaneutralität nach heutigem Stand nicht zu erreichen. Bereits jetzt ist deshalb die Nachfrage nach ausgewählten Rohstoffen hoch und hat zu deutlichen Preissteigerungen geführt. Die zunehmende Dynamik beim Ausbau von Renewables sollte diesen Trend bei den entsprechenden Rohstoffen weiter unterstützen. Die Folge: In vielen Fällen ist die Erschließung zusätzlicher Rohstoffvorkommen notwendig, um die steigende Nachfrage auch in der Zukunft bedienen zu können. Unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten verstärkt der vermehrte Abbau natürlicher Ressourcen jedoch ein bereits bestehendes Spannungsfeld. Denn bei einer ESG-Analyse von Rohstoffen zeigt sich, dass verschiedene Nachhaltigkeitsaspekte in einem Widerspruch zueinander stehen: 

Herausforderungen, die im Zusammenhang mit der Förderung und Erstverarbeitung entstehen (Gewinnungsphase): 

  • Ökologische Belastungen treten vor allem beim Abbau auf und können zu Umweltverschmutzungen, einer Gefährdung der Biodiversität und zu exzessiver Wassernutzung führen. 
  • Soziale Probleme können während der Förderung etwa durch Kinderarbeit und die Beeinträchtigung indigener Völker auftreten. 
  • Politische Abhängigkeiten von unfreien und autokratischen Staaten wie etwa Russland sind bei einigen Rohstoffen und seltenen Erden derzeit kaum vermeidbar.

Chancen, die sich aus der Nutzung ergeben (Verwendungsphase):

  • Das ökologische Ziel der Dekarbonisierung der Wirtschaft ist nur durch den massiven Ausbau von Renewables möglich. Dafür ist technologisch eine ausreichende Menge bestimmter Rohstoffe notwendig. 
  • Der Ausbau erneuerbarer Energiequellen verringert die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern, aus (teilweise) ebenfalls kritischen Staaten und begrenzt die mit der Förderung von Kohle, Öl und Gas verbundenen Umweltprobleme – etwa beim Fracking. 

Zusammengefasst: Ausgewählte Rohstoffe generieren über ihre Verarbeitung einen Nachhaltigkeitsnutzen, dem aber negative ESG-Effekte in der Gewinnung gegenüberstehen. Können Rohstoffinvestments in solch einer Konstellation überhaupt nachhaltig sein? Kann man auf einer „Nachhaltigkeitswaage“ bestimmen, ob die Probleme oder die Chancen das größere Gewicht haben?  

Investmententscheidungen erfordern Priorisierung von ESG-Zielen 

Vermögensverwalter wie Union Investment sind durch ihre Anlageentscheidungen in die Diskussion um natürliche Ressourcen eingebunden. Bei Investments in Rohstoffe, aber auch in Unternehmen, die Rohstoffe produzieren oder sie in größerem Umfang nutzen, müssen Asset Manager das zuvor beschriebene „Für und Wider“ abwägen. Dies ist, wie die vorstehenden Ausführungen verdeutlicht haben, in jedem Fall ein schmaler Grat. Für Union Investment steht dabei fest: Grundlage einer Investmententscheidung ist die Betrachtung der gesamten Wertschöpfungskette. Gleichzeitig ist Union Investment davon überzeugt, dass unter ESG-Gesichtspunkten die dringend erforderlichen Anstrengungen gegen den Klimawandel aktuell die größten gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen darstellen. Schließt man sich dieser Überzeugung an, erscheint es grundsätzlich legitim, das Ziel der Dekarbonisierung gegenüber anderen Nachhaltigkeitszielen zu priorisieren – allerdings nicht um jeden Preis. Letztlich sind also Einzelfallentscheidungen notwendig. Vollständig widerspruchsfreie Lösungen sind dabei selten. Das bedeutet: Investmentansätze und -entscheidungen im Zusammenhang mit natürlichen Ressourcen sind unter Nachhaltigkeitsaspekten immer auch ein Stück weit angreifbar. 

Transparente Entscheidungsregeln verbessern die Akzeptanz 

Aktive und nachhaltig orientierte Asset Manager wie Union Investment müssen deshalb ihre Anlageentscheidungen möglichst transparent und glaubhaft belegen. Dafür sind systematische und auf die jeweilige Assetklasse zugeschnittene Auswahlprozesse eine zentrale Voraussetzung: 

Anlagen in Rohstoffe: 

  • Generell erfolgt bei Union Investment ein wertebasierter Ausschluss von Investments in Agrar-Rohstoffe, aber auch von Uran, dem entscheidenden Rohstoff für die Atomindustrie. 

Speziell bei nachhaltig orientierten Anlagekonzepten gilt: 

  • Rohstoffarten deren Produktionsprozesse und Verwendung zu besonders hohen ESG-Belastungen führen, werden gemieden, so etwa fossile Brennstoffe wie Kohle, Öl und Gas. Denn deren CO2-Emissionen sind maßgeblich für den Klimawandel verantwortlich. 
  • Der Fokus liegt auf denjenigen Rohstoffarten, die essenziell für eine nachhaltige Transformation sind. Nur die nach Abwägung aller ESG-Aspekte sinnvollsten Rohstoffe werden berücksichtigt. Zwei Beispiele: Kupfer ist ein entscheidender Inputfaktor für den Bau von Anlagen im Bereich erneuerbare Energien und für die Strominfrastruktur. Der positive Verwendungsnutzen ist unumstritten. Aber: Der industrielle Abbau führt auch bei Kupfer zu ökologischen Belastungen – etwa bei der Wassernutzung. Unter sozialen Gesichtspunkten bestehen ebenfalls Probleme – allerdings in geringerem Umfang als bei anderen Metallen. Denn Kupfer wird in politisch weniger kritisch eingestuften Ländern wie etwa Peru und Chile abgebaut. In Summe überwiegt für Union Investment der positive Verwendungsnutzen von Kupfer die bestehenden Probleme in der Gewinnungsphase. Anders gelagert ist die Situation bei Kobalt. Das Metall wird zwar dringend für die Batterieproduktion und Mobilitätswende gebraucht. Allerdings ist bei Kobalt die Abhängigkeit vom Hauptexportland (DR Kongo) extrem stark. Die vielfältigen sozialen Probleme bei der Förderung wiegen für Union Investment schwerer als der Verwendungsnutzen. Das führt in diesem Falle zu einer negativen Gesamtbeurteilung für Nachhaltigkeitsanlagen. 

Anlagen in Rohstoff-Unternehmen: 

  • Im Rahmen nachhaltig orientierter Investmentansätze werden grundsätzlich solche Unternehmen ausgeschlossen, die besonders kritische Kontroversen in ihrer geschäftlichen Tätigkeit aufweisen, eine unterdurchschnittliche ESG-Bewertung im Branchenvergleich besitzen oder die keine glaubhafte, nachhaltige Transformationsstrategie vorweisen. So wurde bereits vor dem Beginn des Ukraine-Kriegs das russische Unternehmen Norilsk Nickel als Investment ausgeschlossen. Mehrere schwerwiegende Verfehlungen in den Bereichen Ökologie und Arbeitnehmerrechte, trugen zu der Entscheidung bei. 
  • Analog zur Entscheidung bei Rohstoffinvestments sind solche Unternehmen interessant, die – neben weiteren ESG-Aspekten – auf einen umwelt- und klimaschonenden Ressourceneinsatz achten und Offenheit im Engagement-Dialog zeigen. Positive Beispiele sind die skandinavischen Unternehmen SSAB aus Schweden und die norwegische Norsk Hydro – auch wenn sie Rohstoffe nicht selbst fördern, sondern diese weiterverarbeiten. SSAB ist ein Vorreiter bei der Produktion von „grünem“ Stahl, der zu einem kleineren CO2-Fußabdruck des Unternehmens beiträgt. Norsk Hydro setzt bei seiner Aluminiumproduktion stark auf Wasserkraft als Energiequelle, wodurch ebenfalls eine merkliche CO2-Reduktion in der Produktion erzielt wird. 

Solchermaßen systematische Prozesse des Asset Managers sollen letztlich sicherzustellen, dass die grundsätzliche Priorisierung des Ziels der Dekarbonisierung bei jedem einzelnen Rohstoff- und Unternehmensinvestment nachvollziehbar begründet werden kann. Risiken und mögliche Reputationsschäden aus Rohstoffinvestments können damit zwar nicht vollständig ausgeschlossen werden. Aber: Kritische Aspekte sind integraler Bestandteil der Analyse, werden nicht ausgeblendet und fließen in die Gesamtbewertung ein. 

Fazit 

Union Investment ist überzeugt, dass für eine konsequente Dekarbonisierung der Wirtschaft der Einsatz bestimmter natürlicher Ressourcen unerlässlich ist. Gleichwohl sind nicht alle Investments in solche Rohstoffe – oder auch in Unternehmen, die diese Rohstoffe nutzen – damit automatisch nachhaltig. Es kommt auf den Einzelfall an – und das bedeutet: Es bedarf einer systematischen Analyse, um zu einer ausgewogenen Investmententscheidung zu kommen. Dabei werden nicht nur Chancen durch die Nutzung für grüne Technologien positiv bewertet. Auch ökologische und soziale Herausforderungen beim Abbau der Rohstoffe sowie geopolitische Abhängigkeiten werden gezielt berücksichtigt. Auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Selektionsprozesse helfen Union Investment dabei, hier die „Spreu vom Weizen“ zu trennen. Nichtsdestotrotz: Derartige Investmententscheidungen stellen auch im Falle einer positiven Gesamtbeurteilung einen schmalen Grat dar. Asset Manager sind deshalb grundsätzlich gefordert, das beschriebene Spannungsverhältnis bei natürlichen Ressourcen gegenüber Anlegern und der Öffentlichkeit transparent zu erläutern. Nur so können Missverständnisse vermieden werden.

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