Thematisches Investieren ist kein Modetrend, sondern ein zentraler Baustein in der Vermögensanlage. Entsprechend steigt die Nachfrage von privaten und institutionellen Anlegern und trifft auf ein wachsendes Angebot. Laut dem Analysehaus Morningstar waren im Jahr 2022 zeitweise über 850 Milliarden Euro im Bereich „Thematisches Investieren“ angelegt. Allein in den Jahren 2019 bis 2022 wurden mehr als 500 neue Themenfonds aufgelegt. Das ist gut so, denn das neue Kapitalmarktumfeld verlangt mehr denn je eine diversifizierte Anlagestrategie für stabilere Depots. Wer auf die richtigen Themenanlagen setzt, profitiert von langfristigen und stabilen Wachstumstrends.
Mit Themenanlagen Wachstumstrends nutzen
Warum ist ein themenbasiertes Investieren in der Kapitalmarktanlage vielversprechend? Es setzt bei der Einzeltitelauswahl – anders als in einer klassischen Bottom-Up-Selektion – auf übergeordnete makroökonomisch, regulatorisch oder geopolitisch ausgelöste Wachstumstreiber.
„Thematisches Investieren ist kein Modetrend, sondern ein zentraler Baustein in der Vermögensanlage.“ - Tobias Schmidt
So lassen sich stabile Trends mit guten Wachstums- und Gewinnaussichten oder langfristige Investitionen, die regulatorische und fiskalische Unterstützung genießen, identifizieren. Daraus resultiert in der Regel eine belastbarere Prognostizierbarkeit von Ertragsströmen. Dieser Top-Down-Ansatz führt zu einer anderen Gewichtung in der Titelauswahl als in einem reinen Bottom-Up-Aktienportfolio. Der Grund: Die Auswahl ist nicht allein von Unternehmenskennzahlen, sondern auch von übergeordneten Faktoren getrieben.
Das aktuelle Marktumfeld zeigt, wie wichtig und sinnvoll eine thematische Auswahl sein kann. Der Großmachtwettbewerb zwischen den USA und China sowie jeweils befreundeten Staaten hat zum Paradigmenwechsel in der Kapitalanlage geführt. Geopolitische Unsicherheit ist allgegenwärtig – abgesehen vom Angriffskrieg auf die Ukraine wären etwa die steigenden Spannungen um Taiwan zu nennen. Die damit verbundene Um- oder Neugruppierung von Lieferketten bei strategisch wichtigen Gütern hat großvolumige Investitionsprogramme von Staaten und Unternehmen ausgelöst. Zeitgleich erleben wir die Auswirkungen der Umweltkrise: Der nachhaltige Umbau der Wirtschaft zieht einen erheblichen Investitionsbedarf nach sich, der strukturelle Anlagemöglichkeiten für Investoren eröffnet.
Unsere volkswirtschaftlichen Experten erwarten daraus einen Investitionsboom und ein langfristig erhöhtes Wachstum. Damit einher geht die Erwartung stärkerer Konjunkturzyklen. Eine höhere Zyklizität führt am Aktienmarkt zu größeren Schwankungen. Bisher gültige Anlagerezepte lassen sich deshalb nicht unverändert fortschreiben. Damit im unruhigeren Fahrwasser wieder mehr Stabilität ins Portfolio kommt, braucht es eine Erweiterung der Anlagestrategie. Ein Mehr an Robustheit kommt kaum noch durch eine regionale oder sektorale Streuung zustande. Stattdessen sollten Anleger auf Unternehmen in langfristigen, stabilen Wachstumstrends setzen.
Automatisierung langfristig ein attraktiver Schwerpunkt
Doch welche Trends bieten sich für Investoren an? Ein Schwerpunkt ist sicher die zunehmende Automatisierung der Produktion, und zwar nicht nur in der Industrie, sondern auch in anderen Bereichen wie im Gesundheitswesen. Die Treiber sind unterschiedlich. Der Arbeitskräftemangel, eine damit verbundene Lohninflation und der daraus entstehende Kostendruck zwingt viele Unternehmen zum Handeln.
Eine Lösung führt über eine effizientere Produktion und eine stärkere Automatisierung. Durch die Digitalisierung lassen sich in der Industrie bislang brach liegende Möglichkeiten umsetzen. Ein Beispiel: In der Schraubenproduktion wird durch eine Sensortechnik am Ende des Produktionsprozesses überprüft, ob die gewünschte Qualität erreicht wurde. Aber auch Online-Handels- oder Logistikunternehmen verfeinern ihre Prozesse durch eine immer ausgeklügeltere Automatisierung.
Auch der vor dem Hintergrund des Großmachtwettbewerbs vorhandene Druck, Lieferketten für strategische Güter und Dienstleistungen in „befreundete“ Länder zu verschieben, bedarf der Automatisierung. Nur so lässt sich eine Verlagerung von Produktionsanlagen in Hochlohnländer ohne starke Effizienz- und Kostennachteile umsetzen. Dazu müssen arbeitsintensive Produktionsschritte automatisiert werden.
Das Spektrum ist groß. Das kann bei der Fertigung essenzieller Güter wie etwa Halbleiterchips beginnen, aber auch etwa in der Autobranche in der Herstellung von Kabelbäumen. Ohne sie kann eine ganze Branche nicht mehr produzieren, wie sich beim Produktionsstopp eines Werks für Kabelbäume in der Ukraine gezeigt hat. Zudem benötigt die Verlagerung von Lieferketten viel Zeit: Apple will sich unabhängig von China machen und verlagert seine Produktion nach Indien. Tatsächlich konnten in fünf Jahren nur rund sieben Prozent der gesamten Produktion nach Indien verschoben werden.
Durch mehr Digitalisierung lässt sich die Automatisierung auch in Branchen umsetzen, die bisher davon nicht so stark erfasst sind. Ein Beispiel ist der Gesundheitssektor mit dem Auslesen von MRT-Scans oder modernen Operationstechniken, was zu kürzeren Krankenhausaufenthalten führen kann.
Für eine Anlage kommen hier Industrieunternehmen aus Japan, USA oder Europa in Frage, die ein starkes Portfolio in Automatisierung haben. Sehr aktiv sind hier Siemens, Parker Hannifin oder Keyence. Rückenwind dürfte aus einem steigenden Umsatzanteil des Automatisierungsgeschäfts bei diesen Spezialisten kommen. Er sollte perspektivisch deutlich zunehmen, wird vom Markt aber bisher erst in Teilen eingepreist. Prognosen lassen eine Verdopplung des Marktes bis zum Jahr 2030 auf rund 400 Mrd. US-Dollar erwarten.
Investitionsprogramme fördern Halbleiter- und Batteriefertigung
Ein weiterer thematischer Schwerpunkt für die Anlage ist der Ausbau der Halbleiterfertigung und damit verbundenen Vorprodukten. Dieser Markt ist langfristig auf dem Wachstumspfad. Es ist eine Wechselfunktion: Der klimaorientierte Umbau der Wirtschaft braucht mehr Halbleiter, etwa in der Elektromobilität. Damit verbunden sind die Verbesserung von Batterietechnologien und neue Formen der Rohstoffbeschaffung. Zugleich soll aus geostrategischen Gründen die wachsende Nachfrage nach Halbleitern stärker aus heimischen Quellen befriedigt werden. Sowohl in den USA wie in Europa besteht ein strategisches Interesse, unabhängiger von Lieferketten aus Asien bzw. China zu werden.
Die USA haben mit dem Chips Act sowie dem Inflation Reduction Act (IRA) bereits großvolumige Stimulusprogramme aufgelegt, die Unternehmen aus den betroffenen Bereichen eine Visibilität an Unterstützungsleistungen von rund zehn Jahren bieten. Die Ansiedlung der Chipproduktion in den USA hat bereits erste Früchte getragen, etwa mit einer zweiten Fabrik des taiwanesischen Anbieters TSMC im Bundesstaat Arizona. Noch offen ist, ob das ambitionierte Ziel der Europäischen Union, bis 2030 den globalen Anteil von in Europa produzierten Chips von unter 10 Prozent auf 20 Prozent zu steigern, mit den kürzlich beschlossenen Maßnahmen auch erreicht werden kann.
Am Kapitalmarkt lässt sich daran durch Investitionen in ausgesuchte Halbleiterhersteller und Batterieproduzenten teilhaben. In dem Markt aktiv sind Unternehmen wie Micron, Samsung SDI oder LG Energy Solution. Insbesondere südkoreanische Batteriehersteller profitieren von den US-Förderungen über ein Freihandelsabkommen mit den USA.
Keine Hype-Themen im Fokus
Auf langfristige Anlagethemen zu setzen, bedeutet Geduld zu haben. Bei Investitionsvorhaben sind lange Vorlaufzeiten bis zur Umsetzung nötig. Dafür bieten die genannten Trends eine gewisse Planbarkeit, und das Potenzial ist durch staatliche Investitionsprogramme sowie regulatorische Vorgaben – etwa im Klimaschutz – noch nicht ausgeschöpft. Insbesondere die Automatisierung federt in gewissem Umfang die gestiegene Inflation ab. Denn die Produkte der Automatisierungsdienstleister bieten Lösungen für strukturell höhere Kosten. Insgesamt eignen sich Anlagen in langfristigen Wachstumsthemen damit, einen Wertpapierbestand stabiler zu machen.
Mit den höheren Zinsen spielen auch Gewinntrends, die von funktionierenden Geschäftsmodellen unterstützt sind, eine größere Rolle beim Anlageerfolg. Es sind eben nicht die Hype-Themen im Fokus, sondern gut unterstützte Geschäftsmodelle. Über die thematische Top-Down-Analyse lassen sich die geeigneten Titel auswählen und zu einem passenden Portfoliobaustein als Ergänzung eines Kern-Anlageportfolios zusammensetzen. Das ermöglicht eine bessere Risikostreuung, weil es sich um einen Ansatz handelt, der im Markt (noch) nicht so weit verbreitet ist und bei dem sich keine überbordenden Anlagesummen versammeln.
Von Tobias Schmidt, Leiter Multi Asset und Mitglied des Union Investment Committee