- Konjunkturaufschwung nach schwachem Winterhalbjahr
- Inflation im flachen Abwärtstrend
- Leitzinsplateau reicht bis ins zweite Halbjahr
- Aktien als favorisierte Anlageklasse, Selektion ist Trumpf
- Herausforderndes, aber auch aussichtsreiches Kapitalmarktjahr 2024
Konjunkturaufschwung nach schwachem Winterhalbjahr
Bei den vier Schlüsselfaktoren für die Kapitalmärkte – Wachstum, Inflation, Geldpolitik und Finanzmarktstabilität – sieht Engels Fortschritte, aber noch keine endgültige Entwarnung. „In den USA verdichten sich die Hinweise auf eine sanfte Landung der Konjunktur“, analysiert er. Zwar rechnet er über die Wintermonate durch auslaufende Pandemieprogramme, eine Normalisierung am Arbeitsmarkt und eine gedämpfte Investitionstätigkeit mit einer Verlangsamung der Wachstumsdynamik in der für die Kapitalmärkte wichtigsten Volkswirtschaft. Aber: „Eine Rezession erwarten wir nicht“, stellt Engels klar. In der zweiten Jahreshälfte sollten wieder anziehende Investitionen das Wachstum ankurbeln, unter anderem getrieben vom Inflation Reduction Act (IRA). „Auf Jahressicht dürften die Vereinigten Staaten um rund 1,5 Prozent wachsen“, fasst er zusammen.
Europa tut sich derweil wirtschaftlich schwerer. „Der Euroraum wird nur knapp an der Rezession vorbeischrammen“, meint Engels und verweist auf die straffen Finanzierungsbedingungen. Aufgrund einer Stabilisierung der Realeinkommen rechnet er aber auch hier ab dem Sommer mit einer Rückkehr in Richtung Trendwachstum. „Für 2024 sind 0,5 Prozent Wachstum im Euroraum drin. In Deutschland liegt das Wachstum etwas darunter, da die deutsche Volkswirtschaft mit einem ganzen Bündel an Herausforderungen konfrontiert ist.“
Inflation im flachen Abwärtstrend
Bei der Teuerung sieht der Kapitalmarktvorstand den Höhepunkt längst erreicht. „Die Inflation sinkt, mittlerweile auch in der Kernrate. Dieser Trend wird 2024 anhalten“, sagt er und verweist auf die Entspannung bei den Energiepreisen und die Normalisierung des Güterangebots nach der Pandemie. Gleichzeitig rechnet Engels aber damit, dass der weitere Rückgang nur langsam vorankommt. „Die einfachen Fortschritte bei der Inflationsbekämpfung haben wir schon gesehen. Der weitere Weg zurück zu den Inflationszielen der Notenbanken wird mühsam“, erwartet er. Insbesondere der in vielen Volkswirtschaften enge Arbeitsmarkt verhindert schnell fallende Teuerungsraten.
Leitzinsplateau reicht bis ins zweite Halbjahr
Nach den schnellen und scharfen Anhebungen dürfte der Leitzinsgipfel in den USA und Europa nunmehr erreicht sein. „Wir erwarten keine steigenden Leitzinsen mehr in diesem Zyklus. Die nächsten Schritte werden nach unten gehen“, so Engels. Angesichts der fallenden Inflationsraten und des mittlerweile recht hohen Renditeniveaus hält er weitere Verschärfungen der restriktiven Geldpolitik für nicht mehr notwendig. „Die Notenbanken können das Zinsniveau jetzt auf die Realwirtschaft wirken lassen.“ Gleichzeitig bleibt der Abwärtstrend bei der Teuerung jedoch flach. Das spricht laut Engels dafür, dass die Notenbanken die Leitzinsen so schnell nicht absenken werden.
„Hoch für längere Zeit – aber eben nicht noch höher als bislang schon“, fasst er zusammen. „Der erreichte Zinsgipfel wird sich in den kommenden Monaten zu einem Zinsplateau verfestigen.“ Erst ab Mitte 2024 könnten die Zentralbanken angesichts der nachlassenden Inflation zu Leitzinssenkungen übergehen. Im Falle der US-Notenbank Fed rechnet Engels bis zum Jahresende 2024 mit Senkungen um bis zu 100 Basispunkten, bei der Europäischen Zentralbank (EZB) hält er bis zu 75 Basispunkte für realistisch. „Diese Zinssenkungen stellen keine geldpolitische Lockerung im eigentlichen Sinne dar. In den USA führen sie dazu, dass der Realzins im Jahresverlauf 2024 etwas sinkt, im Euroraum verhindern sie angesichts der fallenden Inflationsraten einen weiteren Anstieg“, ergänzt er.
Aktien als favorisierte Anlageklasse
Die Kombination aus graduell besseren Wachstumsaussichten, nachlassender Inflation und ersten Leitzinssenkungen dürfte nach Einschätzung des Kapitalmarktstrategen dazu führen, dass Aktien auf Jahressicht die besten Perspektiven aufweisen. „Die positiven Treiber kommen vor allem in der zweiten Jahreshälfte zum Tragen“, schränkt er zwar ein. Das Potenzial für Kursanstiege dürfte aber in etwa dem Wachstum der Gewinne entsprechen, die Engels mit bis zu zehn Prozent auf Indexebene beziffert. Bei Sektoren und Stilrichtungen rät er zu einer ausgewogenen Aufstellung. „Wir rechnen in fast allen Sektoren mit Gewinnwachstum, aber eben nicht bei allen Unternehmen. Für den Anlageerfolg wird es also weniger auf die Allokation als auf die Selektion ankommen.“
Bei sicheren Staatsanleihen erwartet Engels keinen breit angelegten Renditerückgang. „Die Leitzinssenkungen der Notenbanken dürften dazu führen, dass vor allem bei kurzlaufenden Papieren die Renditen sinken. Bei den längeren Laufzeitenbändern wirkt der bessere Wachstumsausblick und der hohe Refinanzierungsbedarf in den nächsten Jahren einem Rückgang jedoch teilweise entgegen“, analysiert er. In der Folge rechnet Engels unter starken Schwankungen bei zweijährigen US-Staatsanleihen mit einem Rückgang der Renditen bis zum Jahresende auf 3,75 Prozent, während sie bei zehnjährigen Papieren nur auf lediglich 4,25 Prozent zurückgehen dürften. Im Euroraum ist mit einer ähnlichen Entwicklung zu rechnen. Hier geht Engels per Ende 2024 von einem Renditeniveau von 2,5 Prozent bei zweijährigen und 2,7 Prozent bei zehnjährigen Bundesanleihen aus. Bei Staatsanleihen aus der europäischen Peripherie sieht er ein zweigeteiltes Bild: Während einige Länder wie Griechenland oder Portugal ihre fiskalische Position stabilisiert haben, sieht er Italien vor wachsenden Herausforderungen.
Anleger, die auf der Suche nach Renditeaufschlägen sind, rät Engels zu Unternehmensanleihen guter Bonität (Investment Grade). „Sowohl die absolute Rendite als auch die Spreads sind attraktiv, die fundamentale Situation der Unternehmen ist gut“, meint er. Hochverzinsliche Anleihen – sog. High Yields – sieht er zwar unter Renditegesichtspunkten als interessant an. „Die hohe Verzinsung kommt aber angesichts gestiegener Refinanzierungskosten für die Unternehmen nicht ohne Risiko. Bei High Yield ist also eine besonders sorgfältige Titelauswahl gefragt.“
Bei den Rohstoffen sind die Industriemetalle als strukturelle Gewinner die Favoriten im Jahr 2024. Der belastende Einfluss des schwachen chinesischen Immobilienmarkts auf die Nachfrage sollte abnehmen. Anders bei Rohöl: „Solange eine Eskalation im Nahen Osten ausbleibt, verfügen Energierohstoffe nur über ein begrenztes Aufwärtspotenzial“, kommentiert Engels.
Herausforderndes, aber auch aussichtsreiches Kapitalmarktjahr 2024
Geopolitische Risiken wie der Konflikt zwischen Israel und der Hamas, aber auch die Spannungen zwischen den USA und China sowie die US-Wahlen sind dabei nur eine der möglichen Herausforderungen für das Kapitalmarktjahr 2024. Auch bei den fundamentalen Schlüsselfaktoren Konjunktur, Inflation, Geldpolitik und Finanzmarktstabilität sind nicht alle Unsicherheiten beseitigt. Dennoch sieht Engels hier deutliche Fortschritte, die sich in den nächsten Monaten weiter verfestigen sollten. „Die Lage bessert sich langsam, aber stetig – und zwar auf allen für die Kapitalmärkte besonders relevanten Feldern. Die Wintermonate dürften dabei noch eher schwierig bleiben, bevor sich die Perspektiven für Risikoanlagen im weiteren Jahresverlauf zunehmend verbessern.“ Daher rät er Investoren, die Chancen an den Kapitalmärkten nicht aus den Augen zu verlieren. „Das Kapitalmarktjahr 2024 dürfte herausfordernd, aber eben auch aussichtsreich werden“, fasst er zusammen.