- Europawahl im Juni: Rechtspopulistische Machtverschiebung voraus?
- US-Präsidentschaftswahl: „Weiter so“ das wahrscheinlichste Szenario
- Großmachtwettbewerb zwischen USA und China verschärft sich
- Weitere Konfliktherde voraussichtlich mit begrenzter Kapitalmarktwirkung
- Kapitalmarktumfeld aussichtsreich, aber Geopolitik mit Störpotenzial
Europawahl im Juni: Rechtspopulistische Machtverschiebung voraus?
Die Wahl zum Europäischen Parlament vom 6. bis zum 9. Juni könnte laut Engels einen Einfluss nach entsprechendem Muster ausüben: „Europawahlen haben typischerweise kaum einen kurzfristigen Effekt auf die Kapitalmärkte – und das dürfte 2024 nicht anders sein.“ Allerdings sieht er die Europäische Union (EU) derzeit vor vielen Herausforderungen. Denn: „Die Wettbewerbsfähigkeit Europas ist angeschlagen.“ Zudem weist Engels auf die veränderten geopolitischen Rahmenbedingungen hin. „Die Weltordnung ist heute durch die Rückkehr des Großmachtwettbewerbs zwischen den USA und China geprägt. Die EU tut sich schwer damit, hier eine einheitliche Position zu entwickeln und entschlossen die Konsequenzen daraus zu ziehen.“ Schließlich stehen der transatlantischen Anbindung an die Vereinigten Staaten wirtschaftliche Interessen in China gegenüber. „Diese offene Frage der Verortung zwischen zwei rivalisierenden Machtblöcken hat unmittelbare Auswirkungen auf die EU-Wirtschaft und hemmt das Wachstumspotenzial der Unternehmen“, stellt Engels heraus.
Bei der Europawahl im Juni könnten nach aktuellen Umfragen rechtspopulistische Kräfte gestärkt werden. „Eine rechtspopulistische Machtverschiebung dürfte die EU bei der Lösung ihrer Probleme weiter hemmen“, fürchtet der Kapitalmarktstratege. Insbesondere bei der Unterstützung der Ukraine, der Förderung der grünen Transformation und der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit könnte nach Einschätzung von Engels eine Blockade drohen. „Der Wahlausgang dürfte zwar kaum kurzfristige Auswirkungen auf die Finanzmärkte haben. Strukturell könnte aber die Wettbewerbsfähigkeit der EU leiden.“
US-Präsidentschaftswahl: „Weiter so“ das wahrscheinlichste Szenario
Zudem dürfte der Wahlkampf um das US-Präsidentschaftsamt das Kapitalmarktsentiment mitbestimmen. „Unser wahrscheinlichstes Szenario ist entgegen den aktuellen Umfragen ein Sieg von Amtsinhaber Joe Biden und damit eine Fortführung der aktuellen Außen- und Wirtschaftspolitik“, analysiert Engels. „Für die Kapitalmärkte wäre diese Berechenbarkeit eine gute Nachricht.“
Besonders im Fokus der Finanzmärkte dürfte die Frage stehen, was im Falle eines Wahlsiegs seines voraussichtlichen republikanischen Gegenkandidaten Donald Trump zu erwarten wäre. „Sollte Trump die Wahl gewinnen, wären aus Kapitalmarktsicht weitreichende Folgen zu erwarten“, prognostiziert er. Denn: „Eine zweite Amtszeit dürfte in vielerlei Hinsicht drastischer ausfallen, da kaum noch dämpfende Einflüsse vorhanden sind. Während in der ersten Amtszeit moderate Stimmen die radikalsten Ausprägungen seiner Agenda noch einbremsten, würden Trumps Pläne in einer zweiten Amtszeit von extremen Kräften in seinem Umfeld vermutlich sogar noch befeuert werden.“ In der Steuerpolitik würde Engels mit einer Verlängerung der auslaufenden Steuererleichterungen rechnen. Auch bei den Investitionsprogrammen der Ära Biden dürfte Trump auf eine Rückabwicklung drängen, wenngleich Widerstand aus den Bundesstaaten (wie zum Beispiel dem größten Profiteur Texas) das Ausmaß der Korrekturen stark begrenzen sollte. Die schärfste Kurskorrektur erwartet Engels in der Außen- und Handelspolitik, wo das Amt des US-Präsidenten über große Entscheidungskompetenzen verfügt. „Gegenüber China dürfte ein Präsident Trump die Gangart verschärfen und das Beziehungsmanagement deutlich unberechenbarer machen“, meint er. An den Kapitalmärkten dürften daher auf einen möglicherweise zunächst positiven Impuls schon bald die Risiken aus seiner Präsidentschaft stärker reflektiert werden und das Umfeld für Risikoanlagen belasten.
Großmachtwettbewerb zwischen USA und China verschärft sich
Auch unabhängig vom Ausgang der US-Präsidentschaftswahl geht der Kapitalmarktstratege davon aus, dass sich der Großmachtwettbewerb zwischen Washington und Peking verschärfen wird. „Die Interessen der beiden größten Handelsmächte der Welt liegen über Kreuz. In den nächsten Jahren wird sich die Rivalität zuspitzen, und das Risiko einer Eskalation wird zu einem ständigen Begleiter für die Kapitalmärkte werden.“ Mit Blick auf das laufende Jahr hält Engels diese Gefahr für vergleichsweise groß. „Unter dem neuen taiwanesischen Präsidenten Lai werden die Spannungen mit China zunehmen. Wir rechnen daher mit einem Anstieg der politischen Unsicherheit in dieser für die Weltwirtschaft sehr wichtigen Region.“ Eine vorübergehende Verschärfung der Risikoaversion ist damit jederzeit möglich. Zudem sieht Engels die Gefahr eines unbeabsichtigten „Unfalls“ im Zuge der verstärkten militärischen Aktivitäten des chinesischen Militärs rund um den Inselstaat. „Eine bewusste Eskalation erwarten wir aber kurzfristig nicht, dafür haben beide Seiten zu viel zu verlieren“, resümiert er.
Weitere Konfliktherde voraussichtlich mit begrenzter Kapitalmarktwirkung
Mit dem Krieg in der Ukraine und den Auseinandersetzungen im Nahen Osten verfügen mindestens zwei weitere Konfliktherde über das Potenzial, die Kapitalmärkte in Aufruhr zu versetzen. „Die entscheidende Frage für die Finanzmärkte lautet, ob es zu Eskalationsspiralen kommt“, kommentiert Engels. „Wir gehen derzeit davon aus, dass der russische Angriffskrieg in der Ukraine regional begrenzt bleibt. Damit dürfte auch die Kapitalmarktwirkung begrenzt bleiben.“
Anders stellt sich die Lage im Nahen Osten dar. „Ein Ausgreifen der Kampfhandlungen auf den Iran würde nicht nur die sicherheitspolitische Situation in der Region, sondern auch die weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen verändern“, erläutert Engels. „Nicht nur die Ölversorgung wäre gestört, sondern auch der Warenverkehr zwischen Asien und Europa würde stark in Mitleidenschaft gezogen werden. Eine solche Störung der Lieferketten weckt schlechte Erinnerungen an die Pandemie und verdeutlicht die Relevanz des Konflikts für die Märkte.“ Für wahrscheinlich hält Engels eine derartige Entwicklung zwar nicht. Aber die Lage bleibt anfällig, und eine Eskalation kann nicht ausgeschlossen werden. Verharrt der Konflikt allerdings auf dem aktuellen Niveau, dürften die Folgen für die Kapitalmärkte überschaubar bleiben.
Kapitalmarktumfeld aussichtsreich, aber Geopolitik mit Störpotenzial
„Insgesamt ist das Kapitalmarktumfeld aussichtsreich, vor allem aufgrund der rein wirtschaftlichen Faktoren. Die weltweite Konjunktur dürfte sich 2024 erholen, angetrieben von den USA. Außerdem sollte die Inflation weiter sinken, was zu steigenden Realeinkommen führen wird“, fasst Engels zusammen. „Der Wachstums-Inflations-Mix spricht damit für chancenorientierte Anlagen wie Aktien. Jedoch ist die Welt geopolitisch fragiler geworden. Das werden die Kapitalmärkte vielleicht schon 2024 zu spüren bekommen“, fasst er zusammen.