Klimastudie: DAX wird grüner – aber nicht überall

Union Investment | 11.11.2024 10:32 Uhr
Dr. Henrik Pontzen, Chief Sustainability Officer und Jakob Haerle, ESG-Analyst bei Union Investment / © e-fundresearch.com / Union Investment
Dr. Henrik Pontzen, Chief Sustainability Officer und Jakob Haerle, ESG-Analyst bei Union Investment / © e-fundresearch.com / Union Investment

  • Zwölf Unternehmen erreichen gute bis sehr gute Ergebnisse
  • Dekarbonisierungsziele, Klimaanreize in der Vorstandsvergütung und CO2-Reduktion als Beurteilungskriterien 
  • Große Spreizung zwischen Vorreitern und Nachzüglern 
  • RWE ist Spitzenreiter, Brenntag ist Schlusslicht

Zwölf DAX-Unternehmen haben bei der Neuauflage der Klimastudie von Union Investment gute bis sehr gute Ergebnisse erreicht. In der Untersuchung werden langfristige CO2-Reduktionsziele, die Verankerung von Klimaaspekten in der Vorstandsvergütung und die tatsächliche CO2-Reduktion der Unternehmen seit dem Jahr 2018 analysiert. Die Studie testiert den Unternehmen zwar Fortschritte bei der Klimafitness, es gibt aber weiterhin Nachzügler. „Der DAX wird grüner, aber das Transformationstempo muss sich bei einigen Unternehmen deutlich steigern“, sagt Dr. Henrik Pontzen, Chief Sustainability Officer von Union Investment. „Als aktiver Investor unterstützen und forcieren wir den Wandel, indem wir in glaubwürdige Transformation investieren und den Dialog mit den Unternehmen verstärken.“

Analysiert wurden die im Oktober 2024 im DAX gelisteten Unternehmen. Die Ergebnisse sind denen aus dem vergangenen Jahr gegenübergestellt worden, als die Studie erstmals durchgeführt wurde. Mit Blick auf die Ambitionen bei der CO2-Reduktion standen erneut die langfristigen Ziele für die gesamte Wertschöpfungskette der Unternehmen im Fokus (Scope 1 bis 3). Denn nur die zusätzliche Einbeziehung der Emissionen aus Vorleistungsgütern und der Endnutzung der Produkte (Scope 3) ermöglicht eine ganzheitliche Perspektive auf die Klimastrategien der DAX-Unternehmen. Daneben wurden Klimaanreize in der Vorstandsvergütung, die realisierte absolute CO2-Reduktion seit 2018, ein spezieller Scope 3-Faktor sowie das Verhältnis von Umsatzwachstum und Emissionen als Effizienzkriterium analysiert. Mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) wurde zudem eine Prognose erstellt und in die Bewertung einbezogen, inwiefern eine ausreichende CO2-Reduktion bei den einzelnen Unternehmen im Jahr 2024 wahrscheinlich ist.

Große Spreizung zwischen Vorreitern und Nachzüglern

Die Studie zeigt, dass die Transformation der deutschen Wirtschaft in vollem Gange ist. Allerdings ist die Spreizung weiterhin hoch. Wie im Vorjahr schneiden insgesamt zwölf Unternehmen gut bis sehr gut ab. Einen Platztausch gab es an der Spitze, wo RWE die Deutsche Telekom ablöst. Von bereits niedrigem Niveau kommend, fiel die CO2-Reduktion beim Vorjahressieger etwas geringer aus als bei RWE. Komplettiert werden die Top 5 von Beiersdorf, Deutsche Bank und Continental. Die Unternehmen der Spitzengruppe zeichnen sich dadurch aus, dass sie in nahezu allen Dimensionen punkten.

Spitzenreiter RWE konnte seine Emissionen (Scope 1 und 2) zwischen 2018 und 2023 sogar mehr als halbieren und ist damit nicht mehr der größte CO2-Emittent im DAX. Das ist nun Heidelberg Materials. Der Baustoffkonzern rutschte zwar im Vergleich zum Vorjahr um drei Plätze auf Rang 11 ab, bleibt aber in der Gruppe der Vorreiter.

13 Unternehmen bilden laut Studie die Nachzügler in Sachen Dekarbonisierung. Dabei finden sich in diesem unteren Drittel einige Unternehmen wie das Schlusslicht Brenntag, MTU Aero Engines, Vonovia und DHL Group, die gegenüber dem Vorjahr noch weiter abgerutscht sind. Kritisch ist auch die relative Entwicklung bei Airbus, Merck und Rheinmetall, die aus dem Mittelfeld im Jahr 2023 nunmehr in die Gruppe der Nachzügler abgerutscht sind.

Reduktionsziele werden ambitionierter

Immerhin geht es beim Thema CO2-Reduktionsziele voran: Elf Unternehmen haben sich über die gesamte Wertschöpfungskette ein so ambitioniertes Ziel gesetzt, dass der Pfad schon heute dem deutschen Klimaschutzgesetz (Klimaneutralität bis 2045) entspricht. Im vergangenen Jahr waren es lediglich sieben Konzerne. Diesbezüglich Vorreiter sind SAP, Porsche, Mercedes-Benz, Deutsche Telekom, Merck, RWE, Sartorius, Symrise, Beiersdorf, Henkel und Deutsche Börse. Weitere 17 Unternehmen erfüllen die EU-Vorgaben der Klimaneutralität bis zum Jahr 2050 – im Vorjahr waren es nur zwölf. Beim Immobilienkonzern Vonovia fehlen hingegen noch immer CO2-Klimaneutralitätsziele mit Blick auf Scope 1 und 2, während sich Rheinmetall, Infineon, MTU Aero Engines und Brenntag noch keine ausreichenden Scope 3-Reduktionsziele gegeben haben. „Unternehmen, die bei ihren Klimazielen nicht alle Emissionen in ihren Wertschöpfungsketten berücksichtigen, müssen deutlich nachbessern“, fordert Jakob Haerle, ESG-Analyst bei Union Investment und federführender Autor der Studie. Wie das gelingen kann, zeigt Zalando: Im vergangenen Jahr noch ohne definierte Klimaziele unterwegs, will der Modehändler nun bis zum Jahr 2040 bei Scope 1 und 2 Klimaneutralität erreichen – bei Scope 3 immerhin bis 2050.

Klimaanreize in der Vorstandsvergütung müssen stimmen

Die richtige Anreizstruktur in der Vorstandsvergütung hilft den Unternehmen, ambitionierte Klimaziele zu erreichen. Nahezu alle DAX-Mitglieder haben Klimaaspekte in den Vergütungssystemen ihrer Vorstandsvorsitzenden verankert. Allerdings bestehen große Unterschiede zwischen den Unternehmen: Während etwa bei RWE die Klimakomponente im Jahr 2023 mehr als 13 Prozent der Vergütung des Vorstandsvorsitzenden ausmachte, war es bei der DHL Group nur etwas mehr als ein Prozent. Dort sind die CO2-Emissionen sogar gestiegen.

Fortschritte bei Emissionsreduktion

Insgesamt zeigt die Analyse der CO2-Reduktion aber Fortschritte im Vergleich zum Vorjahr: 33 Unternehmen (Vorjahr: 30) haben ihre Scope 1- und 2-Emissionen zwischen 2018 und 2023 gesenkt.

Viele DAX-Unternehmen haben ihre Emissionen seit 2018 deutlich gesenkt – das macht Mut. -Jakob Haerle, ESG-Analyst bei Union Investment

19 Unternehmen (Vorjahr: 14) verringerten ihre Emissionen sogar schnell genug, um damit das Pariser 1,5 Grad-Ziel zu erreichen. „Viele DAX-Unternehmen haben ihre Emissionen seit 2018 deutlich gesenkt – das macht Mut. Aber bei der Reduktion der wichtigen Scope 3-Emissionen stehen wir erst am Anfang“, bewertet Haerle die Ergebnisse. Große Scope 3-Emittenten wie Autobauer (Nutzungsphase der Produkte), Banken und Versicherungen (Emissionen der finanzierten oder versicherten Kunden) hinken den Ansprüchen noch deutlich hinterher.

Bonuspunkte für Effizienz und künftigen Reduktionspfad

Erstmals ist in diesem Jahr auch die CO2-Effizienz der Unternehmen bewertet worden. Dazu wurde die Umsatzentwicklung der Emissionsentwicklung gegenübergestellt. Der Gedanke dahinter: Besonders wachstumsstarke und gleichzeitig CO2-sensible Unternehmen sollten zusätzlich belohnt werden. Den Bonuspunkt erhielten insgesamt zehn Unternehmen. Besonders erfolgreich waren dabei SAP und Deutsche Telekom. Beide Unternehmen verzeichneten deutliche Umsatzsteigerungen, gleichzeitig sanken ihre Scope 1- und 2-Emissionen erheblich.

Einen weiteren Bonuspunkt erhielten Unternehmen, wenn ihre künftig erwartete Emissionsreduktion im Einklang mit dem Pariser 1,5 Grad-Ziel ist. Mithilfe einer KI-gestützten Prognose wird die Wahrscheinlichkeit für die Zielerreichung im laufenden Jahr auf Basis von Daten der Vergangenheit geschätzt. Immerhin 23 DAX-Konzerne sind der Prognose zufolge dabei auf dem richtigen Weg. Erfreulich ist, dass mit BMW, Volkswagen, Siemens Healthineers, Airbus und E.ON auch solche Unternehmen eine positive Prognose erhalten, die bis dato bei der CO2-Reduktion noch keine volle Punktzahl erzielen.

Fazit

Als Ergebnis der Klimastudie von Union Investment lässt sich festhalten: Der DAX wird grüner – aber nicht überall. Es gibt Fortschritte in der Breite, aber einige Unternehmen haben beim Thema „Klimafitness“ noch erheblichen Nachholbedarf. Dabei nehmen die Herausforderungen und potenziellen Kosten des Klimawandels – etwa über die umfassendere CO2-Bepreisung – weiter zu. „Schon im eigenen betriebswirtschaftlichen Interesse müssen sich die Unternehmen dringender denn je um eine erfolgreiche Transformation bemühen“, fordert ESG-Experte Pontzen.

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