Die drei Säulen der Zuversicht

"Die Zentralbanken sind zum Erfolg verdammt, und die Anleger tragen das Risko, sollten diese scheitern" - einmal monatlich berichtet Didier Saint-Georges, Mitglied des Investmentkomitees und Managing Director bei Carmignac, über die Wirtschaft und die Märkte, ohne leere Phrasen zu dreschen. Carmignac | 12.06.2015 13:21 Uhr
Didier Saint-Georges, Carmignac / ©  Carmignac Gestion
Didier Saint-Georges, Carmignac / © Carmignac Gestion
Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Auf erste Anzeichen der von uns vor zwei Monaten vorhergesagten Situation brauchten wir nicht lange zu warten (siehe Carmignac’s Note vom April « Eine zerbrechliche Welt »). 

Die Turbulenzen an den Anleihe-, Aktien- und Devisenmärkten in den vergangenen Wochen bewiesen, dass die Kapitalmärkte an Flexibilität verloren haben. Sie sind anfällig geworden für die kleinsten Abweichungen vom perfekten Szenario, bestehend aus beständiger geldpolitischer Unterstützung, ausreichendem Wachstum und einer stabilen Inflationsentwicklung. 

Das Ausmaß der Marktvolatilität wird in Zukunft von den Erwartungen dieser drei Faktoren abhängen. Es ist also angebracht, das Bewusstsein des Marktes für diese drei Säulen der Zuversicht abzuwägen. 

Unserer Meinung nach tendieren die Investoren alles in allem zu einer durchaus selbstgefälligen Bequemlichkeit, da beispielsweise die Möglichkeit eines leichten Anziehens der Inflation in der zweiten Jahreshälfte von den Märkten am wenigsten erwartet wird.

Wie sieht es mit dem Konjunkturzyklus aus ?

Unsere Diagnose hat weiter Bestand (siehe Carmignac’s Note vom März « Variationen zum Thema Seltenheit ») : Die Erholung der Weltwirtschaft bleibt weiterhin schwach, weil die Welt immer noch unter der Bremswirkung leidet, welche die große Krise von 2008 für das Wachstum hatte. Die zügellose Praxis des « quantitative easing » hat eine Art Währungskrieg entfesselt, in dem die Eurozone heute der Protagonist und Hauptnutznießer ist, sogar noch vor Japan. 

Doch diese Geldschöpfung im großen Stil hat keine Beschleunigung des Weltwirtschaftswachstums möglich gemacht, da der Reihe nach jede Region die Quellen ihres eigenen Wachstums von der Wirtschaft ihrer Nachbarn abzapft. Die Art des Auswegs aus der Krise seit 2010 bleibt also gekennzeichnet von verhaltenen und regionalen Mini-Konjunkturzyklen, ohne dass das potenzielle mittelfristige Wachstum viel davon hätte. 

Seit mehreren Quartalen haben wir auf die Enttäuschungen hingewiesen, die von der wirtschaftlichen Vitalität der USA zu erwarten sind. Heute scheinen sie weitgehend eingetreten zu sein. Die Anleger konnten in den vergangenen Monaten eine Schwächung bei Indikatoren der US-Industrieproduktion und des Verbrauchervertrauens beobachten. Man darf zu Recht hoffen, dass sie ihre Erwartungen entsprechend angepasst haben. 

In der Eurozone scheint sich an der im Mai negativen Börsenentwicklung des Automobil-, Energie- oder Grundstoffsektors gemessen, die Begeisterung der Anleger über die Erholung der europäischen Wirtschaft vom Jahresbeginn ebenfalls gelegt zu haben. Das Szenario eines nach wie vor moderaten Wachstums, das aber stärker von der Binnennachfrage getragen wird, wäre eine gute Nachricht für die kommenden Monate. Die Befürchtungen der Anleger scheinen sich heute auf die Geschwindigkeit der Wachstumsverlangsamung Chinas zu fokussieren (und auf die Volatilität der heimischen Aktienmärkte!). Diese Bedenken sind nachvollziehbar. Sie unterschätzen hingegen die Tatsache, dass die chinesischen Behörden aus eigenen Stücken einen großen Teil dieser abrupten Abschwächung herbeigeführt haben. 

Das ist der unmittelbar nötige Preis dafür, dass sie die Wirtschaft des Landes auf einen Kurs nachhaltigen Wachstums steuern können. Heute verfolgt die Regierung das Ziel, die Wachstumsrate auf dem derzeitigen Niveau zu stabilisieren, was nicht ganz problemlos, aber durchaus machbar ist. Die wirtschaftliche Lage Brasiliens ist katastrophal, aber sie ist bekannt. Auf der anderen Seite geht die Erholung Indiens ihren Gang, allerdings etwas langsamer als geplant. Insgesamt bleibt die Diskrepanz zwischen den seit Jahresbeginn zuversichtlichen Finanzmärkten und der Perspektive eines mäßigen Wirtschaftswachstums weiterhin eine Quelle von Instabilität. Doch es scheint, dass sich zumindest der Scharfsinn der Anleger entwickelt hat, was das Risiko von Enttäuschungen zurückdrängt.

Wie sieht es mit der Liquidität aus ?

Die geldpolitische Unterstützung war zweifellos ein bedeutender Grund für die spektakuläre Entwicklung der Finanzmärkte seit drei Jahren. Eine unerwartete Drosselung der Dosis dieser Infusion würde auf den Märkten, die ein extremes Niveau der Gewöhnung erreicht haben, heftige Entzugserscheinungen auslösen. 

Dieses Risiko ist im Grunde das einer falschen Geldpolitik. Doch man erkennt in Europa auch in den USA, in Japan und China , dass sich die Zentralbanken dieser Verantwortung sehr bewusst sind. Das Engagement der Europäischen Zentralbank und der Bank of Japan scheint unbeirrbar zu sein. Zudem ist die Zurückhaltung der Fed spürbar, die sehr genau auf die Wahrnehmung ihrer Absichten am Markt achtet. Die chinesische Zentralbank steht heute hingegen erst am Rande eines starken geldpolitischen Unterstützungsprogramms, welches zur Stabilisierung der Wirtschaft des Landes erforderlich ist. 

Die Märkte werden also noch lange Zeit mit Liquidität überflutet sein. Einen falschen Ton hat diese sanfte Melodie jedoch: Die Anleihemärkte haben sich bereits großzügig an diesem Füllhorn gelabt. Sie sind somit berauscht und daher verletzlich. 

So konnten die durchschnittlichen Zinsen der G7-Länder, sogar ohne dass es eines externen Impulses bedurfte, in zwei Wochen um 0,5% steigen (und die Zinsen 10-jähriger Bundesanleihen kletterten in weniger als einem Monat von 0,08% auf 0,73%) – und das trotz der Unterstützung durch die Zentralbanken.

Wie sieht es mit der Inflation aus ?

Das Anhalten einer weltweit sehr niedrigen, wenn nicht sogar zu niedrigen Inflation ist heute wahrscheinlich der Ausblick, über den der größte Konsens besteht. Schließlich war die Gefahr einer Deflation noch vor sechs Monaten sehr akut, und wie wir gesehen haben, ist das weltweite Wachstum noch recht weit von einer Überhitzung entfernt.

Doch in diesem Punkt herrscht vielleicht eine gewisse Selbstgefälligkeit, zumindest in den USA. Denn drei Phänomene könnten zu einem baldigen Anstieg der Inflationserwartungen führen: Zunächst wird der Ölpreis durch einen einfachen Basiseffekt mit seiner Stabilisierung einen Kontrapunkt setzen, nachdem er mit seinem Fall im zweiten Halbjahr 2014 den Rückgang der Inflation beschleunigt hatte. Dann beginnt die Verbesserung auf dem amerikanischen Arbeitsmarkt erste Wirkungen auf die Löhne zu zeigen. 

Diese sind im ersten Quartal dieses Jahres so stark gestiegen wie seit 2009 nicht mehr. Und schließlich ist die Zahl der zur Vermietung angebotenen Wohnungen in den USA stark zurückgegangen, was traditionell ein zuverlässiges Anzeichen für einen bevorstehenden Anstieg der Mietpreise ist, die wiederum einen bedeutenden Anteil des Preisindex ausmachen. 

Diese Aussicht auf ein Wachstum, das immer noch unter seinem Potenzial liegt, aber von einem gewissen Wiederaufkeimen der Inflation begleitet ist, könnte es für die Fed noch komplizierter machen, ihre Geldpolitik auf sanfte Weise zu normalisieren. Zugleich ist das ein Risiko, das es auf den Zinsmärkten aktiv unter Kontrolle zu halten gilt.

Fazit

Die Verzerrungen, die den Marktpreisen durch das beispiellose Einschreiten der großen Zentralbanken auferlegt wurden, werden von den wirtschaftlichen Realitäten Tests unterzogen. 

Der Test einer immer noch schwachen Wirtschaft läuft bereits, und die Anleger haben offensichtlich begonnen, ihren Optimismus zu zügeln. Ein weiterer Test könnte das baldige Anziehen der Inflation sein. Allerdings wird dieser von den Märkten in keiner Weise berücksichtigt. 

In beiden Fällen gibt es bei der Umsetzung der bereits sehr kühnen Geldpolitiken nur eine geringe Fehlertoleranz. Die Zentralbanken sind zum Erfolg verdammt, und die Anleger tragen das Risko, sollten diese scheitern.

Didier Saint-Georges, Carmignac

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