Die Kernaussagen von Didier Saint-Georges:
Zu den Märkten allgemein und den aktuellen politischen Risiken:
- Die Märkte vernachlässigen gewöhnlich das politische Risiko, das in der Regel tatsächlich kaum Auswirkungen auf die Realwirtschaft hat. Dieses Mal sollten sie sich aber vielleicht Sorgen machen. Was vor sechs Monaten noch praktisch unvorstellbar war, erscheint mittlerweile möglich, nämlich die Wahl eines US-Präsidenten in diesem Herbst, der unverhohlen protektionistisch und bereit ist, die US-Staatsschulden neu zu verhandeln.
- Sollte die Volksabstimmung über den Verbleib des Vereinigten Königreichs in der Europäischen Union auf einen Brexit hinauslaufen, was vor allem politische Gründe hätte, gäbe es mindestens ein erhebliches Risiko für Störungen des innereuropäischen Handels und des Wachstums. Es gibt zahlreiche, mehr oder minder mit Argumenten unterlegte und zumeist von den Befürwortern eines Ausstiegs stammende Schätzungen darüber, wie wahrscheinlich solche Ereignisse sind und welche wirtschaftlichen Folgen sie haben. Wie dem auch sei, ist hier wichtig, dass das Risiko asymmetrisch verteilt ist. Die anstehenden Entscheidungen führen bestenfalls zur Beibehaltung des Status quo und schlimmstenfalls zu einer Kettenreaktion.
Zu den USA:
- In den USA werden Anle ger früher oder später zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Margen sinken, die Produktivität schwächelt und die Verschuldung der Unternehmen steigt. Angesichts einer Bewertung, die derzeit beim 18-fachen der erwarteten Ergebnisse in diesem Jahr liegt, ist der US-Markt anfällig.
- Trotz der bereits sehr schwachen Entwicklung im verarbeitenden Gewerbe besitzen die USA dank des robusten Konsums nach wie vor ein relativ beneidenswertes Wachstumsprofil. Bei genauerer Betrachtung fällt jedoch auf, dass das Wachstumstempo seit mehr als einem Jahr nicht mehr steigt.
Zu China:
- In China scheint die Verbesserung der Wirtschaftsleistung im Zusammenhang mit dem im ersten Quartal angekündigten Konjunkturplan die weltweiten Anleger zu beruhigen (die chinesischen Anleger jedoch nicht). Allerdings geht sie mit einem starken Anstieg des mittelfristigen wirtschaftlichen und finanziellen Risikos einher. Die Anleger könnten aufwachen, wenn sich entweder Enttäuschung im Hinblick auf die Nachhaltigkeit der Konjunkturankurbelung breitmacht oder sie sich bewusst werden, wie groß die Anfälligkeit ist, die die zunehmende Verschuldung der Unternehmen nach sich zieht.
- Die Erholung der chinesischen Wirtschaft im ersten Quartal ist spektakulär, dennoch sollte man sich keinen Illusionen hingeben. Denn indem China sich darauf versteift, sein Wachstumstempo um jeden Preis aufrechtzuerhalten, würde das Land sein akutes Schuldenproblem nur weiter verstärken. Wenn sich die aktuelle Tendenz fortsetzt, würde der aktuelle Verschuldungsgrad von 240% binnen fünf Jahren auf ein kritisches Niveau von rund 320% steigen.
Zur Anlagestrategie bei Carmignac:
- Inzwischen sind angesichts der wirtschaftlichen und politischen Unwägbarkeiten robuste „Allwetter“-Portfolios notwendig. Zudem sollte man – ähnlich wie ein Mittelstürmer, der im Strafraum auf seine Chancen lauert – einen sehr aktiven Umgang mit allen Gelegenheiten auf den Märkten verfolgen.
- In diesem Umfeld sollte man bei Anlagen sehr aufmerksam vorgehen. Die große Zurückhaltung, die die Märkte von Mitte 2012 bis Mitte 2015 an den Tag legten, ist dank des vorbehaltlosen Vertrauens in die Zentralbanken inzwischen vorüber.