Macroeconomic Outlook – Raphaël Gallardo, Chief Economist
- Das globale Wirtschaftswachstum dürfte sich in diesem Jahr von 5,5% (2021) auf 4,2% verlangsamen. In der ersten Jahreshälfte ist dabei mit einer abrupten Abkühlung zu rechnen. Die Gründe dafür sind die Omikron-Variante, die hohen Energiepreise sowie die Folgen der geldpolitischen Straffung in den Schwellenländern und im angelsächsischen Raum. Angesichts der stimulierenden Maßnahmen Chinas gehen wir allerdings von einer weltweiten Erholung in der zweiten Jahreshälfte aus.
- China sieht sich vor allem mit drei spezifischen Wachstumshemmnissen konfrontiert: die steigenden Kosten seiner Zero-Covid-Strategie, der schrumpfende Immobiliensektor und der erwartete Rückgang bei den Exporten in Industrieländer. Von offizieller Seite gab es jedoch deutliche Signale für einen Umschwung hin zu einer expansiveren Geldpolitik. Nachdem seit Dezember erste Infrastrukturinvestitionen und Zinssenkungen zu verzeichnen waren, gehen wir von einer weiteren Runde fiskalpolitischer Impulse und geldpolitischer Lockerungen nach der Tagung des Nationalen Volkskongresses im März aus.
- Da die Omikron-Welle das Arbeitskräfteangebot in den USA weiter drückt, droht die dortige Konjunktur entgegen unserer Erwartung bereits im ersten Quartal vollständig zu überhitzen. Arbeitskräftemangel und die sinkende Verbrauchernachfrage (hohe Inflation, steigendes Haushaltsdefizit, Überbestände bei langlebigen Wirtschaftsgütern) dürften zu einer Halbierung des sequenziellen Wachstums auf 2,4% bis zum Jahresende führen. Da die Inflationserwartungen außer Kontrolle geraten könnten, bleibt der Fed keine Wahl mehr: Sie muss den schnellen Einstieg in einen Straffungszyklus ankündigen und eine wirtschaftliche Verlangsamung in Kauf nehmen.
„Auf kurze Sicht wird die Eurozone weiterhin unter hohen Energiepreisen infolge des Streits zwischen Russland und der NATO sowie unter der Abhängigkeit von globalen Lieferketten zu leiden haben. Doch sind diese Hindernisse erst einmal überwunden, dürfte Europa dank positiver fiskalpolitischer Impulse von einer möglicherweise vollständigen Erholung seiner Arbeitsmärkte profitieren.“
Anlagestrategie und Allokation – Frédéric Leroux, Leiter des Cross Asset Team und Mitglied des Strategic Investment Committee
- Ein Engagement in hochwertigen Growth-Aktien mit Preissetzungsmacht ist angesichts der schwächelnden Konjunktur und der robusten Inflation durchaus sinnvoll. Doch die anhaltende Teuerung sowie die solide Verbraucherbilanz rechtfertigen auch ein gewisses Exposure gegenüber zyklischen Sektoren wie Energie und Banken – auch wenn die uns bevorstehende Phase eher ein defensives Aktienexposure nahelegt.
- Im Bereich der festverzinslichen Anlagen halten wir an unserem defensiven Ansatz fest, den wir im Falle einer hartnäckigeren Inflation noch erweitern können. Die Wahrscheinlichkeit, das die Renditekurve steiler wird, wächst.
- Was die Schwellenländer betrifft, so bleiben wir weiterhin in China investiert. Die Volksrepublik verfügt über den zweitgrößten Bestand an Growth-Aktien weltweit und richtet derzeit ihre Politik neu aus, um die eigene Wirtschaft stärker zu unterstützen.
„Jahrelang richtete sich die US-Notenbank bei ihrer Geldpolitik nach dem Verhalten der Anleger. Nun ist es die Inflation, die die Entscheidungen der Fed und künftig auch den Kurs der Europäischen Zentralbank bestimmt. Angesichts der aktuellen Inflation, die weitgehend von den Energiepreisen angetrieben wird, blicken wir unter Berücksichtigung der ESG-Dynamik mit erneutem Interesse auf den Sektor der fossilen Brennstoffe, ebenso wie auf den Bankensektor. Dieser könnte mit der Zeit davon profitieren, dass die Renditekurve steigt und steiler wird.“
Zwar werden sich die Aktienmärkte dieses Jahr wohl kaum so gut entwickeln wie in den Jahren 2020 und 2021 – doch es gibt einige positive Faktoren, die nicht außer Acht gelassen werden sollten. Die Zentralbanken werden alles in ihrer Macht stehende tun, um das Wachstum nicht zu gefährden. Sie werden sich nach Kräften bemühen, die Inflation in den Griff zu bekommen, ohne die Konjunktur zu bremsen. Die Realzinsen könnten daher für längere Zeit negativ bleiben. Viele Schwellenländer wird die geldpolitische Straffung in den USA nicht sonderlich hart treffen: Sie profitieren von den steigenden Rohstoffpreisen bzw. sind bereits im Begriff, ihre eigene Geldpolitik zu straffen.