- Es wird erwartet, dass die Fed und die BoE die Normalisierung weiter fortsetzen werden
- Wir bleiben beim Zinsänderungsrisiko zurückhaltend
Während die Europäische Zentralbank (EZB) am vergangenen Donnerstag ihren Ausstieg aus der Geldpolitik beschleunigt hat, wird erwartet, dass sowohl die US-Notenbank (Fed) als auch die Bank of England (BoE) in dieser Woche ihren Normalisierungskurs fortsetzen, da die Inflationsängste der Zentralbanker die Rezessionssorgen übertreffen.
Wie auch immer die Ukraine-Russland-Krise ausgeht, die großen Zentralbanken sind nach wie vor entschlossen, weniger geldpolitische Unterstützung zu gewähren. Je länger der Konflikt andauert, desto mehr Störungen der Lieferketten und der Rohstoffpreise sind zu erwarten. Andererseits werden bei einer raschen Beilegung des Konflikts die Folgen für die globalen Versorgungsketten fortdauern, und die Stimmung in den Volkswirtschaften wird sich aufhellen.
Wir gehen daher nicht davon aus, dass die Zentralbanken in absehbarer Zeit ihren geldpolitischen Kurs ändern werden. Investoren erwarten sowohl in den USA als auch im Vereinigten Königreich eine Anhebung der Zinssätze um 25 Basispunkte. Die EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat kürzlich bestätigt, dass die quantitative Lockerung (QE) bis zum 3. Quartal 2022 auslaufen wird - wobei die Reduzierung der QE sogar noch weiter beschleunigt werden könnte.
Im Hinblick auf die Fed-Sitzung halten wir eine Zinserhöhung um 25 Basispunkte angesichts eines noch stärkeren Inflationsdrucks für wahrscheinlich. Die in der vergangenen Woche veröffentlichten US-Inflationsdaten sind nach wie vor stark: 7,9 % für den Gesamtinflationsindex und 6,4 % für den Kerninflationsindex stellen im Jahresvergleich neue 40-Jahres-Höchststände dar - und mehr als 70 % des Warenkorbs verzeichnen monatliche Steigerungen von 4 % oder mehr. In jedem Fall hat Fed-Chef Jerome Powell bei seiner Aussage vor dem Kongress vor zwei Wochen ziemlich deutlich gemacht, dass er die Zinsen um 25 Basispunkte (bps) erhöhen wird.
Während die Fed - wie andere Zentralbanken auch - mit dem Stagflationsdilemma konfrontiert ist, ist der US-Arbeitsmarkt besonders stark und die amerikanische Wirtschaft ist den Folgen des russisch-ukrainischen Konflikts weniger ausgesetzt als der Rest der entwickelten Welt. Allerdings wird sie von den steigenden Rohstoffpreisen betroffen sein, die zu keinem ungünstigeren Zeitpunkt kommen könnten. Es wird erwartet, dass der Offenmarktausschuss der US-Notenbank (Federal Open Market Committee, FOMC) seiner Aufgabe, die Inflation zu bekämpfen, Vorrang vor den Bedenken über die nachlassende globale Wachstumsdynamik und die finanziellen Bedingungen einräumen wird.
Abgesehen von der Zinserhöhung sollten Anleger in den kommenden Monaten vor allem auf drei entscheidende Fragen achten:
- Macht Herr Powell die Tür für eine Anhebung um 50 Basispunkte auf der Mai-Sitzung auf? Wir gehen davon aus, dass er dies tun wird, um so viel Flexibilität wie möglich zu bewahren, zumal der mögliche Ausgang der aktuellen Krise sehr binär ist.
- Werden die FOMC-Mitglieder im Median einen restriktiven Zielsatz über ihren Projektionszeitraum hinweg signalisieren? Unserer Ansicht nach nicht. Wir gehen davon aus, dass der Medianwert bis Ende 2023 auf 2,5 % steigen wird, aber nicht darüber hinaus - die Fed wird also nicht ausdrücklich signalisieren, dass sie die Zinsen über ihr langfristiges neutrales Niveau anheben wird.
- Wie viele Details werden über die künftige Verkürzung der Bilanz genannt? Wir gehen davon aus, dass die Fed im Sommer mit der Verringerung der Bilanz beginnen wird und dass die Verringerung bei voller Geschwindigkeit in der Größenordnung von 70-80 Mrd. USD pro Monat liegen wird. In dieser Woche könnten weitere Einzelheiten bekannt gegeben werden, aber wir denken, dass diese nicht zu einem vollständigen Plan führen werden.
Was ist mit der BoE?
Die wichtigste Frage ist, ob sie bereits in dieser Woche eine Zinserhöhung um 50 Basispunkte vornehmen wird. Am 3. Februar stimmten vier der neun Mitglieder des geldpolitischen Ausschusses (MPC) für eine Anhebung um 50 Basispunkte, während fünf für eine Anhebung um 25 Basispunkte votierten - in der Erwartung, dass die Inflation im Vereinigten Königreich innerhalb der nächsten zwei Jahre wieder in die Nähe des Zielwerts zurückkehren würde. Diese Erwartungen wurden wahrscheinlich durch den Konflikt in der Ukraine und den damit verbundenen Anstieg der Rohstoffpreise in die Höhe getrieben.
Der Markt hat die Endrate im Vereinigten Königreich jedoch auf 2,3 % eingepreist, während die Bank of England signalisiert, dass die neutrale Rate nur 1 % beträgt. Die Sprecher der BoE haben zwar betont, dass die Zinserhöhungen schrittweise erfolgen werden, doch die Tatsache, dass Zinserhöhungen um 50 Basispunkte weder in dieser Woche noch auf der nächsten Sitzung ausgeschlossen werden können, bedeutet, dass die Märkte und die BoE noch eine Weile uneins darüber sein könnten, wo die Zinsen ihren Höhepunkt erreichen werden.
Trotz des Krieges in der Ukraine machen die Zentralbanker deutlich, dass sie sich mehr um die Inflation sorgen als um einen Rezessionsdruck oder eine Verschlechterung der Finanzmärkte. Vor diesem Hintergrund betrachten wir das Zinsänderungsrisiko mit Vorsicht.
Kevin Thozet, Mitglied des Investmentkomitees bei Carmignac