„Auf dem Wirtschaftssymposium in Jackson Hole in 2021 betonten die Zentralbanker, insbesondere Jerome Powell, noch den vorübergehenden Charakter der Inflation und hielten daher an einem strikten, abwartenden Kurs fest. Seitdem haben sie diesen aufgegeben, die Zinssätze auf ein Niveau angehoben, das näher am neutralen Wert liegt und sind angesichts der anhaltenden Teuerung viel stärker von den Daten getrieben.
Für Anleger bedeutet das Fehlen von Prognosen, dass Kommunikation und Strategie der Zentralbanken in den Hintergrund getreten sind und nur noch die jüngsten Datenveröffentlichungen verfolgt werden, um den nächsten Schritt der politischen Entscheidungsträger ‘vorwegzunehmen‘. Die jüngsten Veröffentlichungen waren überzeugend: Die US-Beschäftigungsdaten vom 5. August etwa zeigen, dass im Juli mehr als 500.000 Arbeitsplätze geschaffen wurden. Die US-Einzelhandelsumsätze für diesen Monat lagen über den Erwartungen und bestätigen damit die starke wirtschaftliche Ausgangsbasis.
Unterdessen bleibt die Inflation – sowohl die tatsächliche als auch die erwartete – in den nächsten Monaten zu hoch und liegt weit über dem Ziel der Fed. Der Markt nahm jedoch Powells Tonfall während der FOMC-Sitzung im Juli so wahr, dass er eine Verlangsamung des Zinserhöhungstempos ab September andeutete, was einen Anstieg der Aktienkurse und eine Lockerung der finanziellen Bedingungen zur Folge hatte. Die Anleihemärkte erwarten eine Kehrtwende der Fed ab Q1 2023.
Dies ist ein schwieriger Balanceakt für die politischen Entscheidungsträger in Jackson Hole. Powell will wahrscheinlich signalisieren, dass die Fed den Straffungszyklus noch nicht abgeschlossen hat. Der Markt sieht jedoch in einer Verlangsamung des Erhöhungsrhythmus den Beginn einer völligen Abkehr von der Straffungspolitik der Fed. Er wird wahrscheinlich auf die Botschaft ‚langsamer, dafür länger‘ abzielen. Es besteht jedoch das Risiko, dass die Märkte die finanziellen Bedingungen weiter lockern, wenn sie sich stärker auf den ersten Teil dieser Botschaft konzentrieren, was zu mehr Schmerzen führen wird, wenn der ‘längere‘ Teil zum Tragen kommt.
Schlaglicht auf den Handlungsahmen
Der Bereich, in dem wir weitere Details sehen könnten, könnte sich auf den Rahmen beziehen, in dem die Federal Reserve agiert – schließlich ist das Symposium für Akademiker gedacht und soll langfristige Fragen behandeln.
Angesichts der aktuellen Wirtschaftslage könnte die Interpretation der ‚neutralen Zinssätze‘ untersucht werden, so dass die Höhe der Zinssätze, die weder als entgegenkommend noch als restriktiv angesehen werden, schrittweise angepasst werden könnte, um sie an Veränderungen der Finanzbedingungen oder an einen hohen Inflationshintergrund anzupassen. Tatsächlich geht das theoretische neutrale Zinsniveau von 2,5 Prozent von einer langfristigen Inflation von 2 Prozent aus. Bei einer US-Inflation von etwa 8 Prozent dürfte die Neutralität über 2,5 Prozent liegen. Somit könnte Jackson Hole für Powell die Gelegenheit bieten, die Selbstgefälligkeit des Marktes bei so niedrigen Endsätzen und die Erwartung einer so plötzlichen Änderung des geldpolitischen Kurses zu erläutern. Und dass ein potenziell langsamerer (aber längerer) Straffungszyklus kein grünes Licht für eine Lockerung der Finanzbedingungen bedeutet.
Auch zur Geldpolitik des Euroraums könnten wir einige weitere Informationen erhalten. Die nächste Sitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) findet nämlich am 8. September statt. Berücksichtigt man die ‘Ruhephase‘ von sieben Tagen, könnte das Symposium in Jackson Hole eine öffentliche Plattform bieten, um die Marktteilnehmer weiter auf die (erwartete) zweite Zinserhöhung innerhalb von zehn Jahren vorzubereiten – im September werden 50 Basispunkte erwartet.
Auswirkungen auf die Fixed-Income-Märkte
- Unserer Ansicht nach werden die kurzfristigen US-Zinsen steigen, da die Märkte das Risiko einer Rezession eher früher als später einpreisen. Wir gehen nicht davon aus, dass die USA vor der zweiten Jahreshälfte 2023 in eine Rezession geraten und unabhängig davon dürfte die Rezession in den USA weitgehend durch höhere Zinssätze verursacht werden. Die Konzentration der Fed auf nachlaufende Indikatoren (vor allem Inflation und Arbeitsmärkte) bedeutet, dass sie die Wende erst spät vollziehen wird – was eine Abflachung der US-Renditekurve bedeutet (mehr jetzt = später weniger).
- Wir gehen auch davon aus, dass sich die EZB auf die Seite der Falken neigen wird, da die Inflation in der Eurozone ihren Höhepunkt nicht vor dem Herbst erreichen wird und die Risikopreise nach oben tendieren. Das eigene Szenario der EZB für den Zusammenbruch der Gasversorgung sieht weitere Zinserhöhungen auf dem Weg dorthin vor – was umso wahrscheinlicher ist, als ein solch dramatisches Ereignis mehr finanzpolitische Unterstützung bedeuten würde.“
Kevin Thozet, Mitglied des Investmentkomitees von Carmignac