Ein Jahr geht zu Ende, ein neues beginnt: Ein guter Zeitpunkt, um Ihnen unsere Einschätzung der Perspektiven für 2023 zu erläutern. Wie wir in den letzten Quartalen mehrfach angesprochen hatten, zwingt die Rückkehr des inflationsinduzierten Konjunkturzyklus Anleger zur Anpassung an eine neue Ordnung der Weltwirtschaft, die dauerhaft von höherer Inflation geprägt sein wird.
Zahlreiche Faktoren untermauern die Wahrscheinlichkeit einer dauerhaft höheren Inflation und steigender Nominalzinsen: Die weltweite demografische Entwicklung, der wahrscheinliche Rückgang der Globalisierung zugunsten von Relokalisierungen, der Fokus auf eine schnellere Energiewende und das Ende der Pax Americana. Wir richten unsere Anlagen daher auf Themen aus, die in einem inflationären Umfeld eine Outperformance erzielen können, wobei wir kurzfristig die mit Wucht zurückkehrende Zyklizität berücksichtigen müssen. Das Umfeld zwingt Anleger zu einer proaktiven Verwaltung, die unter anderem zur Anpassung an Desinflationsphasen fähig ist.
Bei unserer anfangs durch den Ukraine-Krieg belasteten Anleihenkomponente setzen wir nunmehr auf eine konsequent aktive Verwaltung, um perspektivisch von höheren Anleiherenditen zu profitieren. Für bestimmte Anleger könnten zudem Unternehmensanleihen interessant sein, die durch das extreme Misstrauen des Marktes belastet werden. In den Renditen dieser Papiere ist in Anbetracht ihrer wirtschaftlichen Fundamentaldaten unserer Ansicht nach ein zu hohes Ausfallrisiko eingepreist.
Das sich abzeichnende wirtschaftliche Gleichgewicht dürfte den US-Dollar bei der nächsten Konjunkturerholung schwächen, sodass Schwellenländeranleihen voraussichtlich wieder an Attraktivität gewinnen. Da die Zentralbanken dieser Länder flexibler sind, können sie ihre Geldpolitik entsprechend gestalten. Wenn sie nicht mehr durch einen starken Dollar bestimmt werden, können sie ihre Geldpolitik expansiver gestalten.
Für die Aktienkomponente der Portfolios können wir unser Augenmerk angesichts weiterhin drohender Inflationsschübe auf Anlagethemen richten, die in den letzten Jahren weniger Beachtung gefunden haben.
Wir haben beispielsweise beobachtet, wie die Energiewende den Inflationsdruck derzeit anheizt. Unserer Ansicht nach kann diese Wende nicht ohne die Beteiligung der großen Akteure aus dem Bereich der fossilen Energieerzeugung vollzogen werden, die sich im Kontext dieses Übergangs stark engagieren und zu den größten Investoren in erneuerbare Energien zählen. Aus pragmatischen Gründen müssen wir folglich konstruktiv mit diesen sogenannten Transitioners zusammenarbeiten, wenn sie sich erkennbar und konsequent für neue Energieträger einsetzen.
Dieser antizyklischen Logik folgend könnte auch der japanische Aktienmarkt wieder interessant werden. Dieser Markt wird seit Jahren von ausländischen Anlegern ignoriert, da sie das Kurspotenzial der nach allen Wertmaßstäben unterbewerteten japanischen Aktien nicht konkretisieren können: Der Markt wartet nur auf einen Auslöser für die Hebung dieses Potenzials. Ein infolge einer ebenso hartnäckigen Inflation unumgänglicher Anstieg der japanischen Zinsen könnte genau dieser Auslöser sein. Er könnte dauerhaft zur Stärkung des Yen beitragen und die Währung für Investoren, die ihr aufgrund ihrer Schwäche in den letzten 12 Jahren den Rücken gekehrt hatten, wieder attraktiv machen. In diesem Falle sind der Bankensektor und Branchen zu bevorzugen, die von der erstarkenden Dynamik der japanischen Wirtschaft profitieren.
Zudem generieren die angestrebte Relokalisierung strategisch wichtiger Produktionskapazitäten angesichts der in der Pandemie offensichtlich gewordenen Abhängigkeit von weit entfernten Ländern und die Transformation infolge einer schnelleren Entwicklung neuer Energien langfristige Anlagechancen im Industriesektor. In Europa werden viele Anlagechancen in diesen Bereichen entstehen.
Wir setzen mit komplexen Market-Timing-Konzepten auf die Erneuerung ganzer Industriebereiche und können optimal von der erneuten Zyklizität profitieren. Dies ist ein zielführender Ansatz, mit dem wir international bestmöglich für das neue wirtschaftliche Umfeld gerüstet sind.
Durch die Rückkehr des Konjunkturzyklus in einem stärker inflationären Umfeld werden die Karten für die Finanzmärkte neu gemischt. Unternehmen und Sektoren, die aufgrund einer langen Phase schwachen und kaum schwankenden Wachstums unterbewertet waren, standen lange im Schatten erfolgreicher Growth-Titel und sind schließlich in Vergessenheit geraten. Angesichts der bevorstehenden Verlangsamung der Wirtschaft und der Desinflation werden sie zu den Gewinnern des nächsten Aufschwungs. Denn für Verwaltungsstrategien, die von steigenden Zinsen profitieren und sich in Schwellenländern positionieren können, werden attraktive Anlagechancen entstehen.
Frédéric Leroux, Mitglied des Strategic Investment Committee von Carmignac