Inflation: Jetzt nicht die Augen verschließen!

Die Hoffnung auf die Rückkehr einer beständig niedrigen Inflation von rund 2,5% ist illusorisch. Carmignac | 08.03.2023 16:50 Uhr
© Foto von Quinten de Graaf auf Unsplash
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Der Rückgang der Inflation in den USA seit Juni 2023 hat die Aktienmärkte in den vergangenen Monaten beflügelt. Die Inflationserwartungen, die sich aus den Preisen von inflationsindexierten Anleihen schließen lassen, deuten auf eine Preissteigerung von rund 2,5% seit Juni und eine anschließende Stabilisierung in etwa auf diesem Niveau in den kommenden Jahren hin. Diese Sichtweise entspricht einer dauerhaften Rückkehr des Marktumfelds der 2010er Jahre, in denen die inflationsbereinigten Renditen Finanz- und Immobilienanlagen deutlich begünstigten und von passiv verwalteten Fonds leicht abgeschöpft werden konnten. Wir glauben nicht an dieses Szenario einer erneut beständig niedrigen Inflation. Wir sind vielmehr der Auffassung, dass uns die hohe Inflation noch lange erhalten bleiben wird.

Die Hinweise häufen sich, dass die Industrieländer am Anfang einer inflationären Phase des langfristigen Konjunkturzyklus stehen, in der das Angebot die Nachfrage nicht immer bedienen kann. Die schnelle Abfolge von durch strukturelle Kräfte angetriebenen Phasen mit inflationärem Wachstum und durch die Zentralbanken forcierten disinflationären Abschwüngen steigert die konjunkturelle Zyklizität. Dies benachteiligt passiv verwaltete Fonds und macht ein erneutes Interesse für Themen notwendig, die durch das Verschwinden des Zyklus an Bedeutung verloren haben.

Persönliche Ziele anstelle ökonomischer Effizienz

Die aktuelle Inflation ist einerseits auf strukturelle Faktoren zurückzuführen, wie etwa eine Gesellschaft, die nur in geringerem Maße Sparguthaben erwirtschaftet, und einen weniger dynamischer Welthandel. Wir haben diese Aspekte in früheren Veröffentlichungen bereits ausführlich behandelt. Derzeit und in den kommenden Jahren spielen zudem zwei weitere wichtige Faktoren eine Rolle, die das Angebot von Waren und Dienstleistungen einschränken:

  • die Dekarbonisierung der Volkswirtschaften, die zu einem erheblichen Rückgang der Investitionen in fossile Energieträger (und damit zu einem strukturellen Rückgang der Reserven) sowie zu einem Anstieg der Energiepreise führen wird;
  • der Wunsch nach einer anderen Lebensweise im Nachgang der Pandemie, der sich in einer neuen Einstellung zur Arbeit widerspiegelt: Homeoffice und kürzere Arbeitszeiten, Berufswechsel, häufig um Stellen abseits der großen Städte anzunehmen, in denen sich der Arbeitskräftemangel am stärksten bemerkbar macht.

Fossile Energien werden im weltweiten Energiemix noch lange die Hauptrolle spielen

Trotz unterschiedlicher Zahlen besteht Einvernehmen darüber, dass in den vergangenen zehn Jahren zwar mehrere Billionen US-Dollar in die Energiewende investiert wurden, der Anteil fossiler Energieträger am weltweiten Energiemix im gleichen Zeitraum jedoch nur um etwas mehr als 1% auf nun 81% gesunken ist.

Die Verbindung aus einem drastischen Rückgang der Investitionen in fossile Energien und ihrem stabilen Anteil am weltweiten Energiemix bilden die Grundlage für eine Energiekrise in gleichem Ausmaß wie jene, die zur letzten großen inflationären Phase von 1965 bis 1980 beigetragen hat und durch den Ölpreisschock von 1973 verstärkt wurde. Wenig überraschend ist die OPEC der Auffassung, dass bis 2045 jährlich 1,5 Billionen US-Dollar – statt wie bisher 1 Billion US-Dollar – in die Entwicklung fossiler Energien investiert werden müssten, um die Energiesicherheit zu gewährleisten.

Die Wahrheit mag irgendwo zwischen diesen beiden Zahlen liegen. Der die Schlagzeilen beherrschende Krieg in der Ukraine sollte uns jedoch nicht das strukturelle Energiedefizit vergessen lassen, das wir leichtgläubig vergrößern, während die Ölförderung in Russland seit Beginn der Invasion in der Ukraine um lediglich 2% gesunken ist.

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