Carmignac-Stratege Thozet: Wenn die EZB und die Fed auseinandergehen

Carmignac | 13.09.2024 08:38 Uhr
Kevin Thozet, Mitglied des Investment-Komitees bei Carmignac / © e-fundresearch.com / Carmignac
Kevin Thozet, Mitglied des Investment-Komitees bei Carmignac / © e-fundresearch.com / Carmignac

Die Europäische Zentralbank (EZB) steht vor einem Dilemma

Das schwache Wirtschaftswachstum, die rückläufigen Lohninflationsdaten und die sich verschlechternden Frühindikatoren deuten auf einen weiteren Rückgang der Inflation im gesamten Euroraum hin. Die hartnäckig im Bereich von 4 Prozent verharrende Dienstleistungs- und Binneninflation steht dem jedoch entgegen oder lässt zumindest Zweifel am weiteren Vorgehen aufkommen.

Geplant war eine Senkung um 0,25 Prozent, aber EZB-Präsidentin Christine Lagarde vermeidet es, sich auf einen geldpolitischen Kurs festzulegen. Und da die Frankfurter Institution ihre Inflationsprognose für 2024 nach oben und ihre Wachstumsprognose nach unten revidiert hat, rechnen wir nicht mit baldiger Klarheit. Die Datenabhängigkeit bleibt zentral.

Die Federal Reserve (Fed) erreicht einen historischen Punkt

In den USA bleiben Wirtschaftswachstum und Konsum robust, doch die Inflation nähert sich der Zielmarke der Fed, und der schwächere Arbeitsmarkt bedeutet, dass die Tür für eine allmähliche Normalisierung der Leitzinsen offensteht, um die Restriktivität der Geldpolitik zu verringern.

Nachdem die Fed die Federal Funds Rate mehr als ein Jahr lang im Zielband von 5,25 bis 5,50 Prozent gehalten hat, erwarten wir, dass sie nächste Woche mit einer Senkung um 0,25 Prozent den Zinssenkungszyklus einleitet. Da in diesem Jahr nur noch zwei weitere Sitzungen (November und Dezember) anstehen, dürfte ein aktualisierter „Dot Plot“ (die Projektionen der Fed-Mitglieder für die Leitzinsen) zeigen, dass die Fed den kurzfristigen Zinspfad nicht aus den Augen verliert.

Wir gehen davon aus, dass der Dot Plot zwei weitere Zinssenkungen bis zum Jahresende signalisiert und Fed-Chef Jerome Powell andeutet, dass er bei Bedarf auch größere Schritte unternehmen könnte. Sollte die Fed signalisieren, dass sie „hinter der Kurve“ ist, würde sie wahrscheinlich mit einer großen Zinssenkung um 0,5 Prozent beginnen.

Zinssenkung ist nicht gleich Zinssenkung

Die EZB hat die Zinsen in diesem Monat bereits um 0,25 Prozent gesenkt und die Fed wird wahrscheinlich nächste Woche folgen. Aber ihre zukünftigen Maßnahmen werden möglicherweise nicht so synchron sein.

Die EZB steht vor einem heiklen Balanceakt. Die Inflation ist stärker gesunken als die Löhne, und das Verbrauchervertrauen zeigt kaum Anzeichen einer Verbesserung. Sowohl das Wirtschaftswachstum als auch die Produktivitätsdaten sind schwach und die Aussichten auf fiskalische Sparmaßnahmen bis 2025 steigen.

Im Gegensatz zur Fed, die den Weg für einen umfassenden Lockerungszyklus geebnet hat, besteht das Risiko für die EZB daher in einem möglichen „One and Pause“- oder „One and One“-Zyklus.

Diese Divergenz zeigt sich deutlich an den Anleihemärkten, wo die EUR-Renditen hinter den USD-Renditen zurückbleiben. Darüber hinaus wirft ein unterschiedlicher geldpolitischer Kurs die Frage nach einer möglichen Aufwertung des Euro auf, was den Wettbewerbsproblemen der Region nicht zuträglich wäre. Dies geschieht zudem zu einem Zeitpunkt, an dem das Wachstum ins Stocken gerät – ein besonders schlechtes Timing.

Die EZB wird sich letztlich zu mehr als den geplanten sechs Zinssenkungen in den nächsten zwölf Monaten durchringen müssen. Es besteht jedoch die Gefahr, dass sie dies eher später als früher tun wird, was aufgrund der Zeitverzögerung zwischen der Politik und den Auswirkungen auf die Realwirtschaft, insbesondere den Arbeitsmarkt, negative Folgen hätte.

Auswirkungen auf die Investitionen

Der Zinssenkungszyklus hat begonnen.

Die Märkte für festverzinsliche Wertpapiere gehen davon aus, dass die Leitzinsen im Euroraum im kommenden Jahr wieder auf 2,0 Prozent sinken werden, während die Renditen langfristiger Kernstaatsanleihen derzeit bei 2,20 Prozent liegen. In den USA werden Leitzinsen knapp unter 3,0 Prozent erwartet, während die 10-jährige Anleihe mit 3,6 Prozent nur 0,6 Prozent darüber liegt.

Vor diesem Hintergrund ist an den Märkten für langfristige Staatsanleihen Vorsicht geboten. Die Zentralbanken senken proaktiv die Zinsen, um die Wirtschaft nicht zu schädigen, während das Angebot hoch bleibt. Und da die quantitative Lockerung fortgesetzt wird (was die Nachfrage nach Anleihen am Markt weiter verringert), besteht die Gefahr eines Aufwärtsdrucks auf die Renditen von Staatsanleihen. Zudem scheint eine gewisse Inflationsprämie gerechtfertigt, da die Zentralbanken die Leitzinsen senken, obwohl die Inflation noch nicht wieder das Ziel von 2 Prozent erreicht hat.

Demgegenüber erscheinen die Märkte für Staatsanleihen mit kürzeren Laufzeiten attraktiver. Sollten die Befürchtungen einer stärkeren Konjunkturabschwächung wieder aufkommen, würden die Märkte einen aggressiveren Zinssenkungszyklus und damit niedrigere kurzfristige Renditen einpreisen. Dieser „Put“ der Zentralbank auf das Konjunkturrisiko ist einer der Gründe, warum wir unter den Risikoanlagen Unternehmensanleihen und Schwellenländer bevorzugen.

Da der Zinssenkungszyklus begonnen hat, ist das kurze Ende der Renditestrukturkurve invers (was die Erwartung weiterer Zinssenkungen in der Zukunft widerspiegelt), aber die Kurve ist ab einer Laufzeit von fünf Jahren positiv geneigt, da darüber hinaus Bedenken hinsichtlich des Angebotsrisikos und der anhaltenden Inflation vorherrschen. Zwischen den negativen Rollrenditen am kurzen Ende und der Ungewissheit über die Laufzeitprämie am langen Ende ist diese becherförmige Kurve für Investoren völlig unattraktiv. 

Ein Gegenmittel zu dieser tückischen Renditestrukturkurve bieten die Kreditmärkte. Die Credit-Spread-Kurve ist über das gesamte Laufzeitenspektrum positiv geneigt und ermöglicht es Anlegern, die negative Neigung von Staatsanleihen abzufedern, wodurch die Renditekurve von Unternehmensanleihen deutlich attraktiver wird.

In den Schwellenländern wird der Beginn des Zinssenkungszyklus der US-Notenbank die lokalen Zentralbanken in die Lage versetzen, die Zinsen aggressiver zu senken als derzeit eingepreist. Die Realzinsen sind für diese Volkswirtschaften, in denen die Disinflation weiter fortgeschritten ist als in den Industrieländern, zu hoch.

Von Kevin Thozet, Mitglied des Investment-Komitees bei Carmignac

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