Für die Aktienmärkte verlief der Sommer holprig. Unerwartet schwache Wachstumszahlen aus den USA schürten Bedenken am Kapitalmarkt, dass US-Aktien möglicherweise zu hoch bewertet sein könnten. Die Ergebnisse des zweiten Quartals, zusammen mit einer leichten Abwärtskorrektur der Gewinnwachstums- Prognosen für das zweite Halbjahr, bestätigten diese Sorgen. Der eher zurückhaltende Ton wichtiger Akteure im Bereich der Künstlichen Intelligenz ließ Befürchtungen am Markt aufkommen, dass die betreffenden Kurse womöglich etwas zu stark oder zu schnell in die Höhe geschossen waren. Der Ausgang der Präsidentschaftswahlen in den USA wurde nach dem Rückzug von Joe Biden ungewisser und die Wahrscheinlichkeit einer wachstumsfreundlichen angebotsorientierten Wirtschaftspolitik verringerte sich dementsprechend. Auf internationaler Ebene nahmen die geopolitischen Spannungen im Nahen Osten wieder zu, während die scheinbar anhaltende Untätigkeit Chinas mit Blick auf die eigene Konjunkturabschwächung unter den Anlegern weiterhin für Verzweiflung sorgte. Die Bank of Japan bekräftigte derweil ihre Absicht, künftig eine weniger akkommodierende Geldpolitik zu verfolgen.
Der Anstieg der japanischen Zinsen spielte eine wichtige Rolle bei der Korrektur an den Aktienmärkten, denn die seit über zehn Jahren andauernde strukturelle Schwäche des Yen infolge der konsequenten Nullzinspolitik hatte immer mehr Marktteilnehmer dazu veranlasst, Kredite in Yen aufzunehmen, um in Erwartung höherer Renditen in Fremdwährungen oder andere Vermögenswerte zu investieren (Carry Trade). Die Bank of Japan hat diesem Carry Trade, der die Finanzmärkte jahrelang mit Liquidität versorgte, anscheinend ein Ende gesetzt. Die Aufwertung des Yen um rund 10 Prozent in wenigen Tagen zwang zu einer beschleunigten Auflösung von Positionen. Die deutlichsten Korrekturen betrafen Währungen wie den mexikanischen Peso, der einer der Hauptprofiteure des Carry Trade war, und viele Aktienmärkte, die in den meisten Fällen zwischen 10 und 15 Prozent nachgaben. So büßte beispielsweise der Index der japanischen Banken an einem einzigen Tag 17 Prozent ein. An den Zinsmärkten blieb es ruhig. Der Volatilitätsindex für die US-Aktienmärkte verzeichnete jedoch ganz und gar überraschend den drittstärksten Anstieg nach den Spitzen der Jahre 2008 (Lehman-Brothers-Insolvenz) und 2020 (Coronakrise). Diesen Ausschlag der Volatilität sollte man im Hinterkopf behalten, auch wenn er dem einen oder anderen Urlauber entgangen sein mag, und sich nicht von der schnellen Erholung der Märkte bis Mitte August täuschen lassen.
Die wichtigste Beobachtung des Sommers ist der simultane Rückgang der US-Zinsen, der Inflation, des Dollars und des Ölpreises – ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Märkte eine Konjunkturabschwächung erwarten, zumindest auf der anderen Seite des Atlantiks.
Die Federal Reserve nahm diese korrelierte Entwicklung zur Kenntnis und kündigte an, dass sie im September ihre erste Zinssenkung seit März 2020 vornehmen würde. Zugleich zeigte sie sich überzeugt, dass die Inflation in den USA eingedämmt sei und sie sich nun auf ihr Mandat konzentrieren sollte, eine möglichst hohe Beschäftigung zu fördern. Die haushaltspolitischen Versprechungen im laufenden Wahlkampf setzen dieser akkommodierenden Haltung der Fed im Angesicht einer Konjunkturabschwächung zwar ihre Grenzen, aber dennoch kann sie sich in Verbindung mit weiteren Faktoren als äußerst vorteilhaft für die Finanzmärkte erweisen. Zu nennen sind hier der Abwärtsdruck auf die langfristigen Zinsen durch eine Senkung der kurzfristigen Zinsen, die Schwächung des Dollars durch eine im Vergleich zu anderen Regionen schnellere geldpolitische Lockerung, der Rückgang der Ölpreise infolge einer fortgesetzten Verlangsamung in China und die Pläne der OPEC zu einer geringfügigen Anhebung der zugelassenen Fördermengen. Aus der Kombination dieser Faktoren ergibt sich ein Goldlöckchen-Szenario, in dem sich Finanzanlagen sehr gut entwickeln können. Ihr Zusammenspiel bildet zudem die Grundlage für ein kommendes Wiederaufleben des globalen Wachstums (Dollar, Zinssätze und Ölpreise auf niedrigerem Niveau) nach der sich abzeichnenden Konjunkturabkühlung in den USA.
Der äußerst stabile Verschuldungsgrad der Haushalte und Unternehmen dürfte verhindern, dass der Abschwung mit einer Finanzkrise einhergeht und in eine Rezession umschlägt. Gleichwohl müssen wir uns auf neue Phasen der erhöhten Volatilität gefasst machen. Das hier beschriebene, sehr positive Szenario, das durch eine anhaltende Disinflation ermöglicht wird, setzt jedoch voraus, dass die US-Wirtschaft in der Lage ist, den Konsum der Mittelschicht zu stützen, der schon jetzt Anzeichen der Schwäche zeigt.
Von Frédéric Leroux, Leiter des Cross-Asset-Teams und Fondsmanager bei Carmignac