Die Europäische Zentralbank (EZB) – 12. Dezember 2024
Die Märkte erwarten eine Zinssenkung um 25 Basispunkte in dieser Woche und in der Folge, dass die Leitzinsen im Sommer bei 1,75 Prozent landen. Die Frage, die sich den Anlegern nun stellt, ist, ob in diesem Zeitraum auch eine Jumbo-Senkung um 50 Basispunkte ansteht.
Unseres Erachtens bedeuten die Bedenken hinsichtlich einer Verlangsamung des Wachstums aufgrund von Trumps Zöllen und die politische Unsicherheit in der Region, dass der Leitzins niedriger ausfallen könnte als vom Markt erwartet (1,5 Prozent oder weniger). Dennoch halten wir eine Senkung um 50 Basispunkte vorerst für unwahrscheinlich, da das Wachstum im dritten Quartal positiv überrascht hat, der Fed-Zyklus seit der letzten EZB-Sitzung nach oben korrigiert wurde und es noch zu früh ist, die Unsicherheit zu den negativen Auswirkungen von Donald Trumps Politik zu berücksichtigen.
An der vielbeachteten „Sprachfront“ könnte die EZB unserer Meinung nach ihre Absicht signalisieren, von einem „sitzungsbezogenen Ansatz“ zu einer „Bereitschaft, zu neutralen Zinssätzen zu gelangen“ überzugehen, um das mit der schwachen Verbraucherstimmung und den politischen Unsicherheiten verbundene Risiko zu integrieren. Auf diese Weise könnte die EZB wieder eine Art von „dovish forward guidance“ einführen.
Schließlich werden in diesem Monat auch die Reinvestitionen der im Rahmen der Ankaufsprogramme (sowohl für das Asset Purchase Programme APP als auch für das Pandemic Emergency Purchase Programme) gehaltenen Anleihen auslaufen, so dass sich die EZB-Bilanz ab dem 1. Januar 2025 um 40 Milliarden Euro pro Monat verringern wird. Das Verschwinden eines preisunempfindlichen Käufers 10 Jahre nach dem Start des APP erfordert auch eine gewisse Vorsicht auf dem Euro-Zinsmarkt. Das Jahr 2025 wird in der Tat ein weiteres Rekordjahr werden.
Die Federal Reserve (Fed) – 18. Dezember 2024
Im Gegensatz zur EZB sind für die Fed die Inflationsdaten ausschlaggebend, da das Wachstumsumfeld recht stark ist. Die Märkte erwarten für die Dezember-Sitzung eine Senkung um weniger als 25 Basispunkte und kaum drei Senkungen in den kommenden sechs Monaten.
Wir gehen davon aus, dass die Fed in der nächsten Woche ihre zweite Zinssenkung um 25 Basispunkte in Folge vornehmen wird, aber ihren Zinssenkungszyklus im ersten Quartal 2025 auf einem Plateau von 4 Prozent beenden wird.
Kurzfristig ist es unwahrscheinlich, dass die Fed erahnen kann, wie Trumps Politik im Januar aussehen wird. Vorerst wird sie also wahrscheinlich auf dem Weg bleiben, den sie seit dem Beginn der Zinssenkungen im vergangenen September eingeschlagen hat.
Sollte die Regierungspolitik jedoch mittelfristig (ein Quartal) das Wachstum, die Preise und das Defizit in die Höhe treiben, während die Produktionslücke weitgehend geschlossen wird, könnte die Fed eine restriktive Haltung einnehmen.
Kurzfristig wird die US-Renditekurve wahrscheinlich steiler werden, da die Märkte weder die erwarteten Zinssenkungen noch den anhaltenden Inflationsdruck vollständig widerspiegeln. Derzeit spiegelt sich in den längerfristigen festverzinslichen Instrumenten ein eher günstiges Inflationsszenario wider.
Die Schweizerische Nationalbank (SNB) – 12. Dezember 2024
Die Märkte gehen davon aus, dass die SNB den Leitzins innerhalb der nächsten sechs Monate um 50 Basispunkte senken und auf 0 Prozent bringen wird. Angesichts der unter dem Zielwert liegenden Inflation (Gesamtinflation von 0,7 Prozent und Kerninflation von 0,9 Prozent), des bescheidenen Wirtschaftswachstums und der starken Währung wird erwartet, dass die SNB versuchen wird, die EZB in ihrem Zinssenkungszyklus zu überholen, um den Aufwärtstrend des Schweizer Franken zu bremsen. Da der Schweizer Franken jedoch ein viel größeres Beta zu Gold als zu Zinsdifferenzen aufweist, bleibt die Wirksamkeit dieser Strategie abzuwarten.
Die Bank of England (BoE) – 19. Dezember 2024
Während die Märkte für die BoE ebenso wenige Zinssenkungen erwarten wie für die Fed, sind die Wirtschaftsaussichten für die beiden Teile der „besonderen Beziehung“ etwas unterschiedlich. Die aggressiven Erwartungen an die BoE haben zu einer historischen Kluft zwischen den Euro- und den Pfundkursen geführt – sie sind jetzt so groß wie während des Mini-Haushaltsdramas von Liz Truss. Während das beträchtliche Defizit des Vereinigten Königreichs mit hohen Realzinsen finanziert werden muss, ist die britische Wirtschaft nach wie vor mit der des alten Kontinents verbunden: 40 Prozent der britischen Waren und Dienstleistungen, das heißt 350 Milliarden Pfund, werden aus dem Vereinigten Königreich in die EU exportiert, was 13 Prozent des BIP entspricht. Daher wird die BoE in ihrem Zinssenkungszyklus wahrscheinlich in die Fußstapfen der EZB und nicht der Fed treten, vor allem wenn sich die Hoffnungen, die auf den Verbraucherausgaben zur Stützung des Wirtschaftswachstums ruhen, als kurzlebig erweisen.
Auswirkungen auf die Vermögensallokation
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir die Zinsmärkte der Industrieländer weiterhin mit Vorsicht betrachten.
Da die Erwartungen hinsichtlich der EZB-Senkungen möglicherweise zu weit gehen und die Märkte schnell einen weiteren Sonderweg der USA einpreisen, ziehen wir bei kurzfristigen Laufzeiten die US-Zinsen den Euro-Zinsen vor.
Wir halten uns weitgehend von den Staatsanleihen der Industrieländer fern, die trotz der Umstände für die Kernländer eine magere Rendite von 4 Prozent (in US-Dollar) bis 2 Prozent (in Euro) bieten – und auch nicht viel mehr für die so genannten „Peripherie“- oder „Semi-Kern“-Länder (im Moment).
Schließlich führen die flache Renditekurve und die anhaltende Inflationsfrage dazu, dass wir Anleihen, die an reale Zinssätze (also an die Inflation) gebunden sind, gegenüber nominalen Anleihen bevorzugen.
Von Kevin Thozet, Mitglied des Investment-Komitees bei Carmignac