100 Tage nach Beginn seiner zweiten Amtszeit hat Donald Trump bereits die von den USA angeführte geopolitische Ordnung zu Fall gebracht, den Welthandel gestört, Zweifel am finanzpolitischen Kurs des Landes und an der Unabhängigkeit der Geldpolitik gesät und dabei die Grenzen der Exekutivgewalt überschritten.
Das Zusammentreffen all dieser Verwerfungen stellt nun die internationale Währungsordnung in Frage, zumal der US-Dollar das Herzstück des Systems ist.
Handelskrieg
Der Höhepunkt der Trump'schen Zollpolitik ist wahrscheinlich schon überschritten.
Vor der 90-Tage-Frist im Juli werden wir wahrscheinlich langwierige und mühsame Verhandlungen erleben, es sei denn, Trump entscheidet sich für einen Ausweg mit vagen Kaufverpflichtungen für US-Energie, Getreide und Waffen. Selbst wenn Trump sich zurückzieht, wird sich die Unsicherheit im Handel nicht völlig normalisieren und weiterhin auf die Investitionsausgaben der Unternehmen und die Stimmung der Verbraucher drücken.
Für China stellt sich die Situation jedoch etwas anders dar. Seine vielschichtige Reaktion steht noch am Anfang.
Auch wenn China angesichts seiner Dominanz bei zahlreichen wichtigen US-Importen und seines Potenzials für finanzielle Vergeltungsmaßnahmen angesichts seiner beträchtlichen US-Vermögensbestände eine starke Hand in den Verhandlungen hat, bedeutet seine Demütigung durch Präsident Trump und Vize-Präsident Vance, dass die Hürde für die Annahme einer Ausnahmeregelung extrem hoch ist. Sollten die Gespräche zustande kommen und eine Art ‚Phase-Eins‘-Vereinbarung gefunden werden, wird diese wahrscheinlich nicht in vollem Umfang die Tatsache berücksichtigen oder auflösen, dass China sehr schnell wächst, sich aber nicht an gleiche Wettbewerbsbedingungen hält und zahlreiche Industriezweige massiv subventioniert.
Der andere Knackpunkt ist Trumps ganzheitlicher Ansatz, der darauf abzielt, Chinas strategische Allianzen mit Ländern wie Russland und dem Iran zu bekämpfen.
Dollar-Schwäche
Obwohl sich der Dollar in diesem Jahr erheblich abgeschwächt hat (um 10 Prozent), ist er unseren Modellen zufolge bei fundamentaler Betrachtung und unter Berücksichtigung der Kapitalströme immer noch um mehr als 10 Prozent überbewertet.
Trotz der Behauptungen von Finanzminister Scott Bessent sieht das Marktgeschehen im April weniger nach einem ‚normalen Deleveraging‘ aus als vielmehr nach einem stillen Exodus in- und ausländischer Realgelder aus den USA, und zwar aus zyklischen (Stagflationsrisiko) und säkularen Gründen (Infragestellung des US-zentrierten globalen Währungssystems).
Nun, da sich Trumps Angriffe auf die Unabhängigkeit der Richter und der Fed auf eine Verfassungskrise zubewegen, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich die stille Kapitalflucht zu einem regelrechten Run aus dem Dollar ausweitet.
Die Normalisierung des Dollar könnte mit einer weiteren Abwertung der relativen Bewertung von US-Aktien einhergehen.
Dies bedeutet, dass das ‚Lächeln‘ des Dollars (bei dem der US-Dollar aufwertet, wenn sich das makroökonomische Umfeld verschlechtert) zurückkehren könnte, wobei der Auslösungspunkt dafür jedoch viel niedriger liegen dürfte als in der Vergangenheit.
Die Fed in abwartender Haltung
Da viele importierende Unternehmen die Zölle angesichts des prekären Handelsumfelds im ersten Quartal vorweggenommen haben und sich die Stimmung in der Wirtschaft stark verschlechtert hat, wird das US-BIP im zweiten Quartal wahrscheinlich ins Stocken geraten.
Der Handelskrieg während Trumps vorheriger Amtszeit führte dazu, dass der effektive US-Durchschnittszollsatz auf alle Importe von 1,5 auf 2,5 Prozent anstieg und die Vereinigten Staaten fast in eine Rezession stürzte. Selbst ein auf breiter Basis ‚ausgehandelter‘ Zoll von 10 Prozent auf alle Importe hätte also erhebliche negative Auswirkungen auf die Wirtschaft – die wir auf 0,7 Prozent des BIP schätzen. Unser zentrales Szenario ist daher ein ‚Stagflationsschock‘ in den USA in diesem Jahr und ein großer Deflationsschock für den Rest der Welt.
In diesem äußerst unsicheren Umfeld besteht das Risiko, dass die Fed eine abwartende Haltung einnimmt, wobei das Gleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt das perfekte technische Alibi bietet. Die Märkte haben in diesem Jahr vier Zinssenkungen eingepreist. Wir halten dies für optimistisch und glauben, dass die Zinssenkungen später als im Juli kommen werden.
Natürlich besteht immer die Möglichkeit, dass der Trumpismus unter dem Druck der Anleihen- (oder Aktien-) Wächter schnell wieder nachlässt, zumal seine Zustimmungswerte die niedrigsten sind, die es für einen amtierenden Präsidenten in dieser Phase seiner Amtszeit seit dem Zweiten Weltkrieg gab.
Dennoch scheint ein Teil des Schadens, der in den letzten 100 Tagen bereits angerichtet wurde, unumkehrbar. Mal sehen, was die nächsten 100 Tage bringen...
Von Kevin Thozet, Mitglied des Investment-Komitees bei Carmignac