Carmignac-Stratege Thozet: EZB und Fed im Wartemodus – September wird zur Zinsentscheidungsschlacht

Trotz unterschiedlicher wirtschaftlicher Voraussetzungen verfolgen EZB und Fed derzeit eine ähnliche Strategie: Abwarten. Kevin Thozet, Investmentkomitee-Mitglied bei Carmignac, sieht für Juli keine Zinssenkung, hält den September jedoch für entscheidend. Handelskonflikte, fiskalpolitische Unsicherheiten und politische Spannungen könnten die geldpolitische Agenda rasch verändern. Carmignac | 23.07.2025 15:14 Uhr
© e-fundresearch.com / Carmignac
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Trotz unterschiedlicher wirtschaftlicher Rahmenbedingungen auf beiden Seiten des Atlantiks scheinen die Europäische Zentralbank (EZB) und die US-Notenbank (FED) an einem Strang zu ziehen. Zumindest vorläufig. Da erwartet wird, dass beide Zentralbanken im Juli die Füße stillhalten und die Marktteilnehmer nahezu identische Chancen für eine Zinssenkung im September sehen, ist die Botschaft der Währungsbehörden klar: Es ist mehr Klarheit erforderlich. Diese vorsichtige Haltung wird durch die doppelte Ungewissheit der sich verändernden Handelsdynamik und der sich entwickelnden fiskalischen Unterstützung begründet.

EZB: Noch kein Gefühl des Notstands

Im vergangenen Jahr hat die EZB ihre Leitzinsen um 200 Basispunkte gesenkt und sie damit in den Bereich gebracht, den viele als neutral ansehen – zwischen 1,75 Prozent und 2,25 Prozent. Das geldpolitische Umfeld im Euroraum scheint sehr ausgewogen zu sein: nicht zu heiß, nicht zu kalt. Diese Ruhe könnte jedoch von kurzer Dauer sein. Zwei große Unwägbarkeiten halten die EZB auf Trab.

Erstens hat die mögliche Einführung von Zöllen zwischen den USA und der EU (entscheidende Details werden für den 1. August erwartet) die geldpolitischen Entscheidungsträger verständlicherweise vorsichtig werden lassen. Zweitens gibt es von den deutschen Konjunkturprogrammen (die im September offiziell verabschiedet werden sollen) zwar vielversprechende erste Signale, doch der Wille zum Handeln wird durch die Fähigkeit zur Umsetzung eingeschränkt. Beide Faktoren werfen die Frage auf, wie lange die Inflation auf dem gesamten Kontinent noch unterdurchschnittlich ausfallen wird.

Da es genügend Gründe gibt, den Zinssenkungszyklus zu unterbrechen, und die jüngsten Daten zu Wachstum und Inflation nicht überzeugend sind, sind so genannte ‚Versicherungssenkungen‘ im Juli unwahrscheinlich. Die Zinssätze werden voraussichtlich stabil bleiben.

Mit Blick auf den September rechnen die Märkte derzeit mit einer 50-prozentigen Chance auf eine Zinssenkung. Die Auswirkungen eines stärkeren Euros auf das Wachstum und die Inflation, die Abschwächung des Lohnwachstums sowie das anhaltende Risiko einer Unterschreitung der Inflationsrate – etwa durch einen Anstieg der chinesischen Billigimporte, die von den USA nach Europa umgeleitet werden – könnten die Haltung der EZB beeinflussen. Da die Gesamtinflation in der Nähe des Zielwerts liegt und die Frühindikatoren auf eine fortgesetzte wirtschaftliche Normalisierung hindeuten, sind die Chancen für eine Zinssenkung im September höher als der aktuelle Marktkonsens, so unsere Einschätzung. Die EZB könnte ihren Leitzins in Richtung 1,5 Prozent senken, insbesondere wenn sich die Zollunsicherheiten negativ entwickeln oder die Inflation unter dem Zielwert bleibt.

Fed: Powells Balanceakt zwischen Leitzinsen und Politik

Auch die Fed befindet sich in einem zweideutigen Umfeld, wenn auch aus ganz anderen Gründen. Was die Politik betrifft, so sind die makroökonomischen Fundamentaldaten der USA nach wie vor robust. Die Beschäftigungsrate ist weiterhin hoch, wenn auch insbesondere aufgrund des knapperen Arbeitskräfteangebots durch Einwanderungsbeschränkungen. Die Verbraucherausgaben sind solide. Und die Fiskalpolitik stützt weiterhin eine Wirtschaft, deren Wachstum seit mehr als vier Jahren in Folge über dem Potenzial liegt.

Aber die politische Seite der Dinge ist nicht ganz so robust. Mit der unverhohlenen Kritik des US-Präsidenten Trump am Fed-Vorsitzenden Powell hat sich der Druck auf die Unabhängigkeit der Institution erhöht.

Zwischen Hammer und Amboss

Die Fed rechnet nicht vor 2027 mit einer Rückkehr der Inflation auf den Zielwert von 2 Prozent. Damit würde die Inflation mehr als sechs Jahre lang unter ihrem Zielwert bleiben. Die jüngsten Preisdaten sind nicht beruhigend. Es gibt bereits Anzeichen dafür, dass sich die Importkosten auf die Verbraucherpreise auswirken, insbesondere bei verarbeiteten Gütern. Das im US-Einzelhandel vorherrschende First-in-first-out-Modell (FIFO) deutet darauf hin, dass sich die höheren Zölle erst jetzt bemerkbar machen.

Jerome Powell ist zunehmenden politischen Spannungen ausgesetzt, aber jede Annahme, dass er sofort ersetzt wird, scheint unwahrscheinlich. Präsident Trump hat sechs Monate vor dem Ende seiner Amtszeit nur wenig Interesse daran, die Führung der Fed zu verändern. Ein solcher Schritt würde die Glaubwürdigkeit der Zentralbank gefährden und die Stabilität des Dollars, der Inflationserwartungen und der langfristigen Zinsen beeinträchtigen. Nun ist es gerade die Glaubwürdigkeit der Fed, die dafür gesorgt hat, dass die langfristigen Inflationserwartungen seit dem Preisanstieg von 2022 fest verankert sind. Jedes Abgleiten in eine Form von fiskalischer Dominanz oder vorzeitiger geldpolitischer Lockerung würde diese hart erkämpfte Stabilität gefährden. Daher ist unser zentrales Szenario, dass die Fed ihre Leitzinsen auch bei der Sitzung im September unverändert lässt, vorausgesetzt, der Arbeitsmarkt hält sich bis dahin relativ gut.

Von Kevin Thozet, Mitglied des Investment-Komitees bei Carmignac

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