DWS CIO Flash: Brexit – keinen Schritt weiter

Die Abstimmung brachte keinen Fortschritt – das Risiko eines harten Brexit bleibt bestehen. DWS | 16.01.2019 14:30 Uhr
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Theresa May steckt herbe Niederlage ein – wie erwartet

Das Ausmaß von Mays Niederlage war größer als erwartet - es ist doch bemerkenswert, dass am Ende nur 202 für und 432 gegen Mays Brexit-Plan stimmten. Die Marktreaktionen waren recht verhalten. Das mag zum Teil daran liegen, dass viele denken, die Ereignisse der letzten Wochen hätten einen ungeregelten Brexit ("harter Brexit") weniger wahrscheinlich gemacht. Doch ohnehin würden wir wie immer die kurzfristigen Marktreaktionen nicht überbewerten wollen. May schien von der Niederlage nicht überrascht und bot dem Haus für den heutigen Mittwoch umgehend eine Vertrauensabstimmung an, die Oppositionsführer Corbyn schnell akzeptierte. Darüber hinaus erklärte sie, dass die Regierung am Montag, den 21. Januar, einen neuen Antrag vorlegen werde, der möglicherweise Änderungswünsche von Oppositionsparteien enthalten könne. Letztere wolle sie fortan in einem größeren Umfang in den Entscheidungsprozess einbeziehen.

Keine neue Klarheit – alles bleibt möglich

All dies bedeutet im Grunde genommen, dass wenig neue Klarheit entstanden ist. Stattdessen gibt es das, was für den gesamten Brexit-Prozess bisher so charakteristisch war – die Vertagung einer Entscheidung. Es ist bezeichnend, dass May explizit darauf hinweisen musste, die Regierung würde nicht auf Zeit spielen, also auf eine Zuspitzung bis zum Austrittstag, den 29. März, hinarbeiten. Wir glauben zwar, dass sie das Vertrauensvotum gewinnen wird, sind uns aber nicht sicher, welche neue Strategie sie dem Haus am Montag vorlegen wird. Wie die meisten Marktbeobachter hoffen wir weiterhin, dass ein harter, chaotischer Brexit vermieden werden kann. Vielleicht könnte eine leicht geänderte Version des Austrittsabkommens noch die Zustimmung des Parlaments einholen. Wir sehen jedoch wenig Spielraum oder auch Willen seitens der Europäischen Union (EU), wesentliche Änderungen vorzunehmen, insbesondere an der umstrittenen nordirischen Backstop-Klausel. Wie und wann die ganze Geschichte enden könnte, bleibt völlig offen – ob "weicherer", harter, oder gar kein Brexit.

Da die gestrige Abstimmung wenig Fortschritt und Klarheit brachte, wollen wir an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen, auf die verbleibenden Risiken in diesem Brexit-Prozess hinzuweisen. Angesichts der vielen unerwarteten Wendungen, die dieser Prozess bereits genommen hat, und angesichts des bisherigen Verhaltens der britischen Parlamentarier, wäre es unseres Erachtens etwas voreilig darauf zu setzen, dass die Parlamentsabgeordneten von nun an nationale Interessen vor Partei- und persönliche Interessen setzen würden. Schließlich begann das ganze Brexit-Abenteuer damit, dass ein von David Cameron initiiertes parteipolitisches Vabanquespiel schief ging; warum sollte es nicht in ähnlicher Weise enden?

Das Restrisiko eines "harten Brexit" ist nicht kleiner geworden

Der Grund, aus dem wir die Gefahr eines ungeordneten Brexit als zumindest unverändert groß erachten, ist schnell erklärt. Zwar stimmt es, dass die Mehrheit der Abgeordneten ein solches Ergebnis nicht will. Das ist in den letzten Wochen immer deutlicher geworden. Und es stimmt auch, dass Premierministerin May immer wieder deutlich macht, dass auch sie kein Interesse an solch einem Ergebnis hat. (Wie unvorhersehbar dieser Prozess und wie unberechenbar das politische Verhalten bleibt, zeigt allein Theresa Mays oft wiederholtes Mantra "Kein Deal ist besser als ein schlechter Deal", angesichts ihrer zuletzt heftigen Warnungen vor einem "No deal").

Das Problem ist, dass in der Politik sowie im Leben Unfälle passieren können und auch passieren. Viele der Alternativen zum Austrittsabkommen von May dürften in den Augen der meisten Abgeordneten ähnlich unattraktiv sein. Der May-Plan hat endlich gezeigt, was von Anfang an hätte offensichtlich sein müssen. Jeglicher Brexit wird schmerzhafte Kompromisse mit sich bringen.

Ein klarer Bruch mit der EU würde die britische Wirtschaft zumindest kurz- bis mittelfristig destabilisieren. Sie würde das Vereinigte Königreich des einfachen Zugangs zu vielen seiner größten Märkte, insbesondere im Dienstleistungssektor, berauben. Ein wie auch immer gearteter "weicher Brexit" bedeutet dagegen, sich noch an viele EU-Vorschriften halten zu müssen und wahrscheinlich noch zum Haushalt beizutragen, ohne ein Mitspracherecht zu haben. Das Parlament dürfte nun versuchen, Mehrheiten für verschiedene alternative Regelungen zu finden. Aber es gibt wenig Grund zur Annahme, dass einer dieser Alternativen der parlamentarischen Kontrolle besser standhalten wird als der bisherige Plan von May.

In der Zwischenzeit tickt die Uhr. Und mit jedem Tag, der vergeht, nähert sich Großbritannien einem chaotischen, unverschuldeten Brexit weiter. Die Ereignisse der letzten Wochen machen dies in dreifacher Hinsicht wahrscheinlicher.

  • Erstens, das Parlament hat letzte Woche der Regierung die Hände für den Fall eines harten Brexit gebunden. Die "Remain" Abgeordneten aller großen Parteien stimmten dafür, die steuerlichen Befugnisse der Regierung im Falle eines harten Brexits zu begrenzen. Ihre Absicht war es, die Regierung zu zwingen, ein solches Ergebnis zu vermeiden. So gut gemeint dies war, bedeutet dies leider auch, dass das Vereinigte Königreich wahrscheinlich noch weniger vorbereitet sein wird, als es hätte sein können.
  • Zweitens haben alle parlamentarischen Manöver die Autorität Mays weiter untergraben. Es ist jetzt fraglich, wie viel sie tatsächlich erreichen könnte - was auch immer sie will. Ein wachsender Teil des Parlaments dürfte daran zweifeln, dass May die richtige Person ist, eben jene Verwirrungen, zu denen sie beigetragen hat, zu lösen. Ihre Rolle bei der Suche nach einem Kompromissvorschlag für einen "weicheren Brexit" dürfte gegenüber dem Parlament geschwächt sein. Auch die Anleger dürften zunehmend erkennen, dass May zwar bisher gut darin war, ihren Job zu behalten, aber weniger gut darin, ihn auch zu erfüllen.
  • Drittens, und vielleicht am wichtigsten, setzt die Labour-Führung ihren heiklen Balanceakt fort, dem Plan von May zwar zu widersprechen, ohne jedoch selber eine glaubwürdige Alternative aufzuzeigen. Rein parteipolitisch ist dies nachvollziehbar. Die Mitglieder der Labour-Partei befinden sich hauptsächlich im "Remain"-Lager. Aber viele der Wähler, die sie bei den nächsten Parlamentswahlen gewinnen müssten, unterstützten "Leave" im Referendum 2016. Ein zweites Referendum, könnte die Partei spalten und ihre Siegchancen beeinträchtigen.

So sieht zumindest Jeremy Corbyn die Dinge. Er hält es für seine oberste Priorität, auf eine Parlamentswahl zu drängen, gefolgt von neuen Verhandlungen mit der EU und zuletzt vielleicht ein zweites Referendum. Das steht im Einklang mit einem Beschluss, der auf dem letzten Labour-Parteitag gefasst wurde. Aber an dieser Linie festzuhalten, solange er kann, bedeutet bei gegebener parlamentarischer Arithmetik, dass ein Kompromiss jeglicher Art vor dem "Brexit-Tag" am 29. März extrem schwierig wird.

Aus rein parteipolitischer Sicht ist dies ein recht verlockender Pfad für die Labour-Partei. Je näher der Brexit-Tag rückt, desto höher könnte die Chance sein, mithilfe einiger Überläufer aus der Regierungskoalition eben jene zu stürzen. Dies wäre auch ein Vorwand, um eine Verlängerung von Artikel 50 zu beantragen. Eine solche Verlängerung erfordert die Zustimmung aller 27 anderen EU-Mitglieder, was aber unserer Ansicht nach eine überwindbare Hürde darstellt. Und theoretisch, um einen "harten Brexit" in allerletzter Minute abzuwenden, könnte Artikel 50 auch widerrufen werden - dies dürfte jedoch bei den Brexit-Wählern für großen Aufruhr sorgen.

Fazit

Wir schließen dieses Update ähnlich wie die meisten unserer anderen Brexit-Stücke ab: Bis zum 29. März - und vielleicht auch darüber hinaus – müssen sich Investoren weiter auf viele Brexit-bezogene, beunruhigende Schlagzeilen einstellen. Auch wenn nicht all diese Schlagzeilen gleichermaßen relevant sein werden.

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